Cll Betroffene haben gute Lebenserwartung
Blutkrebs
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CLL – die Lebenserwartung und -qualität bleiben hoch

Michael Gregor, Experte für Blutkrebs und chronisch lymphatische Leukämie

Dr. Michael Gregor
Co-Chefarzt Hämatologie
Luzerner Kantonsspital

Die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL) ist eine der häufigsten Leukämien bei Erwachsenen. Dank modernen Behandlungsformen ist die CLL heutzutage viel besser behandelbar wie noch um die Jahrtausendwende. Betroffene erfreuen sich meist an sehr guter Lebensqualität dank massgeschneiderten Therapielösungen.

Im  Gespräch  mit  Dr.  Gregor

 

Was ist die Chronische Lymphatische Leukämie (CLL)?

Dr. med. Michael Gregor: Es handelt sich um die häufigste Leukämieform bei Erwachsenen in westlichen Ländern. Sie gehört zu den malignen Lymphomen und ist damit eine Form von Lymphknotenkrebs. Bei der CLL sind immer auch Lymphzellen im Blut nachweisbar, darum der Name Leukämie. Das mittlere Erkrankungsalter liegt bei Diagnosestellung etwa bei 70 Jahren. Männer sind häufiger als Frauen betroffen. Rund zehn Prozent der Erkrankten sind jünger als 55 Jahre. In der Schweiz erkranken jährlich rund 400 Personen neu an einer CLL. Aufgrund der recht guten Prognose leben mehrere tausend Betroffene mit einer CLL in der Schweiz.

 

Wie entsteht die CLL und warum?

Dr. Gregor: Bei der Entwicklung der B-Lymphozyten, einer Untergruppe der lymphatischen Abwehrzellen, treten regelmässig Fehler bei der Zellteilung und -reifung auf. Im Normalfall sterben diese defekten Zellen ab. Dies passiert bei der Entstehung von Vorstufen einer CLL nicht und die fehlerhaften Zellen vermehren sich unkontrolliert und mit eingeschränkter Funktion. Dies führt schliesslich zur Tumorerkrankung bzw. der CLL. Zum Warum gibt es verschiedene mögliche Erklärungen, doch es können keine konkreten Ursachen oder Risikofaktoren definiert werden.

«In den letzten Jahren hat sich die Lebenserwartung merklich verbessert.»

Dr. Michael Gregor

Welche Symptome zeigen sich bei der CLL?

Dr. Gregor: Zu Beginn haben viele Betroffenen keine oder kaum Symptome im Zusammenhang mit der CLL. Bei rund dreiviertel aller Personen wird die Erkrankung eher zufällig entdeckt. Dies geschieht in der Regel bei einer Blutuntersuchung, die im Rahmen einer anderen Abklärung durchgeführt wird. Es wird dabei eine Erhöhung von weissen Blutzellen, genauer der Lymphozyten im Blut festgestellt. Es kann sein, dass Beschwerden im weiteren Verlauf auftreten, wenn die Anzahl der Zellen im Knochenmark oder den Lymphknoten zunimmt. So können die Lymphknoten oder die Milz schmerzlos vergrössert sein oder es kann sich eine Blutarmut entwickeln. Dies kann die Leistungsfähigkeit vermindern. Ein Zeichen der Blutarmut kann Atemnot sein. Manchmal haben die Betroffenen eine Neigung zu häufigen oder längerdauernden Infektionen, da die Abwehrzellen, wie eingangs erwähnt, teils fehlerhaft funktionieren und darum die Infektionen nicht mehr richtig bekämpfen können. Selten kommt es zu den sogenannten B-Symptomen, wie sie von anderen Lymphomen bekannt sind: Fieber, Nachtschweiss und Gewichtsverlust.

 

Wie wird eine CLL diagnostiziert?

Dr. Gregor: Die Diagnose erfolgt mit einer Blutuntersuchung: Typisch sind die stark erhöhte Anzahl der Lymphozyten im Blut. In typischen Fällen ist ein Anteil der entarteten, sonst unauffällig aussehenden Lymphozyten unter dem Mikroskop als «kaputte» Zellen erkennbar. Die Lymphozyten können mit Antikörpern markiert werden, was die Bestimmung von bestimmten Merkmalen auf der Zelloberfläche erlaubt. Bei der CLL liegt ein typisches Merkmalsmuster vor, das in über 95 Prozent der Fälle eine korrekte Diagnose mit der Blutuntersuchung erlaubt. Selten sind zusätzlich Knochenmark- oder Lymphknotenuntersuchungen für die Diagnose erforderlich. Genetische Untersuchungen der CLL-Zellen sind hilfreich zur Bestimmung der Prognose und bei Therapiebedarf mitbestimmend für die Wahl der passenden Therapie.

Das Leben mit chronisch lymphatischer Leukämie

Wie ist die Lebenserwartung und die Lebensqualität von CLL Patienten?

Dr. Gregor: In den letzten Jahren hat sich die Lebenserwartung im Vergleich zu früher aufgrund der grossen Therapiefortschritte bei der Erstdiagnose wie beim Rückfall merklich verbessert. Sie ist nur wenig gegenüber gleichaltrigen Nichterkrankten vermindert. Diese neuen Behandlungen sind meistens gut verträglich. Dies ist ein Grund für die bedeutend bessere Lebenserwartung und die gute Lebensqualität trotz Therapie.

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es bei der CLL? Dr. Gregor: Eine Therapie erfolgt nicht automatisch bei Diagnosestellung. Dies wird abhängig von den Beschwerden entschieden, die sich im Verlauf teils erst nach Jahren entwickeln können. Ein Therapiebedarf besteht z.B., wenn die Lymphknoten deutlich vergrössert, das Knochenmark infiltriert ist und dadurch die Blutwerte vermindert sind. Die genetischen Untersuchungen weisen dann den Weg zur passenden Behandlung. Heute erhalten Patient*innen in den allermeisten Fällen keine Chemotherapie und auch keine Chemoimmuntherapie.

«Bessere Lebenserwartung und gute Lebensqualität trotz Therapie.»

Dr. Michael Gregor

Neuere Behandlungen mit Tabletten, die ein- bis zweimal täglich eingenommen werden, hemmen ganz gezielt einen wichtigen Stoffwechselprozess in den CLL-Zellen. Diese Behandlung kann langfristig und über viele Jahre erfolgreich den Krankheitsverlauf kontrollieren. Ein weiteres gezielt wirkendes Medikament unterstützt, in Kombination mit Antikörpern, erfolgreich das Absterben der kranken Lymphozyten. Dieses Medikament muss nur über einen begrenzten Zeitraum von weniger als einem Jahr eingenommen werden. Je nach Patient*in und Krankheitstyp, d.h. Vorliegen bestimmter genetischer Veränderungen, werden diese verschiedenen Behandlungen bevorzugt.

 

Wie wird sich die Therapie der CLL wandeln?

Dr. Gregor: Derzeit werden in Studien Kombinationen von den oben erwähnten zielgerichteten Medikamenten untersucht, um zu prüfen, ob der Behandlungserfolg nochmals verbessert werden kann.

Journalist: Thomas Ferber
Datum: 05.02.2024