Mit Erfolg bestanden
«Mit Erfolg bestanden» wer liebt diese Worte nicht auch? Im Auto sitzend, auf dem Parkplatz der Post, öffnete ich den Brief. Darin der Bescheid der Universität, dass ich alle Anforderungen erfüllt hatte und meinen Abschluss erhalten würde.
Nicht irgendein Brief von irgendeiner Universität, sondern ein Brief von der renommierten University of London, die mir einen Master of Science zuspricht – mit MEINEM Namen darauf. Die Wörter im Brief verschwammen, als sich meine Augen mit Tränen füllten. Es gab Momente, wo ich dachte, diesen Brief niemals zu Gesicht zu bekommen.
Das grosse Ziel
Wie sehr ich diesen Master doch gewollt hatte. Wie viele Male ich mich nach dieser Qualifikation gesehnt hatte, um mir selbst zu beweisen, dass ich anderen in nichts nachstehe. Aber nicht nur meine brennende Leidenschaft trieb mich an. Auch mein berufliches Umfeld erwartete es von mir. 20 Jahre Arbeitserfahrung und Erfolg in meiner Rolle waren einfach nicht mehr genug. Es kam vor, dass ich mir anhören musste: «Oh, Sie haben gar keinen Abschluss?» Dieses exklusive Stück Papier war mir ein Dorn im Auge und ich WOLLTE es haben!
Ich war alleinerziehende Mutter mit der finanziellen Verantwortung für zwei Teenager. Ich hatte nie die Zeit oder die Finanzen, um mich selbst weiterzubilden. Alles floss in die Bildung meiner Kinder. Denn ich selbst musste auf die harte Tour lernen, wie wichtig die Bildung ist. Als sich meine Teenager-Tochter Ende 2012 an verschiedenen Universitäten bewarb, tat ich es ihr gleich. Ich bewarb mich um die Zulassung zu einem Master of Science in Organisational Behaviour als Studentin reiferen Alters.
Jodie mit Sohn und Tocher
Einige Monate später geriet meine Bewerbung jedoch völlig in Vergessenheit. Bei mir war metastasierter Brustkrebs im vierten Stadium mit Leber-, Eierstock-, Lymphknoten- und Knochenmetastasen diagnostiziert worden. Als ich geschwächt von der Chemotherapie auf dem Sofa lag, poppte in meiner Mailbox eine E-Mail auf. Ach du meine Güte! Die Universität hatte meine Bewerbung für das Masterprogramm angenommen! Da war sie, die Möglichkeit, um endlich meinen grossen Traum zu verwirklichen. Aber kann ich das? Und doch: wie könnte ich nicht?! Und so drückte ich, haarlos und krank vom Krebs, auf den Bestätigungsknopf.
Im Oktober desselben Jahres kam ich nach London – nach 18 Wochen Chemotherapie, einer doppelten Mastektomie und immer noch in Behandlung. Ein erster leichter Flaum zeigte sich auf meinem kahlen Kopf und durch die Behandlung war ich 10 kg schwerer als sonst. So sass ich im Vortragssaal mit Glanz in den Augen und Stolz im Herzen. In diesem Jahr hatte ich einige wunderbare Freunde gefunden mit denen ich sowohl die Bücher als auch die Erfahrung des ersten Studienjahrs teilen würde.
Leider blieb es bei diesem ersten Jahr, da bei mir erneut Brustkrebs diagnostiziert wurde und ich mein Studium für eine weitere doppelte Mastektomie verschieben musste (ja, Sie haben richtig gelesen!). Niedergeschlagen, aber immer noch beflissen, das Studium zu beenden, wollte ich mich gerade erneut einschreiben, als die dritte Brustkrebs-Diagnose kam. Ich musste mein Studium zum dritten Mal auf Eis legen. Es vergingen viele Monate, bis ich mich von dieser dritten Runde erholt hatte, da eine radikalere doppelte Mastektomie gefolgt von einer wochenlangen Strahlentherapie erforderlich war. Gerade als ich das Licht am Ende des Tunnels erblickte, erhielt ich meine vierte Diagnose: Brustkrebs mit Lebermetastasen. «Sorry, ich habe Krebs, kann ich mein Studium bitte aufschieben?» Bei der Zulassungsstelle der Universität musste ich mich mittlerweile wie eine kaputte Schallplatte anhören.
«Ich hatte über die Jahre gelernt, wie wichtig es ist, ein Ziel zu haben und wie dieses dazu beiträgt die Widerstandsfähigkeit in uns selbst zu stärken.»
Es war im Oktober 2017, noch während der Chemotherapie für die vierte Behandlungsrunde, als ich all meine Vorsicht über Bord warf und mich erneut für mein letztes Jahr einschrieb – entschlossen, krebsfrei zu bleiben und meinen Master endlich abzuschliessen. Ich hatte mir ein Muster eines Master- Zertifikats heruntergeladen, mit meinem Namen versehen und das Papier über meinen Schreibtisch gehängt. Wenn es hart auf hart kam, blickte ich auf das falsche Zertifikat und stellte mir vor, wie ich eines Tages mein eigenes, echtes Zertifikat mit goldenem Logo und den geschwungenen Unterschriften, in den Händen halten würde.
Ich hatte über die Jahre gelernt, wie wichtig es ist, ein Ziel zu haben und wie dieses dazu beiträgt die Widerstandsfähigkeit in uns selbst zu stärken: Zu visualisieren, sich ein Ziel zu setzen und danach zu streben, sich selbst und den eigenen Einfluss auf die Umwelt zu verstehen, hilft einem wirklich dabei, Herausforderungen und Hindernisse zu überwinden. Für mich war es lebenswichtig nach etwas zu streben das über den Krebs hinausgeht. Zu glauben, dass ich überleben würde und sollte dies geschehen, ich eine Sinnhaftigkeit hatte. Und dieser Master gab mir all die Komponenten, um diese vierte Runde zu packen.
Jodie bei der Krebsbehandlung
Dennoch war das Studium hart für mich. Durch die Chemotherapie war ich müde und unkonzentriert geworden. Ausserdem war ich jetzt eine Fernstudentin, die sich in die Vorlesungen einloggte, wenn es der eigene Zeitplan (oder jener des Arztes) gerade erlaubte. Die Prüfungen waren für mich das Schwierigste, da mein Gedächtnis nachgelassen hatte. Dazu kamen das Schreiben und Recherchieren für die Dissertation. Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich meine Arbeit via Post nach London abschickte. Dieser beschwingte Moment, als ich aus dem Postamt trat mit diesem Gefühl von Stolz, Vollendung und Endgültigkeit. Nun begann die Zeit des Wartens …
… Und ich wartete. Würde meine Dissertation angenommen? Würde ich dieses wertvolle Stück Papier, nach vier Krebserkrankungen, drei doppelten Mastektomien, Strahlentherapien, medizinischen Eingriffen und Behandlungen, endlich in meinen Händen halten dürfen? Dieses exklusive Stück Papier, das mich über all diese Jahre vorantrieb, das für mich für Überleben stand, eine Goldmedaille für das Überqueren der Ziellinie. Dieses Stück Papier bedeutet, an mich selbst zu glauben, alles erreichen zu können, was ich wollte. Es bedeutet für mich aber auch 18 Monate Krebsfreiheit. Es bedeutet Erfolg.
«Mit Erfolg bestanden», wer liebt diese Worte nicht auch? Hier bin ich nun, auf dem Parkplatz mit MEINEM Brief...
Mit Erfolg bestanden
Datum: 26.09.2022
Lilly vereint Fürsorge mit Forschergeist, um innovative Therapien zu entwickeln – für ein besseres Leben der Menschen weltweit.
Seit über 50 Jahren verschreibt sich Lilly der Entwicklung von Medikamenten, die das Leben der von Krebs betroffenen Menschen und deren Angehörigen verbessern soll. Auf diesem Erbe aufbauend, ist Lilly entschlossen weiterhin das Leben der von Krebs betroffenen Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern.