Darmkrebs Therapie Fortschritte: Ein älteres Paar auf einem Fahrrad
Darmkrebs
Wissen

Fortschritte in der Behandlung von Darmkrebs

Prof. Dr. med, Ulrich Güller, MHS
Chefarzt Onkologie-& Hämatologiezentrum
Spital Thun, Spiez, Berner Oberland

Beim Darmkrebs sollen verfeinerte Untersuchungsmethoden, insbesondere auch Mutationsanalysen, eine wirksamere und individuellere Therapie erlauben.

Diese Behandlungsstrategien werden laufend weiter optimiert und sollen künftig noch bessere Therapieergebnisse bringen, sagt Prof. Dr. med. Ulrich Güller, MHS, Chefarzt des Onkologie- & Hämatologiezentrums Spital Thun-Spiez-Berner Oberland.

 

Prof. Güller, wie haben sich die Therapien beim Darmkrebs mit Ablegern in den letzten Jahren verändert?

Prof. Dr. med. Güller: Erfreulicherweise wurden grosse Fortschritte in der Behandlung von Patienten mit Darmkrebs und Ablegern gemacht. Insbesondere gibt es ein besseres Verständnis der Vielfalt – der sogenannten Heterogenität - des Darmkrebses. Es ist heute bekannt, dass verschiedene Faktoren, z. B. die Lage des Darmkrebses oder vorhandene Veränderungen im Tumor (Mutationen) die Biologie und den Verlauf dieser Krankheit massiv beeinflussen. Ein Krebs auf der rechten Seite des Dickdarmes verhält sich z. B. komplett anders als einer auf der linken Seite. Zudem ist aus vielen wissenschaftlichen Studien bekannt, dass gewisse Antikörper nur bei bestimmten Untergruppen von Darmkrebspatienten mit Ablegern wirksam sind. Dank all` diesen wichtigen Erkenntnissen kann mittlerweile die «beste» Chemo- und Antikörpertherapie einem individuellen Patienten verabreicht werden. Es findet sich somit auch beim Darmkrebs eine zunehmend personalisierte Behandlung.

Es findet sich somit auch beim Darmkrebs eine zunehmend personalisierte Behandlung.

Prof. Güller

Welche Untersuchungen sind für den richtigen Therapieentscheid nötig?

Prof. Dr. med. Güller: Zunächst gilt es heilbare von nicht heilbaren Situationen zu unterscheiden (siehe Darmkrebs Stadien). In der Regel wird hierfür eine Koloskopie (Dickdarmspiegelung) wie auch eine Computertomographie von Bauch und Lunge durchgeführt. Beim Mastdarmkrebs ist zusätzlich eine Magnetresonanztomographie des Beckenraums von zentraler Bedeutung. Zudem sollte im Blut der CEA-Wert (Carcinoembryonales Antigen) bestimmt werden - ein Eiweiss, das von Krebszellen des Magen-Darm-Traktes abgesondert wird.

 

Die CEA-Bestimmung gibt also Hinweise darauf, wie sich der Krebs entwickelt?

Prof. Dr. med. Güller: Das CEA dient vor allem als wichtiger Verlaufswert. So sollte z. B. der CEA Wert, falls dieser vor der Operation erhöht war, nach dem operativen Eingriff im Normalbereich liegen. Falls der CEA Wert auf hohem Niveau bleibt, ist es wahrscheinlich, dass der Patient noch Tumorzellen im Körper hat.

 

Wie sieht die übliche Behandlung in der heilbaren Situation aus?

Prof. Güller: In der heilbaren Situation reicht beim Dickdarmkrebs meist ein chirurgischer Eingriff, das heisst die operative Entfernung des Tumors. Beim Stadium III und gelegentlich auch beim Stadium II wird zusätzlich aber noch eine Chemotherapie über 3 - 6 Monate empfohlen. Beim Mastdarmkrebs werden Chemotherapie und Radiotherapie in der Regel vor der Operation durchgeführt. Dies hat sich in den letzten zwei Jahren als neuer Standard etabliert.

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Und wie sieht es in der nicht heilbaren Situation aus?

Prof. Dr. med. Güller: Bei Patienten mit nicht heilbarem Dickdarmkrebs ist die Durchführung von Mutationsanalysen extrem wichtig, weil sie uns bei der Wahl der bestmöglichen Behandlung für einen individuellen Patienten helfen. In der Regel wird in der nicht-heilbaren Situation eine Chemotherapie plus ein Antikörper verabreicht. Relevant bei Patienten mit Dickdarmkrebs und Ablegern ist auch die Bestimmung der Mismatch-Reparatur-Eiweisse. Bei Patienten mit fehlenden Mismatch-Reparatur-Einweissen ist die Immuntherapie die klar beste Behandlungsstrategie.  

 

Die Mismatch-Reparatur- Eiweisse sind jene, welche Fehler bei der Zellteilung erkennen und reparieren?

Prof. Dr. med. Güller: Richtig. Allerdings fehlen diese Mismatch-Reparaturproteine nur bei ca. 5 Prozent aller Betroffenen mit nicht-heilbarem Darmkrebs, diese Patienten profitieren aber ganz erheblich von einer Immuntherapie.

 

Welche Rolle spielen zielgerichtete Therapien bei Darmkrebs, das heisst Therapien, die sich gegen ein ganz bestimmtes biologisches Merkmal richten, das für das Krebswachstum wichtig ist?

Prof. Güller: Beim Dickdarmkrebs spielen zielgerichtete Therapien – im Gegensatz zum Lungenkrebs mit Ablegern - derzeit noch eine untergeordnete Rolle. Allerdings finden sich auch beim Darmkrebs mit Ablegern spezielle Mutationen, bei welchen eine zielgerichtete Therapie in Frage kommt und auch sehr wirksam sein kann. Zunehmend werden molekulargenetische Tests, sogenannte Genexpressionstests, durchgeführt. Mit diesen kann bestimmt werden, ob ein Patient sich für eine zielgerichtete Therapie qualifiziert.

Ziel ist es, mit weniger einschränkenden Therapien gleich gute oder bessere Resultate zu erreichen.

Prof. Güller

Ein Blick in die Zukunft: wie wird sich die Behandlung von Darmkrebs in den kommenden Jahren in der Schweiz verändern?

Prof. Dr. med. Güller: Aktuell wird mittels zahlreicher, wissenschaftlicher Behandlungsstudien eingehend geprüft, welcher Patient von welcher Therapie  am meisten profitiert: in der heilbaren Situation müssen wir besser verstehen, welche Patienten einen relevanten Gewinn von einer  Chemotherapie haben oder eben nicht und bei welchen Patienten mit Mastdarmkrebs auf eine Radiotherapie oder gar einen chirurgischen Eingriff verzichtet werden kann.  Ziel ist es, mit weniger einschränkenden Therapien gleich gute oder bessere Resultate zu erreichen.

 

Wie kann ein grösserer Teil von Patienten mit Dickdarmkrebs und Ablegern in Zukunft von der Immuntherapie profieren?

Prof. Dr. med. Güller: Patienten mit normalen Mismatch-Reparatur-Eiweissen profitieren heute (noch) nicht von einer Immuntherapie. Allerdings wird mit Hochdruck und zahlreichen wissenschaftlichen Studien an Strategien geforscht, um eine Immuntherapie mithilfe eines zusätzlichen Medikaments auch bei den anderen Patienten wirksam zu machen. Eine solche Erkenntnis wäre ein Riesenfortschritt in der Onkologie, und dieses Wissen könnte anschliessend auch bei anderen Tumoren angewendet werden.

Darmkrebs Stadien

Stadium I – Heilung möglich

  • Ausdehnung des Tumors bis maximal in die Muskelschicht
  • Keine Lymphknoten befallen
  • Keine erkennbaren Fernmetastasen z.B. in der Leber, in der Lunge oder auf dem Bauchfell

Stadium II – Heilung möglich

  • Tumor wächst mindestens durch die Muskelschicht der Darmwand oder in benachbartes Gewebe oder Nachbarorgane
  • Keine Lymphknoten befallen
  • Keine erkennbaren Fernmetastasen z.B. in der Leber, in der Lunge oder auf dem Bauchfell

Stadium III – Heilung möglich

  • Lymphknoten befallen
  • Keine erkennbaren Fernmetastasen z.B. in der Leber, in der Lunge oder auf dem Bauchfell

Stadium IV – meist keine Heilung möglich

  • Tumor mit Fernmetastasen in anderen Organen z.B. in der Leber, in der Lunge oder auf dem Bauchfell

 

Detaillierte Angaben zu den Stadien finden sich in der Broschüre der Krebsliga.

Interessiert zu erfahren, was am ASCO Gastrointestinal Cancers Symposium 2024 präsentiert wurde?

Hier geht es zu den Zusammenfassungen:

www.oncoletter.ch

Journalist: Thomas Ferber
Datum: 14.03.2024