
Darmkrebs: Fortschritte in Diagnose und Therapie – auch bei fortgeschrittenen Stadien

Die Behandlung von Darmkrebs hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Frühe Formen lassen sich oft vollständig heilen– vorausgesetzt, sie werden rechtzeitig entdeckt. Deshalb ist eine konsequente Vorsorge, insbesondere durch die Darmspiegelung, entscheidend.
Doch auch in fortgeschrittenen Stadien gibt es heute vielfältige Behandlungsmöglichkeiten. Neben modernen medikamentösen Strategien spielen chirurgische Eingriffe und innovative Therapiekonzepte eine wichtige Rolle. Diese Fortschritte ermöglichen es, Darmkrebs immer gezielter und erfolgreicher zu behandeln.
Im Gespräch mit Dr. Siebenhüner
Dr. Siebenhüner, wie wird Dickdarmkrebs diagnostiziert?
Siebenhüner: Die Diagnose erfolgt mittels der Bestimmung von verdächtigem Gewebe, das in der Regel durch eine Darmspiegelung entnommen wird. Mit modernsten Labormethoden kann heute eine exakte Diagnose der molekularen Eigenschaften des Tumors erfolgen. Daraus ergeben sich dann gezielte und individuelle Behandlungspläne.
Wie beeinflussen das Krankheitsstadium und die Tumoreigenschaften die Therapieplanung?
Siebenhüner: Dickdarmkrebs wird in vier Stadien unterteilt. In frühen Stadien, ohne Ausbreitung über die innere Darmschleimhaut oder über den Darm hinaus, ist die Prognose ausgezeichnet, sofern keine Lymphknoten befallen sind. In fortgeschritteneren Stadien oder bei Fernmetastasen, beispielsweise in die Leber, verschlechtert sich die Prognose.
Auch die Lage des Tumors spielt eine Rolle – je nachdem, ob die linke oder rechte Hälfte des Dickdarmes oder der Enddarm (Rektum) betroffen sind. In allen Fällen gibt es unterschiedliche Behandlungsstrategien.
Zunehmend wird auch sogenanntes zirkulierendes Tumor-Erbgut (ctDNA) im Blut untersucht. Dessen Nachweis kann Hinweise auf den Krankheitsverlauf und ein Therapieansprechen geben und ermöglicht es, frühzeitig Massnahmen gegen einen Rückfall zu ergreifen.

Ist eine frühe Erkennung und Behandlung somit entscheidend?
Siebenhüner: Ja, und deswegen möchte ich die grosse Bedeutung des Screenings wirklich betonen. Darmkrebs verursacht in frühen Stadien selten Symptome. Wird er jedoch bei der Vorsorge rechtzeitig entdeckt, liegt die Heilungschance bei nahezu 100 Prozent. Deshalb sollten regelmässige Vorsorgeuntersuchungen ab einem Alter von 50 erfolgen – bei bestimmten Risikogruppen, beispielsweise mit familiärer Belastung oder starkem Übergewicht, bereits früher.
Welche Therapieoptionen gibt es für Darmkrebsbetroffene?
Siebenhüner: Je nach Lokalisation sind verschiedene Formen und Kombinationen von Chemo- und Immuntherapie möglich. Zum Einsatz kann auch die sogenannte zielgerichtete Therapie (targeted therapy) kommen. Dabei hemmen diese Medikamente wichtige Stoffwechselprozesse des Krebses. Die Therapieentscheidungen werden in interdisziplinären Tumorboards und im Anschluss in Absprache mit den betroffenen Patient*innen getroffen. Dies garantiert eine fachlich bestmöglich abgestützte Behandlung.
«In frühen Stadien kann eine chirurgische Entfernung des Tumors praktisch schon die Heilung bedeuten.»
Wie wird Darmkrebs operativ behandelt?
Siebenhüner: In frühen Stadien kann eine chirurgische Entfernung des Tumors praktisch schon die Heilung bedeuten. Beim Rektumkarzinom kann auch ohne Operation mittels Chemotherapie und Bestrahlung in bestimmten Fällen der Tumor zurückgedrängt werden. Wir sprechen in diesem Fall von der Strategie des Organerhalts. Im Idealfall ist bei der Nachkontrolle kein Krebs mehr nachweisbar und die Operation entfällt.
Grundsätzlich erfolgen die Eingriffe heute mit der roboterassistierten Chirurgie. Dies erlaubt schonende Eingriffe mit schnelleren Erholungszeiten und kürzeren Spitalaufenthalten. Wichtig zu wissen ist auch, dass solche Operationen heute nur noch von speziell dafür zertifizierten Chirurg*innen durchgeführt werden dürfen.

Warum entstehen bei Darmkrebs so häufig Metastasen in der Leber, und welche Herausforderungen bringt das mit sich?
Siebenhüner: Die Leber ist das zentrale Organ, in dem das Blut aus den Organen des Bauchraums zusammenläuft und gefiltert wird. Somit funktioniert sie wie eine Filterstation, wo Tumorzellen hängen bleiben und Metastasen bilden können.
Eine besondere Herausforderung stellt die Funktion der Leber dar. Sie ist ein lebenswichtiges Organ, das nicht ersetzt werden kann. Somit muss bei allen Eingriffen darauf geachtet werden, dass noch genügend gesundes Gewebe erhalten bleibt, das die Leberfunktion gewährleistet.
Welche Möglichkeiten gibt es, Lebermetastasen zu behandeln?
Siebenhüner: Die Behandlung hängt von der Anzahl der Metastasen und der Art des Darmtumors ab. Eine Möglichkeit ist die einfache Verödung der Darmtumormetastase. In manchen Fällen ist jedoch eine Operation mit der halbseitigen Entfernung der Leber nötig. Nach einer solchen Teilentfernung kann die verbleibende, gesunde Leber wieder nachwachsen. Schliesslich können auch bei Lebermetastasen medikamentöse Therapien zum Einsatz kommen. Selbst bei Lebermetastasen gibt es also noch Möglichkeiten, die Krankheit aufzuhalten.
Zur Person
PD Dr. med. Alexander Reinhard Siebenhüner ist spezialisiert auf die klinische Versorgung von onkologischen Patienten und Patientinnen mit Schwerpunkt in gastro-intestinaler Onkologie.
Seit 2021 ist PD Dr. med. Alexander Siebenhüner Präsident der Projektgruppe gastrointestinaler Tumore der SAKK und leitet hierbei unter anderem als nationaler Hauptprüfarzt (PI) die Phase III DANTE Studie, welche in Kooperation mit der Forschungsgruppe IKF/AIO in der Schweiz Patienten mit einem Magenkarzinom angeboten wird.
Neben der klinischen Tätigkeit ist PD Dr. med. Alexander Siebenhüner als Prüfarzt und Co-Investigator von klinischen Forschungsprogrammen (Phase I-III) involviert.
Kontakt: alexander.siebenhuener@kho.ch
Datum: 26.03.2025

Im Tumorzentrum Hirslanden Zürich, das von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) als European Cancer Centre zertifiziert ist, erhalten Betroffene mit einer Krebsdiagnose eine fachübergreifende und ganzheitliche Behandlung. Hier arbeiten Fachleute aus diversen medizinischen Fachrichtungen zusammen, um modernste und individuell abgestimmte Krebstherapien zu gewährleisten.
www.hirslanden.ch/tumorzentrum