CLL ist gut behandelbar neue Therapien
Blutkrebs
Therapien

CLL: Nicht heilbar, aber gut behandelbar

Experte für chronisch lymphatische Leukämie

Dr. med. Nathan Cantoni 
Leitender Arzt Hämatologie
Koordinator Lymphom- und Leukämiezentrum
Kantonsspital Aarau

Die CLL ist eine nicht heilbare Erkrankung, die anfänglich kaum Symptome macht und erst bei stärkerer Ausprägung behandelt wird. Heutige moderne Therapien führen zu einer guten Langzeitprognose. Wichtig ist, dass Betroffene umfassend über ihr Leiden informiert sind und dass sie auch eine angemessene aussermedizinische Betreuung erfahren.

Dr.  Cantoni  im  Gespräch

Dr. Cantoni, wie erklären Sie Ihren betroffenen Patient*innen die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL)?

Dr. Cantoni:  Die CLL - eine Art von Blutkrebs (Leukämie) - ist die häufigste Form der Leukämie in Mitteleuropa. Unter Blutkrebs versteht man häufig nur eine akute, aggressive bez. schnell verlaufende Form des Blutkrebses. Chronische Formen zeigen in der Regel einen langsam fortschreitenden Krankheitsverlauf. Umgangssprachlich auch als Altersleukämie bezeichnet, trifft die CLL auch jüngeren Personen.

Bei der CLL sind die Lymphozyten, eine Untergruppe der weissen Blutkörperchen - wichtig für die Körperabwehr - betroffen. Die CLL zeigt eine unkontrollierte Vermehrung von reifen, aber nicht funktionstüchtigen Lymphozyten in Knochenmark und Blut. Sie vermehren sich auch in den Lymphknoten, der Milz und anderen Organen und verdrängen mit der Zeit gesunde Lymphozyten, sowie die normale Blutproduktion im Knochenmark.

«Heutzutage ist mit speziellen genetischen Untersuchungen die Erkrankung genauer definierbar.»

Dr. Cantoni

Welche Beschwerden treten bei der CLL auf?

Dr. Cantoni:  Die CLL ist anfänglich meist symptomlos und wird häufig zufällig entdeckt. Bei einer Lymphknotenvergrösserung, vor allem wenn diese rasch fortschreitet, sollte eine Abklärung erfolgen. Auch Oberbauchbeschwerden als Zeichen einer möglichen Vergrösserung der Milz und/oder Leber sind ernstzunehmende Symptome.

Weitere Beschwerden werden meist erst bei einem fortgeschrittenen Stadium bemerkt. Dazu gehören:

  • eine Verminderung der Leistungsfähigkeit zusammen mit Müdigkeit und Blässe sowie Atemnot (als Folge eines Mangels an roten Blutkörperchen)
  • eine erhöhte Blutungsneigung (als Folge eines Mangels an Blutplättchen)
  • häufige und zum Teil schwerwiegende Infektionen (als Folge eines Mangels an gesunden weissen Blutkörperchen)
  • Fieber unklarer Ursache
  • ungewollter Gewichtsverlust (als Folge der Vermehrung der entarteten Lymphozyten).

Diese Beschwerden sind nicht spezifisch und bedeuten nicht automatisch eine Diagnose Blutkrebs, sollten aber ernst genommen und abgeklärt werden.

 

Wie verläuft die CLL?

Dr. Cantoni: Im frühen Stadium der CLL treten kaum Beschwerden auf und Betroffene können gut mit der Erkrankung leben und es ist meist keine Behandlung erforderlich. Angesagt ist eine "watch & wait" Strategie (abwartende Beobachtung). Heutzutage ist mit speziellen genetischen Untersuchungen die Erkrankung genauer definierbar. Dies erlaubt eine bessere Abschätzung des zukünftigen Krankheitsverlaufs und der Behandlungsmöglichkeiten.

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es für die CLL?

Dr. Cantoni: Im Rahmen von "watch & wait" werden Betroffene regelmässig mit klinischen sowie Blutuntersuchungen überwacht. Je nach Dynamik der Erkrankung und insbesondere bei Auftreten der zuvor beschriebenen Beschwerden, wird eine Behandlung in der Regel notwendig. Bei der Behandlung der CLL gibt es sowohl kontinuierliche als auch zeitlich begrenzte Therapien. Die Behandlungsmöglichkeiten für die CLL haben sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert, allerdings ist die CLL weiterhin nicht heilbar. Die Ziele der heutigen CLL-Therapie sind in der Regel eine langfristige Kontrolle der Beschwerden, eine Verzögerung des Fortschreitens der Erkrankung sowie im Idealfall eine langfristige Normalisierung der Blutwerte und der Lymphknoten-, Milz- sowie Lebergrösse.

 

Was hilft Ihren Patient*innen besonders im Umgang mit der Erkrankung und der  Therapie?

Dr. Cantoni: Die Behandlung wird die Betroffenen lebenslänglich begleiten. Deswegen spielen eine ausführliche Information sowie eine gute Kommunikation durch bzw. mit dem betreuenden Team eine zentrale Rolle und sind entscheidend für einen guten Umgang mit der Erkrankung und der Behandlung. Die meisten Personen mit einer CLL können ihren bisherigen Alltag über viele Jahre hinweg ohne Beschwerden und ohne Fortschreiten der Erkrankung weiterführen.

Zusätzlich zur medizinischen Behandlung können verschiedene unterstützende Massnahmen in Anspruch genommen werden. Dazu gehören zum Beispiel eine psychoonkologische Mitbetreuung, Seelsorge, Unterstützung der Krebsliga oder der Austausch in Selbsthilfegruppen. Patient*innen sollten sich auch mit weiteren Themen zu Ihrer Gesundheit und nicht nur mit der Diagnose CLL beschäftigen. Dazu gehört, dass sie sich weiterhin um das eigene Wohlbefinden kümmern, zum Beispiel mit regelmässiger Bewegung, gesunder und ausgewogener Ernährung und Pflege der sozialen Kontakte.

«Die Behandlung der CLL entwickelt sich weiterhin in Richtung einer personalisierten und gezielten Medizin.»

Dr. Cantoni

Was hilft den Betroffenen im Umgang mit der «watch & wait» Phase?

Dr. Cantoni: Für viele CLL-Patientinnen und -Patienten ist diese Phase eine grössere Herausforderung als eine medikamentöse Behandlung. Das ständige Warten auf die nächste Kontrolle aber auch auf den richtigen "Ausbruch" der Erkrankung kann zusätzliche Unsicherheiten und Ängste auslösen. Hier ist eine gute Information entscheidend: Es ist wichtig zu verstehen, dass heutzutage mit einer frühzeitigen Therapie im früheren Stadium (ohne Beschwerden) keine positive Beeinflussung des Krankheitsverlaufes erreicht werden kann, die Prognose sich nicht verbessert und das spätere Ansprechen auf eine Behandlung nicht negativ beeinflusst wird.

 

Welche Zukunftstrends sehen Sie in der Therapie von CLL?

Dr. Cantoni: Die Behandlung der CLL entwickelt sich weiterhin in Richtung einer personalisierten und gezielten Medizin: Dank genauerer Untersuchungsmethoden, insbesondere genetischen Analysen, kann die Erkrankung immer besser definiert und damit die ideale Therapie für die meisten Patienten und Patientinnen angeboten werden.

Tipps für Angehörige von CLL Betroffenen

  • Die Unterstützung der krebskranken Person ist wichtig und zum Teil auch entscheidend für einen guten Erfolg der Behandlung. Gleichzeitig müssen Angehörige aber auch auf ihre eigenen Bedürfnisse, Probleme und Sorgen achten.
     
  • Die regelmässige Begleitung zu Kontrollen bei den behandelnden Spezialist*innen kann die optimale Betreuung der Betroffenen und das bessere Verständnis der Angehörigen unterstützen.
     
  • Der Austausch mit verschiedenen Menschen kann hilfreich sein. Es ist wichtig, dass man weiterhin mit den Betroffenen, aber auch mit anderen Menschen, über die eigenen Bedürfnisse und Gefühle reden kann.
     
  • Angehörige sollten bei Bedarf die gleichen unterstützende Massnahmen wie für Patient*innen in Anspruch nehmen. Dazu gehören zum Beispiel eine psychoonkologische Betreuung, Seelsorge, Unterstützung der Krebsliga oder von Selbsthilfegruppen.
Thomas Ferber
Datum: 01.05.2023