Brustkrebs
Wissen

Was ist ein Gen­expres­sions­test?

Profilbild von Dr. Andreas Müller, Leiter Brustzentrum, Kantonsspital Winterthur

Dr. med. Andreas Müller
Präsident Projektgruppe Brustkrebs SAKK
Leiter Brustzentrum, Kantonsspital Winterthur

Ein Genexpressionstest kann Brustkrebspatientinnen vor einer unnötigen Chemotherapie bewahren.

Nach der Operation von Brustkrebs wird zur Verminderung der Rückfallgefahr in der Regel eine medikamentöse Therapie eingesetzt. Bei der häufigsten Form, dem Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs, wird neben einer Antihormontherapie häufig auch eine Chemotherapie angewendet. Nicht alle Patientinnen haben aber einen Nutzen von einer Chemotherapie. Heute gibt es Tests, die helfen, jene Patientinnen zu bestimmen, bei denen keine Chemotherapie durchgeführt werden muss.

 

Im Gespräch mit Dr. Müller

Dr. Müller, was ist ein Genexpressionstest?

Beim Genexpressionstest handelt es sich um eine Untersuchung am operativ entfernten Tumorgewebe. Dabei wird untersucht, ob bestimmte Gene, die für die Zellteilung und Metastasierung verantwortlich sind, aktiv sind.

 

Welchen Mehrwert schafft ein Genexpressionstest für Patientinnen?

Die üblichen Messwerte am Tumorgewebe (wie Grösse, Lymphknotenbefall, Menge der Hormonrezeptoren, Aggressivität der Tumorzellen, Geschwindigkeit der Zellteilung), die zur Abschätzung der Rückfallgefahr angewendet werden, sind nicht alle einfach und ganz präzise bestimmbar, so dass die Prognose eine gewisse Unschärfe aufweist. Der Genexpressionstest kann wertvolle Zusatzinformationen liefern, wenn anhand der üblichen Prognosefaktoren nicht sicher entschieden werden kann, ob eine Chemotherapie nützlich sein kann oder nicht.

«Der Test kann wertvolle Zusatzinformationen liefern.»

Dr. Andreas Müller

Eine Chemotherapie ist sehr einschneidend. Der Test könnte bestimmte Patientinnen auch davor bewahren?

Diese Tests können Patientinnen identifizieren, deren Prognose so gut ist, dass sie durch eine Chemotherapie nicht relevant verbessert werden kann. Der Oncotype DX® Test ist auch in der Lage eine mittlere Risikogruppe zu bezeichnen, für die eine Chemotherapie keinen Nutzen bringt sowie Patientinnen zu identifizieren, welche möglicherweise einen Nutzen von der Chemotherapie haben.

 

Gibt es Studien über die Genauigkeit der Genexpressionstests?
Ja, es gibt zwei grosse, prospektive Studien: MINDACT (6693 Patientinnen) für den MammaPrint® Test, und TAILORx (10253 Patientinnen) für den Oncotype DX® Test. Für den dritten in der Schweiz gebräuchlichen Test (EndoPredict®) gibt es nur retrospektive Studien.

Welchen dieser Tests verwenden Sie bei Ihren Patientinnen?
Ich bevorzuge den Oncotype DX® Test, weil dieser Test am besten mit Studien belegt ist und nicht nur Patientinnen mit so günstiger Prognose identifiziert, die nicht mit einer Chemotherapie verbessert werden kann, sondern auch eine Gruppe mit mittlerem Risiko, die ebenfalls nicht von einer Chemotherapie profitiert.

 

Werden die Kosten von der Krankenkasse übernommen?

Ja, in der Krankenpflege-Leistungsverordnung des BAG sind Genexpressionstests als Pflichtleistung aufgeführt, bei Hormonrezeptor-positivem, HER2-negativem Brustkrebs mit maximal 3 befallenen Lymphknoten, wenn die üblichen Befunde keine eindeutige Entscheidung bezüglich einer Chemotherapie erlauben.

Autor: Thomas Ferber
Datum: 27.09.2022