
Vom Dach Afrikas auf den Boden der Tatsachen
Tiefer hätte der Fall des 38-jährigen Boris nicht sein können: Vom höchsten Berg Afrikas, zum Tiefpunkt seines Lebens. Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs.
Boris' Geschichte
Im Herbst 2020, mitten in der Corona Pandemie, packten Boris und seine Partnerin Tina ihre Sachen und machten sich auf nach Tansania. Ihr Ziel: die Besteigung des Kilimanjaro. «Noch nie in meinem Leben war ich so fit wie damals», sagt Boris. Der leidenschaftliche Snowboarder ist ein Bewegungsmensch, durch und durch. Rennen, Biken, Boarden oder Bergsteigen – Boris zieht seine ganze Kraft aus dem Sport.
Eine Woche vor Abflug spürte Boris leichte Bauchschmerzen. «Nichts Besorgniserregendes – vielmehr schob ich es auf eine leichte Magenverstimmung», erinnert er sich. Die Tour Richtung Kili lief gut, auch wenn Boris immer wieder Übelkeit verspürte und sich einige Male übergeben musste. In dieser Höhe ist das allerdings nichts Aussergewöhnliches und anderen Teilnehmenden ging es gleich. Kein Grund zur Sorge also. Zunächst. Plötzlich verfärbten sich Boris’ Augen, sein Urin und später die Haut zunehmend gelb. «Ich befragte Dr. Google und die Antwort war eindeutig: Gallensteine. Nicht Schlimmes und so marschierte ich weiter bis zum Gipfel», sagt der Sportler.

Boris und Tina auf ihrem Kilimanjaro-Abenteuer
Die Suche nach dem Gallenstein endete in der Diagnose Krebs
Er war auf dem Dach Afrikas angekommen und ahnte nicht, wie tief sein Fall schon kurze Zeit später sein würde. Kaum in der Schweiz gelandet, suchte Boris direkt am Flughafen eine Arztpraxis auf. Die Ärzte tippten auf Gallensteine, im Ultraschall konnte allerdings kein Stein gefunden werden. So wurde Boris weiter ins Spital überwiesen. Auch hier blieb die Suche nach dem Stein erfolglos, stattdessen wurde noch am Tag seiner Rückkehr ein Tumor in der Bauchspeicheldrüse gefunden. «Es fühlte sich an wie ein Fall ins Bodenlose, ich war völlig verzweifelt und brauchte erst einmal Zeit, um das alles zu realisieren.» Die sofort angesetzte Operation verschob er und holte sich Zweit,- und Drittmeinungen. <<Ich wollte nicht hilflos danebenstehen, der "Einsatz" ist nichts Geringeres als mein Leben. Also versuchte ich mich zu informieren und engagierte ich mich aktiv im Behandlungsprozess.>> Neben- der inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Thema trainierte er, wollte so fit wie möglich für die Operation werden und bereitete sich auch mit Hilfe von Meditation mental auf diesen schwierigen Weg vor. An Boris Seite immer seine Partnerin Tina. Die Frau, die in seinem Leben die wichtigste Rolle spielt und ohne die er heute nicht da wäre, wie er sagt.
«Die Chemotherapie verlangte mir alles ab»
Die 8 stündige Operation verlief soweit gut. Boris wurden Bauchspeicheldrüse, Galle, Milz, ein Teil des Magens und 39 Lymphknoten entfernt – alles war bereits befallen. Deutlich mehr, als auf der vorangegangenen Bildgebung erkennbar war. Er ist überzeugt, dass die körperliche und mentale Vorbereitung massgeblich zu seiner Entlassung nach bereits 12 Tagen beigetragen haben.
«Ich war noch nie in meinem Leben im Spital, war noch nie ernsthaft krank oder hatte mir etwas gebrochen. Jetzt lag ich da und wusste: der harte Teil geht erst los.» Boris meint die bevorstehende Chemo, eine der härtesten, die es auf dem Markt gibt. Boris hat sich vor der Wahl des Therapiezentrums erneut Zweitmeinungen eingeholt und sich letztendlich für eine stationäre Onkologiepraxis entschieden, die seinen individuellen Bedürfnissen möglichst gerecht werden konnte. Rückblickend ist er ausserordentlich froh über die Entscheidung. Die fast schon familiäre Atmosphäre und die individuelle Betreuung waren genau das, was er gesucht hatte. Die Chemotherapie brachte Boris körperlich ans Limit, verlangte ihm psychisch alles ab und hinterliess ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Dazu Boris: «Es war die Hölle und nach der zweiten Chemo habe ich gesagt, dass es so nicht weitergehen kann. Entweder ich sterbe an der Chemo oder am Krebs». In der Folge wurde der Therapieplan umgestellt, es blieb nun mehr Zeit zwischen den Zyklen, zugleich wurde die Dosis reduziert.

Boris ist auch leidenschaftlicher Snowboarder
Lichtblicke am Horizont schaffen
Es half – Boris ging es besser. Während des Gesprächs erwähnt er immer wieder die grosse Unterstützung seiner Partnerin, man spürt die enge Verbundenheit der Beiden. «Ich weiss nicht, wie man so etwas alleine schaffen soll. Meine Botschaft ist deshalb auch: holt euch Hilfe!» Hilfe geholt hat sich Boris bei verschiedenen Stellen: der palliativen Spitex, dank derer er viele Behandlungen zu Hause durchführen konnte, bei seiner Psychoonkologin, aber auch in seinem Umfeld, indem er beispielsweise das kontinuierliche Informieren aller Freunde und Bekannten zu seinem Zustand an Tina und seinen besten Freund übergab. Und auch heute noch, bald zwei Jahre nach Abschluss der Chemotherapie, wird er weiterhin eng psychologisch und medizinisch unterstützt.
Überstanden hat Boris die Chemo aber auch dank seinem starken Willen, seiner Selbstdisziplin und, indem er sich immer wieder Lichtblicke am Horizont geschaffen hat. So holte er sich etwa ein Saisonabo fürs Snowboarden: «Das war Motivation pur für mich und ich habe wie ein Verrückter trainiert, um wieder auf dem Board stehen zu können». Er unternahm gemeinsam mit seiner Freundin kleine Wochenendtrips oder Auszeiten im Hamam.
«Ich möchte nicht übermütig werden, sondern freue mich über kleine Schritte.»
Halbmarathon nach Abschluss der Chemotherapie
Boris wäre nicht Boris, hätte er sich nicht, noch während der Chemo(!), hohe sportliche Ziele gesteckt. Nur einen Monat nach Abschluss der letzten Therapie finishte er einen Halbmarathon, ein Dreivierteljahr später einen Marathon. «Das war meine Art meinem Körper langsam wieder zu Vertrauen. Mir die Chemo und die Fatigue aus dem Körper und aus der Seele rauszurennen. », sagt Boris. Über zwei Jahre nach der Diagnose geht es Boris heute sehr gut, Krebszellen sind aktuell keine Nachweisbar und dennoch relativiert er: «Ich bin realistisch und weiss, dass das Rezidivrisiko sehr gross ist. Ich möchte nicht übermütig werden, sondern freue mich über kleine Schritte.» So geniesse er das Leben heute noch viel mehr, nutze jeden Moment intensiv und habe Strategien entwickelt, die ihm auch in schwierigen Momenten helfen. «Wüsste ich, dass der Krebs nicht wieder kommt würde ich sagen, dass ich dankbar bin für diese Erfahrung, sie hat mich zu dem Menschen gemacht der ich heute bin. Er hat mir eine neue Perspektive zum Leben gegeben und hat mich mehr gelehrt, als ich wohl in den nächsten drei Leben gelernt hätte», lacht Boris.
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Datum: 15.08.2024