Krebstelefon: Sicherheit vermitteln und Angst vermindern
1995 wurde das Krebstelefon der Krebsliga Schweiz ins Leben gerufen. Das Ziel: Krebsbetroffenen Menschen und ihren Angehörigen schnell und anonym Unterstützung und Halt zu geben. Die Pflegefachfrau mit Onkologieerfahrung und psychoonkologische Beraterin Anna Zahno ist seit 2016 Leiterin des Krebstelefons.
Seit 25 Jahren existiert nun das Krebstelefon. Welches waren die Beweggründe, dieses zu gründen?
Die Krebsliga hat den Dienst ins Leben gerufen, weil Krebsbetroffene und ihre Angehörigen einen sehr hohen Informationsbedarf und Beratungswunsch haben. Mit einer Krebsdiagnose stellen sich viele Fragen, Ängste und Unklarheiten. Wir übernehmen eine Wegweiserfunktion und klären auf, wo sich Betroffene weitere Information holen oder sich beraten lassen können.
Mit welchen Fragen werden Sie besonders häufig konfrontiert?
Häufig gestellte Fragen betreffen etwa Nebenwirkungen von Therapien und Unsicherheiten in Bezug auf Therapieempfehlungen. Ebenso sind die Kommunikation mit dem Umfeld, das Zurückfinden in den Arbeitsprozess, die Angst vor der Zukunft oder finanzielle Engpässe häufige Themen.
«Dr. Google» leistet zu Überinformation und den daraus entstehenden Unsicherheiten einen grossen Beitrag. Wie erleben Sie das?
Wir sehen sehr häufig, dass Betroffene durch das Überangebot im Internet verunsichert, manchmal gar verängstigt sind. Für sie ist es schwierig, aus der Fülle von Informationen die richtigen Quellen herauszufiltern. Dabei können die richtigen Informationen helfen, Angst und psychische Belastung zu vermindern. In unserer Arbeit ist das ein zentraler Aspekt.
«Mit einer Krebsdiagnose stellen sich viele Fragen, Ängste und Unklarheiten. Wir übernehmen eine Wegweiserfunktion und klären auf, wo sich Betroffene weitere Information holen oder sich beraten lassen können.»
Im Jahr 2019 hatte das Krebstelefon so viele Anfragen (5900) wie noch nie. Welches sind mögliche Gründe hierfür?
Seit 2015 verzeichnen wir einen kontinuierlichen Anstieg an Anfragen, mehrheitlich via Telefon, E-Mail und Chat. Gründe dafür sind sicherlich, dass es mehr Krebserkrankungen in der Schweiz gibt und dass sich Betroffene heute eher Hilfe suchen als früher. Unser Angebot bietet hier sehr unkompliziert und niederschwellig Unterstützung: wir sind von morgens um neun bis abends um sieben Uhr erreichbar, man muss keinen Termin abmachen und kann anonym bleiben.
Ursprünglich war das Krebstelefon eine reine Informations- und Beratungsdienstleistung. Inwiefern hat sich dies geändert?
Vor 15 Jahren ist mit dem Krebsforum zusätzlich eine virtuelle Austauschplattform für Betroffene und Angehörige entstanden. Das Angebot stösst auf grosse Resonanz und zeigt, wie wichtig der Erfahrungsaustausch untereinander ist. Das Krebsforum, sowie alle Dienstleistungen des Krebstelefons werden auf Deutsch, Französisch und Italienisch angeboten. In den Expertensprechstunden können zudem krebsspezifische Fragen gestellt werden.
Wer nimmt mehrheitlich das Angebot des Krebstelefons in Anspruch?
Überwiegend sind das Betroffene (ca. 28 Prozent) und Angehörige (ca. 25 Prozent). Häufig erhalten wir auch Fragen zu Präventions- und Früherkennungsmassnahmen. Ebenso melden sich Menschen die Angst vor einer Krebserkrankung haben. Auch Mitarbeitende von anderen Krebsligen, manchmal auch Pflegefachpersonen nehmen unsere Beratung in Anspruch. Grundsätzlich kann jeder in der Schweiz unser Angebot kostenlos nutzen. Finanziert werden wir übrigens über Spenden.
Sie arbeiten seit gut 7 Jahren (also seit anfangs 2013) beim Krebstelefon. Gibt es für Sie besonders bereichernde Momente?
Ich erlebe immer wieder, dass am Anfang eines Gesprächs Angst und Verzweiflung im Vordergrund stehen. Wenn diese im Laufe des Telefonates dann spür- und hörbar weichen und der Anrufer erleichtert aus dem Gespräch geht, ist das sehr bereichernd für mich. Durch fachliche Information kann Sicherheit vermittelt und Angst vermindert werden.
Wie gehen Sie mit schwierigen Situationen um?
Es gibt immer wieder Gespräche, die einem sehr nahe gehen und nicht loslassen. Vor einiger Zeit bekam ich den Anruf eines zutiefst verzweifelten Bergbauern, dessen Frau im Sterben lag und er drei kleine Kinder zu Hause hat. Er wusste nicht weiter, gleichzeitig konnte ich ihm seine Sinnfragen nicht beantworten. Dies gemeinsam mit der betroffenen Person auszuhalten, ‘nur’ da sein, zuhören und sie auf ihrem Weg bestärken, aber keine Patentlösung anbieten zu können, kann belastend sein. In solchen Situationen ist es besonders wichtig, dass wir uns im Team austauschen können.
Mehr: www.krebsliga.ch
Datum: 27.09.2022