Martin ist lymphom Betroffener
Blutkrebs
Erfahrungsbericht

Die Kraft der positiven Einstellung

Bei Martin (58) wurde vor vier Jahren ein follikuläres Lymphom diagnostiziert, als er gerade seinen Job gekündigt hatte. Es folgten weitere Schicksalsschläge begleitet von Existenzängsten. Dennoch blieb Martin guten Mutes und fand einen Weg, um sein Leben positiv anzugehen.

Martins  Geschichte

 

An Martin fällt einem sofort seine offene, positive Art auf. Seinen Beruf als Autoverkäufer liebt er, da er gerne im Kontakt mit anderen Menschen steht. 2019 traten bei Martin plötzlich Rückenschmerzen auf, die immer stärker wurden. Seine Hausärztin riet ihm zur Physiotherapie, die jedoch nicht die erwartete Abhilfe brachte. Als bei Martin auf einmal auch ein Taubheitsgefühl in seiner rechten Hand auftrat, läuteten bei seiner Hausärztin die Alarmglocken. Sie empfahl ihm, ein MRI durchzuführen. «Als ich aus der Röhre kam, teilte mir meine Ärztin bedrückt mit, dass sie einen Lungentumor vermutete. Ein Krankenwagen brachte mich direkt nach Basel in die Notaufnahme», erinnert sich Martin. Eine Biopsie ergab, dass es sich nicht um einen Lungentumor, sondern um ein Lymphom handelte – genauer genommen ein follikuläres Lymphom, eine Art von Lymphdrüsenkrebs. Der Tumor war bereits so gross, dass er auf Martins Rückenmark drückte, was sein Taubheitsgefühl in der Hand auslöste. «Die Ärzte erklärten mir, dass meine Krankheit unheilbar ist, ich aber mit einer Therapie zehn bis fünfzehn Jahr gut weiterleben könnte», so Martin.

Lymphdrüsenkrebs Betroffener Martin

Martins Krankheit ist unheilbar.

Nach der Diagnose

Die Diagnose einer unheilbaren Krankheit löste bei Martin starke Emotionen aus. «Ich musste die Nachricht erst einmal verarbeiten. Da steht man gerade noch voll im Arbeitsleben und auf einmal wird man so herausrausgerissen», erzählt Martin. Seine positive Denkweise half ihm aber, die neue Situation relativ schnell zu akzeptieren und nach vorne zu blicken. Auch als seine Beziehung mit seiner Partnerin in die Brüche ging, liess sich Martin nicht unterkriegen. Aufgeben war für ihn keine Option und so erkundete er sich nach den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten. In Absprache mit seinem Onkologen und dem Radiologen entschied sich Martin letztlich für die Bestrahlung, gefolgt von einer Antikörpertherapie in Kombination mit der Teilnahme an einer vielversprechenden Studie für ein neues Medikament, die ihm sein Onkologe nahegelegt hatte.

 

Ein Dämpfer nach dem anderen

Martin schlug gut auf die Antikörpertherapie an. Schmerzen hatte er keine mehr. Jedoch verspürte er eine grosse Müdigkeit, die sich später als Fatigue herausstellen sollte. «Ich war überzeugt, dass es mir durch die Therapie schon bald besser ginge. Ich unterschätzte jedoch, wie energieraubend sie sein würde – auch in Hinblick auf die Arbeit», so Martin. Martin hatte kurz vor seiner Krebsdiagnose Job und Wohnung gekündigt und sollte eine neue Stelle antreten. Sein Jobantritt fiel genau mit dem Therapiebeginn zusammen. Der neue Arbeitgeber zeigte zuerst Verständnis für Martins begrenzte Einsatzfähigkeit und stellte ihn trotz der Erkrankung in einem 50-Prozent-Pensum an. Ein paar Monate später kündigte er ihm aber dennoch, da das Teilzeitpensum nicht mehr akzeptiert wurde. Als wäre dies nicht genug, wurde bei Martin kurz darauf Diabetes festgestellt. «Jedes Mal, wenn ich versuchte, nach oben zu kommen, kam der nächste Rückschlag», so Martin.

«Ich lernte, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen.»

Martin

Lichtblicke

Die mit dem Jobverlust zusammenfallende Therapiezeit war für Martin sehr herausfordernd. Existenzängste und finanzielle Sorgen plagten ihn: «Ich war schon einmal nach der Scheidung von meiner Exfrau finanziell unten gewesen. Die Angst, nochmals in solch eine Situation zu kommen, war gross.» Martins Existenzängste waren schliesslich der Grund, weshalb er psychoonkologische Hilfe in Anspruch nahm: «Die Psychoonkologie empfand ich lange als unnötig, da es mir dank der Medikamente gut ging. Die Treffen mit der Psychoonkologin wurden jedoch zu einem wichtigen Ankerpunkt, um meine Ängste zu kontrollieren. Ich lernte, mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und mit den Herausforderungen des Lebens umzugehen», erzählt Martin. Aber auch seine positive Grundeinstellung, seine Familie und Freunde, halfen ihm durch die schwierigen Momente: «Ich tauschte mich in dieser Zeit regelmässig mit meinen Töchtern telefonisch aus. Wir haben einen guten Draht zueinander, auch wenn sie nicht in der Nähe wohnen. Auch meine Geschwister waren eine grosse Stütze», so Martin.

Martin macht das Beste aus seiner Situation.

Ein neues Leben

Um sein Diabetes in den Griff zu bekommen, begann Martin, seine Ernährung umzustellen und sich mehr zu bewegen: «Durch die Ernährungsumstellung und regelmässige ausgiebige Spaziergänge nahm ich in einem Jahr 20 kg ab», berichtet Martin stolz. Durch seine neue Lebensweise verbesserte sich auch sein Blutzuckerwert und er musste nur Tabletten schlucken und kein Insulin spritzen. Heute unternimmt Martin viel auf eigene Faust, was er früher nie getan hätte. Er besitzt ein Motorrad, mit dem er leidenschaftlich gerne über die Schweizer Pässe fährt. Trotz der Unsicherheiten in der Zukunft entschied er sich dafür, das Beste aus seiner Situation zu machen. Als es Martin besser ging, kehrte er zu seinem langjährigen Arbeitgeber zurück, der ihn zu seiner Freude mit offenen Armen empfing. Seit Januar 2022 arbeitet er dort Teilzeit. Daneben erhält er eine kleine IV-Rente. Aufgrund seiner Fatigue hat Martin weniger Energie zur Verfügung. Die Arbeit ist ihm aber wichtig, da sie ihn fordert und ablenkt. Trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen geniesst Martin sein Leben in vollen Zügen und ist zuversichtlich: «Eigentlich geht es mir blendend. Ich habe mich mit meinem neuen Leben arrangiert und bin dankbar für alles, was ich erleben durfte und darf», sagt Martin.

Catherina Bernaschina
Datum: 11.04.2024