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Bezahlbare Krebs­medikamente für die Schweiz

Profilbild von Prof. Thomas Cerny, Präsident Krebsforschung Schweiz

Prof. em. Thomas Cerny
Präsident Krebsforschung Schweiz

Laufend kommen neue Krebsmedikamente auf den Markt. Damit die Fortschritte in der Krebsmedizin allen Patienten zugute kommen, müssen die Medikamente bezahlbar sein – und zwar für alle, erklärt Prof. Thomas Cerny von der Krebsforschung Schweiz.

Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit

 

Prof. Cerny, welche Probleme verursachen zu teure Medikamente?

Der Zugang zu neuen Medikamenten für diejenigen, die sie wirklich benötigen, wird massiv verschärft und auf zeitraubende Weise verkompliziert. Dadurch entsteht letztlich eine Mehrklassenmedizin, welche nicht unserem Krankenversicherungsgesetz entspricht. Je teurer ein Medikament, desto höher sind die Kosten für die Allgemeinheit. Und je höher der Preis, desto höher sind auch die Erwartungen an den Nutzen. Hier sind die Ärzte und die Krankenversicherer dazu verpflichtet, dass die gesetzlich verlangten Kriterien «WZW» (Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit) eingehalten werden. Das Preis-Nutzen-Verhältnis ist aber noch nicht erfassbar, wenn ein Hochpreis-Medikament neu auf den Markt kommt. Deshalb können diese Medikamente vorerst nicht in die sogenannte Spezialitätenliste aufgenommen werden.

«Es kommen fast monatlich neue Krebsmedikamente auf den Markt.»

Prof. Thomas Cerny

Und wenn, dann nur unter hohen Auflagen. Diese Spezialitätenliste ist die Voraussetzung, damit das Medikament von der Grundversicherung übernommen werden muss. Es gibt jedoch Ausnahmeprozedere, etwa bei lebenswichtigen Medikamenten. Für sie kann ein Kostenübernahmegesuch gestellt werden. Die Beurteilungen der Gesuche sind jedoch nicht einheitlich. Wir von der Krebsliga Schweiz sind intensiv mit allen Akteuren daran, einen Teil dieser Probleme zu entschärfen.

 

Wie lange dauert es, bis ein Medikament in der Schweiz auf die Spezialitätenliste kommt?

Es kommen fast monatlich neue Krebsmedikamente auf den Markt, alle zu sehr hohen Preisen. Dies stellt einen Grossteil der Patienten vor Probleme. Dafür müssen dringend Lösungen her. Eigentlich sollte die eidgenössische Leistungskommission nach der Medikamentenzulassung durch die Swissmedic innerhalb von sechs Wochen entscheiden, ob das neue Medikament auf die Spezialitätenliste kommt. Tatsächlich dauert es heute aber ein bis zwei Jahre. Die Politik weiss von dieser Misere. Sie hat jedoch Ladehemmungen aufgrund der enormen Abhängigkeit der Exportnation Schweiz von der Pharmaindustrie. Der Bundesrat und das Parlament sind hier gefordert. Die «Volksvertretung» sollte ihrem Namen gerecht werden und sich für die Interessen der Kranken in der Bevölkerung einsetzen.

 

Was wäre ein Lösungsvorschlag?

Denkbar sind verschiedene Lösungswege: Die Medikamentenpreise könnten entsprechend den tatsächlich nachgewiesenen gesamten Kosten der Entwicklung/Herstellung und der Lagerung/Verteilung berechnet und alle ein bis zwei Jahre entsprechend den tatsächlichen Umsätzen angepasst werden. Damit wäre ein fairer Gewinn bei einem angemessenen Preis garantiert.

 

«Verschiedene Lösungswege sind denkbar.»

Auch könnte die Zulassung der Medikamente durch die Swissmedic neu zwingend den Nachweis des Nutzens eines neuen Medikaments und nicht nur die nachgewiesene medizinische Wirkung und akzeptable Sicherheit umfassen. Damit würde zum Zeitpunkt der Zulassung die ganze Beurteilung für die Spezialitätenliste überflüssig oder könnte zumindest zeitgerecht erfolgen. Denkbar wäre auch eine Infragestellung und Neudiskussion der heutigen Patentgewährung auf Entdeckungen und Erkenntnisse aus der öffentlich finanzierten Forschung, wie sie der Nobelpreisträger Joseph E. Stiglitz ins Spiel gebracht hat. Er zeigt andere Belohnungsmodelle auf, die weiterhin Anreize bieten aber nicht zu Monopolen führen. Eine Option wäre auch der freie Parallelimport aus Ländern, die vergleichbare Qualitätsstandards zur Schweiz aufweisen aber tiefere Preise haben.

Autorin: Catherina Bernaschina
Datum: 28.09.2021