Krebsliga Peer-Plattform
Für alle
Kommunikation

Wie Krebs­patient* innen von den Er­fahrun­gen der Peers profitieren können

Krebsliga Peer-Plattform Erika Gardi

Erika Gardi
Verantwortliche Peer Plattform
Krebsliga

«Die Peers wissen, wie es ist, mit einer Krebserkrankung zu leben – sie kennen die Tiefen und Hoffnungen, kennen den ganzen bunten Strauss an Gefühlen», sagt Erika Gardi, Verantwortliche der Peer Plattform der Krebsliga im Interview. Und genau dieses Erfahrungswissen zeichnet die Plattform aus.

«Krankheitsbewältigung ist wie eine Achterbahnfahrt», bringt es Manuela auf den Punkt. Zweimal war sie von einer Krebsdiagnose betroffen. In dieser Achterbahn erhalte man zwar Unterstützung von Fachpersonen und Nahestehenden, doch tue es gut, mit Menschen zu sprechen, die aus eigener Erfahrung wissen, was man gerade durchmacht. Denn nicht selten nehmen Krebsbetroffene Rücksicht auf ihre Angehörigen, sprechen deshalb nicht aus, was sie beschäftigt und fühlen sich manchmal vom gut gemeinten Optimismus ihres Umfeldes belastet. «Bei den Peers können sie einfach sein, so wie sie sind und aussprechen, was sie sich sonst nicht auszusprechen getrauen», betont Erika Gardi.

 

Aus eigener Erfahrung

Alle Peers der Krebsliga, aktuell sind es über 80, haben eine Krebserkrankung durchlebt oder als Angehörige einen nahestehenden Menschen begleitet. So wie die 48-jährige Karin. Nach einer überstandenen Brustkrebserkrankung engagiert sie sich seit einiger Zeit als Peer. Auf die Frage, weshalb ihr dieses Engagement so wichtig ist, muss sie nicht lange überlegen: «Es gibt Fragen, die kann das beste medizinische Team nicht beantworten. Mir hat der Austausch mit anderen Betroffenen in solchen Situationen sehr geholfen – weshalb ich meine Erfahrungen mit anderen teilen möchte.» Oder Patrick: Der 40-jährige Familienvater ist 2020 an Mastdarmkrebs erkrankt. Von einem Moment auf den anderen sei alles anders gewesen: «Meine Frau war mit unserer zweiten Tochter schwanger, und wir hatten gerade ein Haus gekauft. Viele Ängste und Ungewissheiten haben uns ab diesem Tag begleitet», erinnert er sich. Grosse Unterstützung habe er damals von seiner Familie und von seinem Umfeld bekommen, ebenso eine super Versorgung im Spital. Was ihm in dieser schweren Zeit geholfen hat? «Schöne Ereignisse, Sport und eine positive Einstellung». Und genau diese Erfahrungen gibt er heute anderen Betroffenen weiter, er möchte Mut machen und von seinem Weg erzählen.

Krebsliga Peer-Plattform

Sechs Fragen an Erika Gardi, Verantwortliche der Peer-Plattform:

1. Frau Gardi, wie wird man Peer?

Erika Gardi: Grundsätzlich kann jeder Krebsbetroffene oder deren Angehörige ein Peer werden. Interessierte können sich hierzu mit einem Formular, welches auf unserer Website abrufbar ist, anmelden. Sämtliche Angaben werden von uns streng vertraulich behandelt. Nach der Anmeldung nehme ich Kontakt mit den potenziellen Peers auf und verabrede mich zu einem Kennenlerngespräch mit ihnen. Danach entscheiden wir gemeinsam, ob sie als Peer geeignet sind.

 

2. In welchen Fällen raten Sie von einer Arbeit als Peer ab?

Gardi: Diese Fälle sind selten. Zum Beispiel, wenn die Betroffenen noch mitten in den Behandlungen stehen oder wenn ihnen Distanz und Nähe zum Erleben eines anderen Menschen schwerfallen. Den Peers sollen die Begegnungen Freude bereiten und nicht eine Belastung darstellen. Ich bin immer für die Peers da, besonders wenn diese in belastende Situationen geraten. Hier kann ich bei Bedarf auch übernehmen. Zudem bietet die Krebsliga Leitfäden und Supervision an, um die Peers in ihrer Rolle zu unterstützen.

 

3. Die Peers präsentieren sich und ihre Krebserkrankung auf der Plattform. Wie ist das Vorgehen, wenn eine betroffene Person Kontakt aufnehmen möchte?

Gardi: Die Anfrage kommt über ein Formular, in dem die Betroffenen persönliche Angaben machen und ihre Situation schildern. Die Peers können jeweils entscheiden, ob sie einen Kontakt annehmen möchten oder nicht. Gründe, eine Anfrage abzulehnen, sind meist praktischer Natur – etwa Zeitmangel oder weil das Krankheitsbild nicht zu den Erfahrungen des Peers passt.

 

4. Wo sind die Grenzen der Peer-Arbeit?

Gardi: Die Plattform bietet einen Austausch auf Augenhöhe und soll den Betroffenen einen Raum geben, in dem sie offen über ihre Gefühle und Ängste sprechen können. Die Peers sind jedoch keine Therapeutinnen oder Therapeuten und dürfen keine medizinischen Ratschläge geben oder Diagnosen stellen. Anonymität und Vertraulichkeit sind dabei oberstes Gebot. Beide Seiten – sowohl die Peers als auch die kontaktsuchenden Menschen – müssen sich an die Datenschutzbestimmungen halten und die Vertraulichkeit respektieren.

 

5. Wie lange stehen die Peers in der Regel in Kontakt mit den Betroffenen?

Gardi: Durchschnittlich bleiben die Peers ein bis drei Kontakte lang in Verbindung, bevor die Kommunikation in gegenseitigem Einverständnis endet. Die meisten der Kontaktanfragen kommen von Betroffenen, die sich in einer aktiven Behandlungsphase befinden. Die Kommunikation erfolgt auf verschiedenen Kanälen, sei es per Telefon, WhatsApp, E-Mail oder bei persönlichen Treffen. Vereinzelt ist es schon vorgekommen, dass aus einem Peer-Kontakt eine langfristige Freundschaft wurde. Aber das ist nicht das Ziel der Plattform und der Peers.

 

6. Welche Rückmeldungen bekommen Sie von den Peers?

Gardi: Trotz der Herausforderungen, welche die Tätigkeit als Peer mit sich bringt, sind die Rückmeldungen durchweg positiv. Viele Peers berichten, dass es eine Bereicherung für sie ist, anderen in Krisensituationen zu helfen, und dass sie selbst von den Betroffenen inspiriert werden. Es ist diese Dankbarkeit und das Gefühl, in der schwierigen Zeit etwas bewirken zu können, die viele Peers motiviert, weiterzumachen. Manche Betroffene, die den Kontakt zu einem Peer gesucht haben, entscheiden sich später selbst, Peer zu werden und ihre eigenen Erfahrungen weiterzugeben.

Der Begriff «Peer»

Der Begriff «Peer» kommt aus dem Englischen und bedeutet «gleichgestellt» oder «gleichgesinnt». Peers sind Expertinnen und Experten aus eigener, persönlicher Erfahrung. Sie sind jedoch keine medizinischen Fachpersonen, können keine Auskunft zu rechtlichen Fragen geben oder eine therapeutische Begleitung ersetzen. Sie können aber auf Wunsch entsprechende Kontaktadressen vermitteln.

Journalistin: Anna Birkenmeier
Datum: 16.10.2024