
Knochenmetastasen: Vorbeugung verhindert Komplikationen

Knochenmetastasen müssen abgeklärt werden, auch wenn Patient*innen noch keine Symptome verspüren. Denn viele Therapien können bereits vorbeugend eingesetzt werden und verhindern so spätere Komplikationen.
Knochenmetastasen sind häufig. Was bedeutet das für Betroffene?
Prof. Roger von Moos: Metastasen in den Knochen treten beim Brust- Prostata- und Lungenkrebs häufig auf. Für Erkrankte sind sie zwar nicht unmittelbar lebensbedrohlich, aber oft mit Schmerzen verbunden, da die Metastasen den Knochen von innen zerstören. Diese sind nicht immer mit konventionellen Schmerzmitteln gut beherrschbar. Ein Grund liegt in der Belastung der Knochen bei körperlicher Aktivität. Sie behindert den Erfolg der konventionellen Schmerzbehandlung.
Zusätzlich kann es zu Komplikationen wie Knochenbrüchen kommen. Betrifft dies einen Wirbelkörper, dann drohen Lähmungserscheinungen bis hin zu Querschnittslähmungen. Dies ist für Betroffene, die oft noch mehrere Jahre leben können, massiv einschränkend für ihre Lebensqualität.
Wie werden Knochenmetastasen behandelt?
von Moos: Man muss die Knochenmetastasen von den eigentlichen Knochentumoren wie Sarkomen und Myelomen abgrenzen. Für diese Fälle gibt es andere therapeutische Strategien. Bei den Knochenmetastasen ist zuerst einmal die richtige Diagnose wichtig. Selbst wenn der Patient oder die Patientin noch keine Symptome verspürt, muss aktiv nach Knochenmetastasen gesucht werden. Denn es ist einfacher, ein Problem vorsorgend zu behandeln, als ihm hinterher zu springen. Damit lassen sich bessere Erfolge erzielen und die angesprochenen Schmerzen und Komplikationen verhindern, beziehungsweise die Entwicklung deutlich hemmen.
In den letzten zehn Jahren haben sich die Behandlungen des Ursprungstumors deutlich verbessert. Dieser Nutzen ist auch bei den Metastasen zu beobachten. Schrumpft nämlich der Tumor dank der Therapie, dann schrumpfen auch die Metastasen im Knochen. Das heisst, dass auch die Behandlung von Knochenmetastasen deutlich besser geworden ist.

Welche medikamentösen Therapien kommen bei Knochenmetastasen zum Einsatz?
von Moos: Tumoren aktivieren Knochenfresszellen, damit die Metastasen Platz haben, um zu wachsen. Dagegen gibt es zwei Medikamente, die sehr früh in der Erkrankung eingesetzt werden sollten, bevor Komplikationen entstanden sind. Die ersten sind die sogenannten RANKL-Hemmer. Sie werden direkt unter die Haut gespritzt und inaktivieren die Knochenfresszellen. Die zweiten sind die Bisphosphonate. Sie werden über eine Kurzinfusion intravenös verabreicht und vergiften die Knochenfresszellen. Nehmen die Knochenfresszellen ab, dann entsteht Raum für deren Gegenstück, die Knochenaufbauzellen. Diese mauern die Metastase ein und reduzieren die Gefahr von Komplikationen.
Welchen zusätzlichen Einfluss hat die durch die Antihormontherapie geförderte Osteoporose?
von Moos: Sowohl beim Brustkrebs als auch beim Prostatakrebs kann eine Antihormontherapie die Knochendichte reduzieren und so das Risiko für Brüche erhöhen. Deshalb sollte zu Beginn der Behandlung die Knochendichte gemessen werden und zusammen mit anderen Berechnungsmethoden das Risiko für einen Knochenbruch bestimmt werden. Je nach Risiko muss dann eine spezielle Anti-Osteoporose-Therapie eingesetzt werden.
Welche Möglichkeiten bestehen zur Vorbeugung?
von Moos: Vitamin D und Kalzium sind wichtige Stoffe zur Vorbeugung. Mit einer Messung sollte ein Mangel ausgeschlossen werden. Eine ausgewogene Ernährung sowie genügend Sonnenlicht mit Mass sind wichtig, allenfalls können die Stoffe in Tabletten und Tropfenform ergänzt werden. Auch Bisphosphonate und RANKL-Hemmer können prophylaktisch eingesetzt werden, je nach Risiko.
Ein Blick in die Zukunft: Mit welchen weiteren medizinischen Möglichkeiten ist in den nächsten Jahren zu rechnen?
von Moos: Am Horizont tauchen neue Therapien auf, die die knochenfressenden Zellen hemmen und die knochenbildenden aktivieren. Sie werden derzeit ausschliesslich bei der Osteoporose eingesetzt. Doch wir arbeiten daran, dass sie dereinst auch bei Knochenmetastasen geprüft oder gar später eingesetzt werden könnten.
Erstes Schweizerisches Osteo-Onkologisches Tumorzentrum am KSGR/IOSI (Graubünden/Tessin)
Gerade Betroffene mit Prostata- oder Brustkrebs leben teils viele Jahre mit dem Tumor. Damit nimmt auch die Komplexität der Behandlung von Knochenmetastasen zu, weil verschiedene Fachdisziplinen beigezogen werden. Hierzu wurde am Kantonsspital Graubünden zusammen mit dem Onkologischen Institut der italienischen Schweiz im 2021 das erste osteo-onkologische Tumorzentrum gegründet. In regelmässigen Abständen gibt es Besprechungen mit verschiedenen Fachdisziplinen über komplexe osteo-onkologische Krankheitsfälle. Dadurch wird die Art, Intensität und der Zeitpunkt der passenden Therapie bestimmt. Dies verhindert unnötige Behandlungen und schafft die Voraussetzungen für die bestmögliche Behandlung.
Datum: 19.10.2022