Behandlungsfortschritte bei gynäkologischen Krebsarten
Gyn. Krebs
Therapien

Behand­lungs­fort­schritte bei gynäko­logischen Krebs­arten

Behandlungsfortschritte bei gynäkologischen Krebsarten Experte Dr. Gardanis

Dr. med. Konstantinos Gardanis
Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe
CO-Chairman und Koordinator des zertifizierten Gynäkologischen Krebszentrums der Klinik Hirslanden Zürich

Spezialisierte Tumorzentren bedienen sich heute moderner Verfahren zur Erkennung, Behandlung und Nachsorge von gynäkologischen Krebsformen. Die hochprofessionelle Krankenpflege ist dabei eine wichtige und starke Stütze zur erfolgreichen Krebsbehandlung und hilft mit, die Überlebensprognose zu verbessern.

Dr. med. Konstantinos Gardanis, wie haben sich die Therapien von gynäkologischen Krebsarten in den letzten Jahren entwickelt? Welche wichtigen Neuerungen haben Sie beobachtet?

Dr. Gardanis: Sehr grosse Entwicklungen und deutliche Verbesserungen gibt es heute bei der Früherkennung, Diagnostik und den Behandlungsmethoden von gynäkologischen Krebserkrankungen. Durch eine frühzeitige Behandlung können wir die Lebensqualität und Überlebenschancen für Patientinnen entscheidend verbessern. Eine wesentliche Veränderung ist sicherlich die Verlagerung der Behandlung. Sie sollte heute zwingend in spezialisierten Tumorzentren erfolgen. Dies garantiert für jede Patientin eine hochqualifizierte Medizin mit einer individualisierten und gezielten Behandlung gemäss anerkannten Richtlinien. Dazu gehört, dass die individuellen Therapieoptionen für jede Krebspatientin in einem fachübergreifenden (interdisziplinären) Tumorboard besprochen werden, bevor die massgeschneiderte Behandlung beginnt.

 

Die Chemotherapie ist schon lange nicht mehr das einzige Mittel gegen den Krebs.

Gardanis: Ganz genau. Es gab wichtige Fortschritte in der Molekularbiologie. Sie erforscht Krebszellen, beziehungsweise wie die Stoffwechselprozesse der Zelle genetisch gesteuert werden und welche Strukturen der Zelle in welcher Form und an welchen Prozessen beteiligt sind. Das erworbene Wissen führt zur Entwicklung von neuen Medikamenten, die solche Steuerungen gezielt und personalisiert behindern und damit das Krebswachstum unterbinden. Somit verfügen wir heute über viele neue und wirksamere Medikamente.

 

Und die Immuntherapie, wird sie bei den gynäkologischen Tumoren auch eingesetzt?

Gardanis: Auch die Immuntherapie verzeichnet extrem viele und vielversprechende Fortschritte. Im Prinzip führt eine solche Behandlung zu einer Stärkung des Immunsystem. Dieses vermag dank der Immuntherapie den Krebs besser zu bekämpfen.

 

Und in der Chirurgie?

Gardanis: Auch in der Chirurgie wurden mit der Verbesserung der chirurgischen Techniken erfolgversprechendere Behandlungsfortschritte möglich. Es geht um minimalinvasive sowie robotergesteuerte Eingriffe. Diese führen dank besseren Geräten und feinerem chirurgischem Besteck zu einer viel schonenderen und gezielteren Entfernung von Tumorgewebe, ohne gesundes Gewebe zu schädigen. Insgesamt sinkt damit das Operationsrisiko und die Patientinnen erholen sich schneller vom Eingriff.

 

Fokussieren wir einen Moment auf die häufigste gynäkologische Krebserkrankung, den Gebärmutterkrebs. Wie wird Krebs der Gebärmutterschleimhaut heute therapiert?

Gardanis: Wie bei allen Krebsformen wird auch beim Gebärmutterkrebs (Endometriumkarzinom) ein individueller und massgeschneiderter Behandlungsplan mit der Patientin festgelegt. Am häufigsten, und fast immer minimalinvasiv, wird die Gebärmutter chirurgisch entfernt (Hysterektomie), sofern es der Allgemeinzustand der Patientin erlaubt. Mitunter müssen auch umliegende befallene Lymphknoten mitentfernt werden. Meistens erfolgt im Anschluss an die Operation noch eine Strahlentherapie. In fortgeschritteneren Stadien findet eine Chemotherapie statt und es werden auch die bereits erwähnten modernen Therapeutika eingesetzt.

 

Wie steht es mit der Langzeitprognose?

Gardanis: Die Überlebensprognose wurde aufgrund der Fortschritte bei der Medikamentenentwicklung und dank der verbesserten Methoden der Vorsorgeuntersuchung (z.B. Ultraschall) und der damit zusammenhängenden meist viel früheren Entdeckung des Karzinoms stark verbessert. Hier spielt die Genetik eine wichtige Rolle. Bestimmte Tumore können in einer Familie gehäuft auftreten. Sind genetische Risikofaktoren bekannt, können mögliche weitere betroffene Familienangehörige beraten werden, die bei Bedarf an einem Früherkennungsprogramm teilnehmen können (Lesen Sie dazu auch den Beitrag «Mit einer genetischen Abklärung dem Krebs zuvorkommen»).

Die Überlebensrate beim Eierstockkrebs wurde in den letzten Jahren stark verbessert, nicht um Monate, sondern um Jahre!

Dr. med. Konstantinos Gardanis

Wie verhält es sich beim Eierstockkrebs (Ovarialkarzinom), welche Therapien kommen heute zum Einsatz?

Gardanis: Auch hier spielen die genetischen Verhältnisse des Tumors, die Familiengeschichte sowie die Ausbreitungsstadien eine wichtige Rolle bei der Festsetzung der Behandlung. Am Anfang steht die möglichst vollständige Entfernung des Tumorgewebes. Dies erfolgt fast immer über eine offene Bauchoperation, da sie einen sehr guten Überblick über das Bauchgewebe und somit die Entdeckung von Tumornestern erlaubt. Nach der Operation schliesst immer eine Chemotherapie an. Auch hier werden viele neue und wirksamere Therapeutika benutzt, oft in Kombination mit anderen Wirkstoffen. In bestimmten Fällen werden diese Mittel zur Verkleinerung des Tumors bereits vor der Operation eingesetzt. Mittlerweile gibt es beim Eierstockkrebs teilweise hervorragende Ansprechraten, leider nicht bei allen Betroffenen. Trotzdem wurde die Überlebensrate in den letzten Jahren stark verbessert, nicht um Monate, sondern um Jahre!

 

Wie steht es bei all diesen Behandlungen um die Lebensqualität der Patientinnen?

Gardanis: Alle besprochenen Behandlungsformen sind bezüglich Lebensqualität vorübergehend einschränkend. Die modernen gezielten Behandlungen sind allerdings meistens bedeutend weniger nebenwirkungsintensiv. Und die unterstützende Pflege mit auf die Krebs behandlung spezialisiertem Pflegepersonal wurde in den letzten Jahren ebenfalls laufend verbessert und professionalisiert. Sie hilft – auch mit dem Einsatz von Apps – Behandlungsnebenwirkungen schneller zu erkennen, gezielt und besser zu behandeln und unterstützt damit den Behandlungsplan. Hierzu gehören auch die psychoonkologische Betreuung sowie die Unterstützung einer gesunden Ernährung und der körperlichen Aktivitäten. Dies alles ermöglicht trotz den Therapie-bedingten Einschränkungen eine viel bessere Lebensqualität und schliesslich auch Prognose.

 

Ein Blick in die Zukunft – welche Neuerungen erwarten Sie in den nächsten Jahren?

Gardanis: Sicherlich werden noch bessere bildgebende Verfahren und die künstliche Intelligenz zur Diagnose, Überwachung und Behandlung eine sehr wichtige Rolle spielen. Bedeutsam ist auch die weitere Entwicklung zur Entdeckung von zirkulierenden Tumorzellen oder darauf hinweisende DNA (Erbsubstanz) im Blut. Dies ermöglicht, eine Krebserkrankung oder einen Rückfall sehr frühzeitig zu erkennen und die Behandlung zu optimieren. Schliesslich wird die Erforschung der verschiedenen Krebsarten und ihrer Eigenschaften noch weiter verfeinert werden. Das wiederum hilft, einen Krebs an seiner empfindlichsten Stelle zu treffen und zu eliminieren, wozu vielleicht künftig auch eine Impfung gegen bestimmte Krebsformen verfügbar sein wird.

Journalist: Thomas Ferber
Datum: 03.04.2024