Kay hat eine Terminale Krebsdiagnose und setzt sich mit seinem Tod auseinander
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Kays neuer Blick auf seinen Tod

Kay (57) lebt mit einer terminalen Krebsdiagnose. Wie er trotzdem zu einer tiefen Zufriedenheit und Lebensfreude fand, beeindruckt, inspiriert und berührt zu gleich.

Im Jahr 2020 erhielt Kay die Diagnose Prostatakrebs. Mit Gleason Faktor 10 war der Krebs bereits weit vorangeschritten. Die Radikale Prostatektomie schien zuerst erfolgreich, jedoch zeigten sich bei der Nachuntersuchung, dass der Krebs doch bereits metastasiert hatte. Nach Chemo- und Hormontherapie, daraufhin ein Rezidiv und einer weiteren Anti-Testosteron-Therapie, sind Kays Werte seit ca. einem Jahr stabil. Trotzdem ist er als palliativ eingestuft. Dies bedeutet, dass seine Erkrankung unheilbar und seine Lebenszeit sehr begrenzt ist.

Die emotionale Belastung nach der Diagnose und insbesondere nach der Entdeckung der Metastasen führte Kay in eine grosse Krise: «Nachdem mir mitgeteilt wurde, dass der Krebs metastasiert hatte, verfiel ich in eine tiefe Depression und hatte Suizidgedanken, weshalb ich mich auch in psychoonkologische Behandlung begab.»

Kay ist Prostatakrebsbetroffener mit terminaler Diagnose

Der Beginn der Transformation

Kays starke Reaktion auf die Diagnose rührte vor allem daher, weil er einen möglichen Ausgang von metastasiertem Prostatakrebs bereits hautnah miterlebt hatte. Bei seinem Vater wurde 2005 Prostatakrebs in fortgeschrittenem Stadium diagnostiziert, an dem er 2012 verstarb. Kay hatte ihn über die ganze Zeit betreut und bis zu seinem Tod begleitet. In seinen letzten Tagen litt Kays Vater aufgrund der Knochenmetastasen unter starken Schmerzen. Kay befürchtet, ähnliches durchleben zu müssen:

«Ich habe keine Angst vor dem Tod und der Endlichkeit. Ich habe Angst vor dem Sterben, vor dem schmerzhaften Prozess, da ich mit dem Verlauf der Krankheit vertraut bin.»

Kay

Die psychoonkologische Behandlung half Kay, die Depression zu bewältigen und einen Transformationsprozess einzuleiten, um mit dem ganzen Thema besser umzugehen. «Vor einem Jahr etwa setzte bei mir eine spirituelle Reise ein, die sich in der Zwischenzeit als ziemlich gross herausgestellt hat», erzählt Kay schmunzelnd. Er hat sich vertieft mit dem Thema Meditation auseinandergesetzt und nimmt an philosophischen und spirituellen Workshops teil. «Durch die Mediation konnte ich mich auf meine Gefühle einlassen und aus ihnen lernen», so Kay. Er ist sich zudem sicher, dass die Meditation und die erlernten Atemtechniken ihm helfen werden, mit künftigen Schmerzen besser umgehen zu können, was für ihn sehr tröstlich ist.

 

Verbunden durch die Samen, die wir sähen

Sein spiritueller Weg führte Kay in ein buddhistisches Kloster in Frankreich, wo er sich der Lehre des Zen-Buddhismus von Thich Nhat Hanh widmete und wo er auch gegenwärtig wieder weilt. «In mir war ein Wunsch nach Verbundenheit erstanden, der Wunsch nach einer spirituellen Suche. Ich wollte gerne in der Zeit, die mir noch bleibt, zur besten Version meiner selbst werden und aus dem Leiden und der Fixierung auf den Tod rauskommen», erklärt Kay seinen Entscheid, ins Kloster zu gehen.

Kay mit Prostatakrebs Auseinandersetzung mit dem Tod Abschied und Trauer

Die Praxis der Achtsamkeit, des Mitgefühls, des aufmerksamen Zuhörens, des Teilens sowie die Gemeinschaft der Meditierenden (Sangha) im Kloster wurden für ihn zum starken Netz, das ihm Halt gibt.

Ein bedeutender Beitrag zu Kays Transformation leistete eine Motorradreise im letzten Sommer, bei der er alte Freunde in Deutschland und Österreich besuchte. Die Begegnungen und Gespräche während dieser Reise gaben ihm positive Energie und schenkten ihm eine tiefe Lebensfreude, die bis heute anhält. «In der Lehre von Thich Naht Hanh heisst es, dass wir nicht allein sind, sondern viele Dinge in uns tragen, die uns miteinander verbinden – kleine Samen, die von den Begegnungen mit unseren Mitmenschen stammen und in uns fortleben und zu Blumen gedeihen können», erklärt Kay. Dieses Konzept des ‹Inter-Seins› unterstreicht die Verbundenheit aller Dinge im Universum, einschliesslich des Todes als Übergang, nicht als Ende. Kay empfindet dies als eine der schönsten Vorstellungen über die Endlichkeit. «Ich glaube, dass auch ich mit meinem Sein und Denken bei anderen Menschen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und diese verändert habe und dadurch in ihnen und ihren Erinnerungen weiterleben werde.»

«Ich möchte, dass meine Mitmenschen sich an die schönen Augenblicke mit mir erinnern…»

Kay

Ein Blick in die Zukunft

Aus heutiger Perspektive sieht Kay seine Krankheit auch als Gewinn: «Sie hat mir geholfen, die Transformation zu beginnen, die ich mir lange gewünscht hatte. Durch meine Erkrankung habe ich eine neue Sicht auf das Leben gewonnen. Sie war der Auslöser, um mich auf meine Gefühle und diese schwierige Reise einzulassen» Zudem ist sich Kay bewusst geworden, was ihm wirklich wichtig ist: «Ich möchte, dass meine Mitmenschen sich an die schönen Augenblicke mit mir erinnern, und deshalb versuche ich, noch möglichst viele schöne Erinnerungen draufzupacken.»

Dank Kays neuer Sichtweise auf das Leben und dessen Endlichkeit ist er heute weitestgehend lebensbejahend, optimistisch und positiv eingestellt. Er plant, auch die nächste Zeit im Kloster zu verbringen, wo er einen Raum gefunden hat, um mit seiner Situation und seinen Emotionen umzugehen. «Ich möchte noch tiefer in die buddhistische Lehre eintauchen, um meinem Ziel näher zu kommen, zur besten Version meiner selbst zu werden.»

Catherina Bernaschina
Datum: 29.03.2024