Lungenkrebs
Therapien

Mit dem Immun­system Lungen­krebs bekämpfen

Profilbild von Prof. Gautschi, Co-Chefarzt am Luzerner Kantonsspital

Prof. Dr. med. Oliver Gautschi
Co-Chefarzt Medizinische Onkologie
Luzerner Kantonsspital

Die Immuntherapie hat sich bei der Behandlung von Lungenkrebs bewährt. Prof. Dr. med. Oliver Gautschi erklärt, wie die verschiedenen Behandlungsformen der Immuntherapie funktionieren und welche Vorteile sie besitzen.  

Prof. Gautschi im Gespräch

In letzter Zeit hört man oft von der Immuntherapie. Um was für eine Therapieform handelt es sich dabei und was unterscheidet sie von der Chemotherapie?

Meinen Patienten erkläre ich es so: Das Immunsystem ist die "Polizei" und der Tumor der "Einbrecher". Die Therapie die wir anwenden hilft der Polizei, den Einbrecher zu finden und ihn dingfest zu machen. Im Gegensatz zur Chemotherapie leistet bei der Immuntherapie der Patient respektive sein Immunsystem die Hauptarbeit. Die Chemotherapie hingegen dringt in die Tumorzellen ein, zerstört diese, kann aber leider auch gesunde Zellen in Mitleidenschaft bringen.

 

Welche Arten von Immuntherapie gibt es?

Einerseits gibt es Impfungen, zum Beispiel gegen Papillom- oder Hepatitisviren. Sie dienen der Verhinderung von Gebärmutterhals- und Leberkrebs. Andererseits gibt es Medikamente, wie die "Checkpoint-Inhibitoren", die bei fortgeschrittenen Krebserkrankungen eingesetzt werden. Und dann gibt es noch die zelluläre Immuntherapie. Das sind sogenannte "CAR-T-Zellen", die wirksam bei Leukämien und Lymphdrüsenkrebs sind. Ihre Produktion ist aufwändig: Den Patienten werden eigene Immunzellen entnommen, im Labor verändert und dann als Infusion wieder zurückgegeben. Daneben gibt es weitere Formen, wie zum Beispiel die Mistel-Therapie aus der Komplementärmedizin.

«Das Immunsystem ist die ‹Polizei› und der Tumor der ‹Einbrecher›»

Prof. Oliver Gautschi

Welche Art von Immuntherapie wird beim Lungenkrebs angewendet und warum?

Bei Patienten mit fortgeschrittenem Lungenkrebs verwenden wir verschiedene Checkpoint-Inhibitoren. Diese stimulieren das Immunsystem des Patienten. Studien haben gezeigt, dass Checkpoint-Inhibitoren bei Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium eine gute Wirkung haben und gut verträglich sind. Sie können für eine gewisse Zeit das Wachstum der Tumore bremsen, die Entstehung neuer Metastasen reduzieren und so die Überlebenszeit und die Lebensqualität verbessern.

 

Wann ist eine Immuntherapie sinnvoll?

Die meisten Schweizer Patienten mit Lungenkrebs im Stadium 4, also mit Metastasen, erhalten heute eine Immuntherapie. Je nach Typ des Lungentumors kommt entweder nur die Immuntherapie zur Anwendung oder dann eine Kombination von Immuntherapie und Chemotherapie. Auch im Stadium 3 wird heute eine Immuntherapie nach einer Radiochemotherapie eingesetzt, sofern keine Operation möglich ist. Ob eine Immuntherapie auch im Stadium 1 bis 3 nach einer Operation sinnvoll ist, wird in laufenden Studien untersucht.  

 

Wie wird die Immuntherapie verabreicht?

Die Checkpoint-Inhibitoren verabreichen wir in unserem Ambulatorium als dreissigminütige Kurzinfusion alle zwei bis drei Wochen. Der Aufwand für die Patientin hält sich damit in Grenzen.

 

Wie lange dauert eine Immuntherapie?

Die Infusion des Checkpoint-Inhibitors wird bei den meisten Patienten so oft wiederholt, wie der Tumor anspricht und der Patient die Therapie gut toleriert und weiterführen möchte.

 

Welche Nebenwirkungen können bei Immuntherapien auftreten?

Die Immuntherapie ist grundsätzlich besser verträglich als die Chemotherapie. Sie führt kaum zu Haarausfall, Erbrechen, Infektionen, Blutungen, Gefühlsstörungen oder anderen Problemen, die bei der Chemotherapie regelmässig auftreten. Die Immuntherapie kann jedoch eine gewisse Müdigkeit sowie Muskel- und Gelenkschmerzen oder Hauttrockenheit auslösen. Seltener treten Entzündungen von inneren Organen wie Leber, Lunge oder Schilddrüse auf. In solchen Fällen muss das Immunsystem mit Kortison "beruhigt" und manchmal auch die Immuntherapie ausgesetzt werden.  

 

Wann wird die Immuntherapie in Kombination mit anderen Therapien angewendet?

Oft verwendet man "Checkpoint-Inhibitoren" alleine. Bei gewissen Tumorerkrankungen kombiniert man sie aber mit einer Chemotherapie oder einem anderen Medikament, wenn sich dadurch eine bessere Wirkung erzielen lässt. Meist haben Kombinationstherapien mehr Nebenwirkungen. Dies gilt es auch abzuschätzen, wenn man Patienten berät. Ein weiterer Faktor bei der Entscheidungsfindung ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis, auf das uns die Patienten immer öfter ansprechen. Wir empfehlen aber keine Therapien, deren Kosten durch die Patienten selbst übernommen werden müssen. Wir halten uns an evidenzbasierte Therapieempfehlungen und Zulassungen.

 

«Die Immuntherapie ist grundsätzlich besser verträglich als die Chemotherapie.»

Prof. Oliver Gautschi

Welche Resultate können von einer Immuntherapie bei Lungenkrebs erwartet werden?

Oft sehen wir bereits nach drei Monaten ein Ansprechen des Tumors und der Metastasen im Computertomogramm. Dies hält dann meist über viele Monate oder sogar Jahre an. Während dieser Zeit führen viele Patienten ein selbständiges Leben und gehen sogar ihrer beruflichen Arbeit nach. Das war vor der Einführung der Immuntherapie beim Lungenkrebs im Jahr 2015 noch nicht so. Damals stand den meisten Patienten lediglich eine Chemotherapie zur Wahl, die mit viel mehr Nebenwirkungen und einer schlechteren Prognose verbunden war. Die Immuntherapie ist also ein echter Fortschritt. Wir wissen dies aus klinischen Studien im Ausland. Eine Doktorandin an unserem Spital untersucht, wie und ob sich die Prognose unserer Patienten mit Lungenkrebs über die Jahre auch in der Zentralschweiz verbessert hat. Solche Qualitätskontrollen sind wichtig, da es sich um relativ teure Therapien handelt.  

 

Über den Lungenkrebs wird gesagt, dass er das vielversprechendste Forschungsgebiet der Immuntherapie ist. Warum ist das so?

Neben dem schwarzen Hautkrebs (Melanom) ist der Lungenkrebs wohl die Tumorkrankheit mit dem insgesamt besten Ansprechen auf "Checkpoint-Inhibitoren". Warum dies so ist, weiss man noch nicht. Dies besser zu verstehen, ist das Ziel der Forschung in Labor und Klinik. Weitere Fortschritte in der Krebstherapie sind dringend nötig, weshalb sich unser Spital aktiv an klinischen Studien engagiert.

Autorin: Catherina Bernaschina
Datum: 27.09.2022