Lebensqualität steigern durch Bewegung
Sich ausruhen oder Sport treiben? Für Benjamin Behnke, CrossFit Coach und CETI Absolvent ist die Antwort klar: Bewegung hilft immer – auch bei Krebs.
Sport bei einer Krebserkrankung – widerspricht sich das nicht?
Benjamin Behnke: Sie meinen, weil viele Krebsbetroffene unter Fatigue, Energiemangel und manchmal auch Schmerzen leiden? Wenn wir von Sport bei Krebspatient*innen sprechen, geht es nicht darum, sie auf einen Marathon vorzubereiten oder zu Höchstleistungen anzutreiben. Vielmehr geht es darum, dass sie sich bewegen.
Dabei ist die Empfehlung vieler Ärzte noch immer ‹ausruhen und nichts tun›…
Behnke: Es gibt zig Studien die bestätigen, dass sich Sport vor, während und nach der Behandlung positiv auf die Lebensqualität auswirkt. Beim Sport kann der Körper so angeregt werden, dass sich der Heilungsprozess und die Verträglichkeit der Therapien verbessern können. Selbstverständlich müssen die Sportart und das Training immer auf die individuellen Möglichkeiten und den Gesundheitszustand der Patient*innen abgestimmt werden.
Das heisst, Sport bzw. Bewegung ist für alle Krebsbetroffenen möglich?
Behnke: Grundsätzlich ist körperliche Aktivität fast immer möglich. Sei dies in Form eines Spazierganges, einer angepassten Trainingseinheit im Fitnessstudio oder leichten Übungen zuhause. Ein grosses Thema beispielsweise bei Brustkrebspatientinnen ist die sogenannte «eingefrorene Schulter». Mit einfachen Übungen lässt sich diese Mobilitätseinschränkung verbessern.
Welche Auswirkungen hat Sport auf das Wohlbefinden der Krebspatient*innen?
Behnke: Sport oder generell körperliche Aktivität kann einerseits positive Auswirkungen auf die Erkrankung selbst haben, andererseits aber auch auf die Nebenwirkungen der Therapie. Ebenso können Ängste, depressive Symptome und Fatigue vermindert werden; die Lebensqualität und körperliche Leistungsfähigkeit verbessern sich. Dabei wirkt sich die Bewegung in der Gruppe mental positiv auf die Betroffenen aus – zu sehen, dass man nicht alleine ist und gemeinsam etwas erreicht, ist enorm hilfreich. Viele Krebsbetroffene fühlen sich von ihrem Körper im Stich gelassen und erleben einen Kontrollverlust. Beim Sport wird Vertrauen in den Körper zurückerlangt, im Sinne von ‹mein Körper kann doch noch etwas›. Abgesehen von diesen mentalen Faktoren werden beim Sport Hormone ausgeschüttet, die sich positiv auf das Wohlbefinden auswirken.
Besonders bewährt haben sich bei Krebsbetroffenen regelmässiges kombiniertes Kraft- und Ausdauertraining. Weshalb?
Behnke: Viele Krebspatient*innen verlieren in Folge ihrer Erkrankung Muskelmasse. Mit der CrossFit Methode trainieren wir die gesamte Muskulatur und verbessern damit auch die Ausdauer. Diese Kombination wirkt sich auch positiv auf Alltagsbewegungen wie ‹aus dem Auto aussteigen› oder etwas vom ‹Boden hochheben›, aus.
Habe ich eben richtig gehört; CrossFit eignet sich für Krebspatient*innen?
Behnke: Diese Frage wird mir immer wieder gestellt. Viele Krebspatient*innen werden zuerst einmal stutzig, wenn sie CrossFit hören – das klingt nach intensiver Belastung. In unserem Kurs, der speziell für Krebs-und Long-Covid-Betroffene entwickelt wurde, und auf der CrossFit Methode basiert, trainieren wir in kleinen Gruppen die funktionale Fitness und machen Übungen, die dem täglichen Leben entsprechen. Wichtig ist jeweils eine persönliche Analyse und Besprechung vor dem Kurs. Jeder trainiert auf Anleitung und auf seinem persönlichen Fitness-Level.
Welche Übungen stehen im Fokus?
Behnke: Es werden etwa schwere Objekte vom Boden aufgehoben, geschoben oder gezogen. Ebenso wird die Mobilität trainiert und dazu einfache Übungen wie Schuhe binden, aufstehen, laufen usw. gemacht. Neben Übungen, die nur das eigene Körpergewicht benötigen, benutzen wir auch Objekte wie Kettlebells, Medizinbälle, Rudergeräte und Langhanteln. Diese Hilfsmittel sind besonders effizient, denn sie unterstützen den Körper darin, wie er sich natürlich bewegen sollte. Wir sehen, dass sich die Leistungsfähigkeit der Patient*innen am Ende eines Kursblocks im Durchschnitt um 35 Prozent verbessert.
Sie arbeiten mit Onkologen zusammen. Weshalb ist das wichtig?
Behnke: Die Trainingsschwerpunkte sind jeweils individuell auf die Patient*in abgestimmt. Um gezielt auf Schwachstellen eingehen zu können, ist die Rücksprache mit den behandelnden Onkologen zentral. Zugleich spreche ich bei Unklarheiten oder Fragen mit den Onkologen und sichere mich damit auch ab.
Sie haben eine Weiterbildung am Cancer Exercise Training Institute (CETI) absolviert. Können Sie uns kurz erläutern, wie Krebspatient*innen davon profitieren?
Behnke: Der Kurs ist eine gute Grundlage, um zu verstehen, welche Krebsarten es gibt, wie diese behandelt werden und welche Auswirkungen sie haben können. Indem ich mir ein möglichst breites Wissen aneigne, kann ich optimal auf meine Kund*innen eingehen und ihnen ein bestmögliches Training anbieten.
Welche Rückmeldungen bekommen Sie von Ihren Kund*innen?
Behnke: Dazu darf ich eine Brustkrebspatientin zitieren: «Durch das Aufbauprogramm habe ich innerhalb kurzer Zeit sehr viel Kraft und Ausdauer erarbeitet. Das Training hat mir neues Vertrauen in meinen Körper gegeben und ich fühle mich sowohl körperlich als auch mental stärker als je zuvor. Die Übungen waren perfekt auf das individuelle Niveau angepasst und ich spürte von Mal zu Mal eine deutliche Verbesserung meiner Kraft, der Ausdauer und bei der Müdigkeit.»
Tipps für Krebsbetroffene
Geeignete Sportarten
Bewegen, bewegen, bewegen – egal was! Sportgruppen für Krebsbetroffene können helfen die Motivation zu steigern.
Konkrete Übungen
Kniebeugen sind immer gut, man kann sie immer und überall machen und sie trainieren den gesamten Körper.
Empfohlene Intensität
Die meisten Betroffenen wissen sehr gut, wo ihre Grenzen sind. Die Intensität ist bei jedem sehr individuell.
Datum: 08.02.2024