«Meine Chance, zu überleben, betrug fünf Prozent»
Als die St. Galler-Oberländerin Renate Marthy ihre Krebsdiagnose erhielt, betrug ihre Chance, zu überleben, nur noch wenige Prozent. Die gelernte Pflegefachfrau mobilisierte allen Lebensmut, aktivierte ihre Selbstheilungskräfte und packte die kleine Chance. In ihren eigenen Worten schildert sie ihren Weg zur Gesundheit.
Im April 2016 entdeckte meine Frauenärztin einen riesigen Tumor in meinem Bauch. Die Diagnose: Seröses Adenokarzinom des Eileiters. Mein Körper war voller Krebsgeschwüre. Das Vorbereitungsgespräch bei der operierenden Ärztin erlebte ich als aufschlussreich, ehrlich und positiv. Ich konnte die Hälfte meiner Angst gleich loslassen und die Operation zuversichtlich angehen. In einer siebenstündigen OP entfernte das Ärzteteam viel Tumorgewebe aus meinem Bauch, einschliesslich Lymphknoten, Bauchfell, Teilen des Dünndarms und der Blase. Auch Milz, Eileiter, Eierstöcke sowie die Gebärmutter wurden entnommen. Zwei Metastasen in der Leber konnte man wegen ihrer schwierigen Lage nicht erreichen. Dies wurden später durch Kryoablation vereist. Das ganze Ärzteteam leistete hervorragende Arbeit.
Positive Energie und Spiritualität
In der schwierigen Zeit der Rehabilitation fand ich die Kraft, vorwärtszuschauen und positiv zu bleiben. Intuitiv schickte ich mir Licht in meinen Bauch und stellte mir vor, wie es mich heilt. Die Lebermetastasen visualisierte ich ebenso. Wenn ich nicht mehr weiterwusste, bat ich meine Schutzengel um Hilfe. Auch wenn ich mich bereits länger mit Spiritualität beschäftigt hatte, lernte ich in dieser Situation bewusst, diese Kräfte zu erkennen, zu nutzen und an sie zu glauben. Mit dem Katheter in der Handtasche verliess ich nach zwei Wochen das Spital. Zuhause empfing ich Besuche und schätzte es sehr, von verschiedensten Menschen getragen zu werden. Mein nächstes Umfeld, meine Kinder, meine Freundinnen und Kollegen und natürlich mein Mann, sie trugen fest dazu bei, gesund zu werden.
Angst und Selbstheilungskräfte
Trotz einer potentiellen Verschlimmerung meiner Krankheit wollte ich im Hier und Jetzt leben und positive Momente erleben. Doch die Angst stand mir im Weg. Um meine Ängste zu überwinden, wandte ich Emotional Freedom Techniques (EFT) an, eine psychologische Form der Akupunktur. Zusätzlich empfahl mir eine Therapeutin der Krebsliga, mich meinen Ängsten zu stellen, da Angst in Wellen kommt und wenn wir die kleinen Wellen akzeptieren, uns die Grossen nicht überschwemmen. Das Thema Tod löste ebenfalls Ängste in mir aus, obwohl ich als Krankenschwester regelmässig damit konfrontiert war. Geht es um das eigene Sterben, kommt eine neue Komponente hinzu. Meditation half mir, einen Teil dieser Angst zu überwinden und meine Selbstheilungskräfte zu aktivieren. Um mir zu einer ganzheitlichen Gesundheit zu verhelfen, liess ich mich auch auf mir unbekannte Therapien wie Atemsitzungen, Theta-Healing und Jin Shin Jyutsu ein. Jeder Mensch hat Ressourcen zur Krisenbewältigung in sich. Ich bin überzeugt, der Glaube und das Vertrauen in die eigenen Kompetenzen gehören zu den stärksten Ressourcen überhaupt.
Renate und ihr Mann
Chemotherapie und Rückkehr zur Arbeit
Die Chemotherapie schlug gut an bei mir. Da ich von einem hervorragenden Team betreut wurde, empfand ich sie gar nicht so schlimm. Die Nebenwirkungen hielten sich in Grenzen. Vor dem Termin stellte ich mich jeweils mental darauf ein. Während dieser Zeit verbrachte ich viel Zeit im Garten, auf Spaziergängen. Ich genoss die Sonne, las viel, traf Freunde und Freundinnen und ruhte mich zwischendurch immer wieder aus. Die Anzahl Tumormarker hat sich seit dem Ende der Chemotherapie bei acht eingependelt. Das heisst, mein Körper schafft es seitdem, die Krebszellen selbstständig abzuwehren.
Aufgrund meiner schwankenden Leistungsfähigkeit wartete ich bis zum Abschluss der Chemotherapie, bis ich einen Arbeitsversuch startete. Das erwies sich allerdings schwieriger als gedacht. Nach ein paar Stunden waren meine Batterien leer und ich litt unter Konzentrationsstörungen. Schweren Herzens musste ich meine Arbeit aufgeben. Das «Fatigue-Syndrom» erlebte ich wie ein zweites Leiden, das durch das erste ausgelöst wurde. Viele Krebspatient*innen leiden darunter. Es zeigt sich als andauernde körperliche sowie geistige Erschöpfung. Die erste Zeit ohne Arbeit war extrem schwierig. Mir fehlte der strukturierte Tagesablauf, eine Beschäftigung sowie die sozialen Kontakte. Mittlerweile habe ich meinen Frieden mit dieser Situation gefunden. Ich weiss, ich bin wertvoll – auch wenn ich nicht arbeite.
Mein Weg ist noch nicht abgeschlossen
Ich wechselte meine Stelle nach 25 Jahren, hinterfragte meine Beziehungen, liess alte Muster los. Ich wollte herausfinden, wer ich überhaupt bin und was mir wichtig ist. Das war eine grosse emotionale Fahrt. Die Krankheit zwang mich, wieder einen Weg zu finden. Ich lernte viel Neues über den Umgang mit der Erkrankung und mit mir selbst. Warum ich zu den fünf Prozent der Genesenen gehöre? Sagen wir: «Glück gehabt.» Das Aktivieren meiner Selbstheilungskräfte war aber bestimmt ein wichtiger Meilenstein. Andere zentrale Punkte waren die medizinische Versorgung, meine super Ärzte- und Pflege-Teams und all die Menschen und Engel in meiner Umgebung. Mein Weg ist noch lange nicht abgeschlossen. Ich lebe, um noch vieles zu lernen und freue mich auf die Zukunft. Mein Wissen und meine Erfahrungen möchte ich mit anderen teilen, um sie zu ermutigen. Auch in scheinbar aussichtslosen Situationen sollten Betroffene ihrer Intuition folgen, ihre Krankheit akzeptieren, sich ihren Lebensthemen stellen und das Dasein geniessen.
Renates ganze Geschichte findest du unter: www.renate-marthy.ch
Datum: 09.04.2024