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Forschung

Biosimilars: Warum eigentlich nicht?

Biosimilars Schweiz Experte Stephan Vavricka

Prof. Dr. med. Stephan Vavricka
Facharzt für Innere Medizin und Gastroenterologie FMH
Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie, Zürich

Biosimilars sind auf dem Vormarsch. Laut Prof. Dr. med. Stephan Vavricka vom Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie Zürich gilt es, die Skepsis bei den Patienten*innen zu überwinden. Denn: Biosimilars sind gleich wirksam wie die originalen Biologika. Doch sie helfen Kosten sparen. Das kann eigentlich nur im Interesse von Patienten und Gesellschaft sein.

Prof. Vavricka, um die Thematik Biosimilars zu verstehen, müssen wir erst klären, was Biologika sind. Können Sie uns dies bitte erklären?

Prof. Vavricka: Biologika, bzw. Biopharmazeutika sind Arzneimittel die biotechnologisch hergestellt werden. Es handelt sich im Vergleich zu herkömmlichen Medikamenten oder deren Generika in ihrer chemischen Struktur um weitaus komplexere Arzneimittel. Ihre Wirkung zielt auf spezifische Vorgänge in den Zellen des menschlichen Körpers. Dies bedeutet konkret, dass sie bestimmte Zellbotenstoffe oder Rezeptoren, die bei Krankheitsprozessen eine Rolle spielen, blockieren.

 

Und was sind Biosimilars?

Prof. Vavricka: Biosimilars sind Nachahmerprodukte der Biologika, so wie es die Generika bei den chemisch-synthetischen Originalpräparaten sind. Biosimilars werden entwickelt, wenn der Patentschutz des Biologikums abgelaufen ist. Der Herstellungsprozess ist genau gleich und es resultiert ein vergleichbarer Wirkstoff mit grosser Ähnlichkeit zum ursprünglichen Biologikum, dem sogenannten Referenzprodukt. Ich vergleiche es mit eineiigen Zwillingen, die wohl genetisch identisch sind, aber im Aussehen diskrete Unterschiede aufweisen können. Es ist wichtig zu wissen, dass Wirksamkeit und Sicherheit dieser Präparate ebenfalls in grossen Studien untersucht und bestätigt wurden.

Biosimilars sind Nachahmerprodukte der Biologika, so wie es die Generika bei den chemisch-synthetischen Originalpräparaten sind.

Prof. Vavricka

Wo kommen Biologika oder Biosimilars zum Einsatz?

Prof. Vavricka: Aufgrund ihrer Wirkungsweise kommen diese Präparate überall dort zum Einsatz, wo Rezeptoren und Botenstoffe bei Krankheitsprozessen eine Rolle spielen; so beispielsweise bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen oder bei rheumatischen Leiden. Auch in der Augenheilkunde sowie bei Hautkrankheiten spielen sie eine Rolle. Neue Behandlungen kommen laufend hinzu.

 

Beim Krebs haben die Biologika den Durchbruch beim schwarzen Hautkrebs und bei bestimmten Formen von Lungenkrebs geschafft und es folgen weitere Krebsformen.

Prof. Vavricka: Genau, die Biologika werden auch bei Krebserkrankungen mit grossem Erfolg eingesetzt. Da der Patentschutz schon bei vielen Biologika abgelaufen ist, werden immer mehr auch Biosimilars eingesetzt.

 

Widmen wir uns noch etwas den Biosimilars: Warum sind sie den Referenzprodukten nur «ähnlich» und nicht mit ihnen «identisch»?

Prof. Vavricka: Generell kann es bei der Herstellung von Biopharmazeutika aufgrund des komplexen Herstellungsprozesses immer zu geringfügigen Schwankungen beim Endprodukt kommen. Doch grundsätzlich weisen die Medikamente immer gleich die gleiche Wirksamkeit auf.

Wie ist die Wirksamkeit gegenüber den Referenzprodukten?

Prof. Vavricka: Grosse Studien haben gezeigt, dass die Wirksamkeit von Biosimilars und Biologika vergleichbar gut ist. Das hat dazu geführt, dass gewisse Länder im Gesetz verordnet haben, dass bei der Therapie von Biologika auf Biosimilars umgestellt werden muss. Es kann in einzelnen Fällen bei bestimmten Untergruppen von Erkrankungen sein, dass ein Biosimilar etwas weniger gut wirkt.

 

Ich gehe davon aus, dass der Arzt solche Fälle erkennt und dann die Therapie umstellt.

Prof. Vavricka: Dies trifft zu.

 

Kann von einem Originalpräparat zu einem Biosimilar umgestellt werden?

Prof. Vavricka: Grundsätzlich ist das möglich und wird, wie vorher erwähnt, in gewissen Ländern sogar von Gesetzes wegen gefordert. Ich persönlich bin jedoch dagegen. Ich stelle nie von einer laufenden Behandlung mit einem Biologikum auf ein Biosimilar um. Wenn hingegen bei einer Therapie neu entweder ein Biologikum oder ein Biosimilar zur Auswahl steht, dann beginne ich gerne mit dem Biosimilar. Mit gutem Grund: Es handelt sich dabei um sehr gute Präparate, die sich in Studien als wirksam und sicher erwiesen haben. Es gibt keinen Grund, sie nicht einzusetzen.

 

Wie ist die Anwendung und Dosierung gegenüber dem Referenzprodukt?

Prof. Vavricka: Diese sind mit dem Referenzprodukt identisch. Denn sonst wäre es ja kein Biosimilar.

 

Wie werden die Qualitätsstandards der Biosimilars überprüft?

Prof. Vavricka: Es gibt genau definierte Prozesse zur Prüfung und Einhaltung der Qualitätsstandards. Dies wird als «stepwise comparability exercise» (stufenweise Vergleichsübung) bezeichnet. Der Nachweis von Wirksamkeit und Sicherheit im Rahmen von Zulassungsstudien muss für das Bio

similar nur in einer Indikation, also einer Krankheit, erbracht werden. Weil auch bei anderen Krankheiten vergleichbare Krankheitsprozesse stattfinden, nehmen praktisch alle Zulassungsbehörden an, dass die Wirksamkeit und Sicherheit der Biosimilars auch für alle anderen Indikationen gelten. In diesem Prozess werden auch die chemischen und physikalischen Eigenschaften im Vergleich zum Biologikum geprüft sowie die Wirkungen im Organismus. Letztere betreffen die Wirkungen und Nebenwirkungen des Produktes sowie den Konzentrationsverlauf des Wirkstoffes im Körper. Schliesslich wird noch der Einfluss von Überdosierungen geprüft. Ergibt sich in diesen Studien, dass das Biosimilar genau gleich wie das Referenzbiologikum wirkt und ebenso sicher ist, dann folgen die Studien bei den zu behandelnden Erkrankungen.

 

Warum sind Biosimilars günstiger?

Prof. Vavricka: Es fallen viele komplexe und aufwendige Studien weg, weil nur für eine Indikation geprüft werden muss. Das senkt die Entwicklungskosten stark.

Biosimilars sind sicher ein guter Weg, um in einem teuren System Kosten einzusparen.

Prof. Vavricka

Warum braucht es Biosimilars?

Prof. Vavricka: In allen Ländern explodieren die Gesundheitskosten. Das können wir uns mittelfristig so nicht mehr leisten. Die Kosten des Fortschrittes müssen abgefangen werden. Hier sind Biosimilars sicher ein guter Weg, um in einem teuren System Kosten einzusparen. Es ist darum wichtig, sich darüber Gedanken zu machen: Soll ich Biosimilars verschreiben, um Kosten zu sparen? Diese Frage sollten sich alle stellen, die Medikamente verschreiben.

 

Was halten die Patienten davon? Ist das eine gute Idee, Kosten zu sparen?

Prof. Vavricka: Die Patienten sind skeptisch und es braucht Überzeugungsarbeit ihnen zu erklären, dass Biosimilars gleich gut sind wie die Originalpräparate. Biosimilars werden gleich wie die Referenzprodukte von der Krankenkasse übernommen.

 

In Deutschland gibt es Vorschriften, dass bei der Verschreibung zu einem hohen Prozentsatz Biosimilars rezeptiert werden müssen. Ohne Anreize von aussen geht es also nicht?

Prof. Vavricka: Das ist richtig. In meinen Augen bräuchte es vermehrt Anreizsysteme: Die Politik ist gefordert dafür zu sorgen, Patienten, die ein Biosimilar zur Behandlung vorziehen, für ihren Sparbeitrag auch zu belohnen, beispielsweise mit Vergünstigungen. Ich bin davon überzeugt, dass viele Patienten dazu bereit wären.

 

Welche Vorteile haben Biosimilars für Patienten?

Prof. Vavricka: Wie bereits gesagt: Die Wirkung ist eigentlich genau dieselbe, allerdings mit dem Vorteil, dass die Patienten damit auch noch einen Sparbeitrag leisten. Dies dient nicht nur dem einzelnen Patienten, sondern der ganzen Gesellschaft

Network Biosimilars CH

Der Verein Network Biosimilars CH hat das Ziel, das Verständnis für das brachliegende Potenzial der Biosimilars und deren bedarfsgerechten Einsatz zu fördern. Dabei strebt er den Dialog und die Zusammenarbeit mit allen zentralen Interessengruppen im Bereich Biosimilars an.

https://www.network-biosimilars.ch

Journalist: Thomas Ferber
Datum: 26.09.2022