Chronische krebsbedingte Fatigue behandeln
Für alle
Nebenwirkungen

Fatigue – wenn die Erschöpfung nicht weggeht

Der Experte für Fatigue bei Krebs und nach Krebsbehandlungen

PD Dr. med. Holger Hass
Chefarzt Onkologie
Klinik Gais

Nach abgeschlossener Krebstherapie leiden viele Betroffene an körperlichen Folgen. Fatigue, eine chronische, tiefgehende Müdigkeit, ist eine davon. Wir haben bei Privat-Dozent Dr. Holger Hass, Experte für onkologische Rehabilitation, nachgefragt, wie Fatigue sich äussert und was man dagegen tun kann.

Fatigue  erklärt

Fatigue (aus dem lat. Fatigatio = Ermüdung) ist ein körperlicher, geistiger und seelischer Erschöpfungszustand, der infolge einer Krebserkrankung, einer Krebsbehandlung oder im Zusammenhang mit einer anderen chronischen Erkrankung auftreten kann. Ein nicht unwesentlicher Teil der Krebspatient*innen leidet daran. Fatigue kann bei jedem Menschen mit einer aktiven Krebserkrankung auftreten. Vorerkrankungen, wie emotionale/psychische Belastungen, Neuropathie, oder chronifizierte Schmerzsyndrome können sich erschwerend auswirken. Bei der Krebstherapie bedingten Fatigue («Cancer-treatment related Fatigue»: CtrF) handelt es sich um die Folgen beispielsweise einer Chemotherapie, Immuntherapie, Bestrahlung oder Operation. Im Gegensatz zur normalen Müdigkeit ist Fatigue anhaltend. Typisch sind die fehlenden Energiereserven: «Auch wenn man ausreichend schläft, ist man trotzdem den ganzen Tag lang müde und erschöpft. Dies hat massive Auswirkungen auf die Lebensqualität sowie auf die berufliche Wiedereingliederung», erklärt Dr. Hass.

«In der rehabilitativen Nachsorge lernen Betroffene, mit ihrer verfügbaren Energie besser umzugehen. Wir bezeichnen dies als Energiemanagement.»

Dr. Holger Hass

Mit umfassender Nachsorge wieder fit fürs Leben

Fatigue geht oft nicht einfach von allein weg. Es besteht die Gefahr, dass das Leiden und die Funktionseinschränkung nicht genügend erkannt werden und dadurch chronifizieren können. Deshalb ist es umso wichtiger, rechtzeitig Massnahmen zu ergreifen. Da Patient*innen nach einer Krebstherapie oft an einer Vielzahl an unterschiedlichen Beschwerden leiden, sollten die Behandlungsmassnahmen ein multidimensionales und koordiniertes Therapieprogramm umfassen. Dr. Hass nennt fünf Säulen der Fatigue-Behandlung: «Das sind zum einen Sport zur Steigerung der Kraft und Kondition, Entspannungstechniken, um mit den Belastungen besser umgehen zu können sowie eine ausgewogene, eiweissreiche Ernährung. Zusätzlich bedeutsam sind die Information über die Fatigue sowie ein sogenanntes Energie-Management, um Überlastungen zu vermeiden und den Alltag wieder besser zu meistern». Sport hat vielerlei positive Effekte auf Körper und Psyche, solange man sich nicht übernimmt. Eine gezielte Bewegungs- bzw. Sporttherapie ist daher gemäss dem Experten ratsam. Fatigue-Betroffene sind oft einer grossen körperlichen und psychischen Belastung ausgesetzt. «Entspannung bringen hier Hobbies, soziale Kontakte, die man pflegt, sowie Techniken zur Stressbewältigung wie Atemübungen, Progressive Muskelrelaxation oder Yoga», so Hass. 

In einer stationären Reha chronische Fatigue nach Krebs behandeln

Lernen mit Fatigue umzugehen

Zentral ist auch die Hilfe zur Selbsthilfe, um «Energiefresser», wie Ärger, überhöhte Erwartungen oder Frustrationen zu erkennen und abzubauen: «In der rehabilitativen Nachsorge lernen Betroffene, mit ihrer verfügbaren Energie besser umzugehen. Wir bezeichnen dies als Energiemanagement. Das Patienten-Coaching ist neben der Behandlung von körperlichen sowie psychischen Begleitfaktoren ein wichtiger Bestandteil der Nachsorge», betont Hass und ergänzt: «Nicht jede Person muss in die Reha. Bei vielschichtigen Beschwerden kann sie jedoch angebracht sein, weil man ambulant gar nicht so vielfältig behandeln kann. Die rehabilitative Nachsorge ist ebenso wichtig wie die onkologische Nachsorge. Während die regelmässigen onkologische Kontrollen dazu dienen, einen eventuellen Rückfall möglichst früh zu erkennen, macht die rehabilitative Nachsorge die Patient*innen wieder fit fürs Leben».

Catherina Bernaschina
Datum: 27.04.2023