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Forschung

Brustkrebs dank HER2 Bestimmung besser behandeln

Brustkrebs HER2 low Experte Jens Huober

Prof. Jens Huober
Chefarzt Brustzentrum
Kantonsspital St. Gallen

Der Nachweis des HER2-Rezeptors beim Brustkrebs hat dazu geführt, dass Patientinnen gezielter behandelt werden können. Damit wurde die Chance für ein Gesamtüberleben erheblich verbessert oder gar das Leben gerettet. 

Heute versteht man HER2 als Spektrum mit vielen Ausprägungen. Die Bestimmung der Ausprägung ist wichtig und hat Einfluss auf die Behandlungsmöglichkeiten.

 

Was bedeutet HER2 bei Brustkrebs und warum ist es relevant?

Prof. Jens Huober: HER2 bedeutet, dass die Tumorzelle ein bestimmtes Oberflächenmerkmal besitzt, das HER2-Rezeptor genannt wird. Dieser Rezeptor begünstigt das Wachstum von Tumorzellen und wird in ca. 15 – 20 Prozent der Brustkrebserkrankungen festgestellt. Der Nachweis des HER2-Rezeptors hat die Therapie von HER2 positivem Brustkrebs revolutioniert. Es können bei Nachweis des Rezeptors Medikamente eingesetzt werden, die gezielt gegen diesen Rezeptor wirken, eine sogenannte ANTI-HER2-Immuntherapie.

 

Was ist das Vorgehen, um die genaue HER2 Kategorie zu bestimmen?

Huober: Dafür ist eine Gewebeprobe des Tumors nötig. In dieser Probe kann der Pathologe mit einer bestimmten Färbemethode, dem sogenannten immunhistochemischen Verfahren (IHC), den HER2-Rezeptor, einen Eiweissstoff, nachweisen. Die Ergebnisse werden dann je nach Anfärbung in eine Skala von IHC 0 bis IHC 3+ eingeteilt. 0 bedeutet, dass keine Anfärbung erfolgt ist, was bedeutet, dass keine Expression des HER2 Rezeptors vorliegt. 3 bedeutet, dass sehr viele Zellen stark gefärbt sind und somit viele HER2 Rezeptoren nachgewiesen werden konnten. Bisher wurde ein Tumor als HER2-positiv eingestuft, wenn der Befund 3+ war. War das Ergebnis IHC 2+, wurde zusätzlich eine Untersuchung des HER2 Gens gemacht. Konnte damit ein vermehrtes Vorkommen des HER2-Gens gezeigt werden, dann wurden diese Fälle auch in die Kategorie HER2-positiv eingeteilt. Viele Studien haben eindeutig gezeigt, dass mit den bisherigen Anti-HER2 Therapien nur diese Patientinnen eine Chance hatten, davon zu profitierten. War der Befund 0, 1+ oder 2+ (ohne vermehrtes Vorkommen des HER2 Gens) wurde von HER2-negativ gesprochen. Das ist bei etwa 85% der Patientinnen der Fall.

Der Nachweis des HER2-Rezeptors hat die Therapie von HER2 positivem Brustkrebs revolutioniert.

Prof. Huober

Neu wird auch von der sogenannten «HER2 low» Kategorie gesprochen. Was ist damit gemeint?

Huober: Bis vor kurzem gab es die Bezeichnungen HER2-positiv, wenn der HER2-Rezeptor nachgewiesen werden konnte, und negativ, wenn kein Nachweis möglich war oder nur in sehr geringem Masse. Diese Einteilung beruhte darauf, dass bei den bisherigen, gegen den HER2 Rezeptor gerichteten, Therapien nur die Patientinnen einen möglichen Nutzen hatten, wenn der Tumor eindeutig HER2 positiv war. Gerade kürzlich wurde an einer grossen Krebskonferenz gezeigt, dass es jetzt ein gegen den HER2-Rezeptor gerichtetes Medikament gibt, welches auch Wirksamkeit bei Patientinnen gezeigt hat, wenn deren Tumor nur eine geringere HER2-Konzentrationen aufgewiesen hat. Bisher wurden diese Patientinnen in die HER2-negativ Kategorie eingeteilt. Neu bezeichnet man deren Tumor jetzt als «HER2-low» (low=niedrig). Mindestens die Hälfte aller Patientinnen mit bisher HER2-negativen Tumoren fallen in diese Kategorie.

Brustkrebs HER2 Low Grafik

Was bedeutet das für Patientinnen, deren Tumor bisher in die HER2-negativ Kategorie eingeteilt wurde und die jetzt HER2-low sind?

Huober: Diese Patientinnen fielen bisher in die Kategorien HER2 negativ und wurden entsprechend den gängigen Leitlinien nicht mit einer Anti-HER2 Therapie behandelt. Jetzt können diese Patientinnen von einer Therapie profitieren, die auch bei geringerer HER2 Expression Wirksamkeit gezeigt haben. Das bedeutet, dass sich das therapeutische Spektrum für diese Patientinnen deutlich erweitert hat.

 

Was können Patientinnen unternehmen, um diese Abklärungen zu erhalten?

Huober: In den Berichten der Pathologen wurde schon immer der Grad der Ausprägung der HER2 Expression berichtet. Bei manchen Patientinnen ist diese Bewertung viele Jahre her. Sie können nun mit ihrem behandelnden Arzt neu über den HER2 Status sprechen und überprüfen, ob sie in die HER2 low Kategorie fallen und dadurch von einer neuen Therapie profitieren können.

 

Ihr Fazit?

Huober: Sowohl beim metastasierten Brustkrebs, als auch beim frühen Brustkrebs wurde das Überleben durch konsequenten Einsatz der Anti-HER2 Therapien erheblich verbessert. Der Nachweis des HER2-Rezeptors und die damit verbundenen Therapien gehören zu den grossen Meilensteinen in der Behandlung von Brustkrebs.

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Journalist: Thomas Ferber
Datum: 16.04.2024