Magenkrebsbetroffene Lebensqualität und Therapiemöglichkeiten
Magenkrebs
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Magenkrebs – verbesserte Lebens­qualität und Prognose

Experte für Magenkrebs

Dr. med. Felix Grieder  
Klinikleiter und Chefarzt für Viszeral-und Thoraxchirurgie
Bauchtumorzentrum Kantonsspital Winterthur

Der Magenkrebs entwickelt sich häufig aus einem chronischen Magengeschwür. Ein Bakterium, Rauchen und Alkohol oder selten erbliche Faktoren können ursächlich beteiligt sein. Früh entdeckt ist die Prognose gut, weniger jedoch in späteren Stadien.

Dr.  Grieder  im  Gespräch

 

Dr. Grieder, was ist Magenkrebs?

Dr. Grieder: Es gibt unterschiedliche Magentumore, gutartige aber auch aggressive. Bei den Aggressiven handelt es sich um einen bösartigen Krebs, dem sogenannten Adenokarzinom. Solche Tumore entstehen aus veränderten Zellen der Magenschleimhaut. Ein Adenokarzinom durchwächst die Magenwand und macht Ableger (Metastasen) in die Lymphknoten oder über die Blutbahn in entfernt liegende Organe.

 

Was sind die Ursachen für Magenkrebs?

Dr. Grieder: Die häufigste Ursache liegt in einer chronischen, meist unbemerkten Entzündung der Magenschleimhaut. Dafür ist meist das Bakterium Helicobacter pylori (H. pylori) verantwortlich. Daraus entwickelt sich zuerst ein Geschwür, dass sich über Jahre hinweg zum Adenokarzinom entwickelt. Daneben gibt es auch erbliche Veranlagungen und damit familiäre Risiken, dies allerdings nicht so häufig wie beim Darmkrebs. Schliesslich erhöhen auch Rauchen und Alkohol das Krebsrisiko.

«Es ist entscheidend, wie frühzeitig der Krebs entdeckt wird»

Dr. Grieder

Wie ist die Prognose beim Magenkrebs?

Dr. Grieder: Es ist entscheidend, wie frühzeitig der Krebs entdeckt wird. Je früher, desto besser ist die Prognose. Leider wird das anfänglich schmerz- und symptomlose Adenokarzinom oft erst spät diagnostiziert, wenn es sich vergrössert und gestreut hat. Dann ist die Prognose wesentlich schlechter, weil der Krebs schon Metastasen gebildet hat.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Magenkrebs?

Dr. Grieder: Die Behandlung richtet sich in der Regel nach der Grösse und dem Stadium, das heisst, wie weit fortgeschritten der Tumor ist. Wird das Karzinom - meist zufällig - in einem sehr frühen Stadium entdeckt, dann kann es selten mittels spezialisierter Magenspiegelung entfernt werden. Etwas grössere Tumoren werden operiert unter gleichzeitiger Entfernung der umgebenden Lymphknoten. Meistens ist es jedoch sinnvoll, nicht als Erstes zu operieren, sondern den Tumor und die allfälligen Lymphknotenableger   mittels Chemotherapie vorzubehandeln. Diese sogenannte neoadjuvante Behandlung kann mikroskopisch kleine Tumorzellen abtöten und das Risiko eines Rezidives (eines erneuten Tumorauftreten) reduzieren. Nach dieser Vorbehandlung wird der geschrumpfte Tumor zusammen mit den Lymphknoten operativ entfernt. Hat der Tumor mehrfach in entfernte Organe gestreut, dann wird auf eine Operation verzichtet und der Tumor und seine Ableger mittels medikamentöser Therapie (Chemo- und Immuntherapie) behandelt. Bei Tumoren des Speiseröhren-/Magenübergangs kommt teilweise auch eine zusätzliche Radiotherapie in Frage.

Welche medikamentösen Therapien gibt es?

Dr. Grieder: Die Chemotherapie ist seit Jahren die medikamentöse Standardtherapie. Es werden dabei verschiedene Wirkstoffe in unterschiedlichen Kombinationen verwendet. In den letzten Jahren sind nun zusätzlich auch Immuntherapien aufgekommen. Sie durchbrechen den Schutzmechanismus des Tumors gegen das Immunsystem. Damit kann das Immunsystem den Tumor besser bekämpfen. Sie werden in Ergänzung zu den bereits erwähnten Behandlungen verabreicht, wenn eine Operation nicht möglich ist oder die Chemotherapie nicht mehr eingesetzt werden kann. Es eignen sich für diese Behandlung jedoch nur Erkrankte, die bestimmte Tumormerkmale aufweisen. Sprechen solche Patient*innen auf die Behandlung an, dann steigen die Überlebenschancen beträchtlich. Dementsprechend wir heutzutage die Therapie individuell auf Patient*innen und den entsprechenden Tumor abgestimmt.

 

Kann Magenkrebs geheilt werden?

Dr. Grieder: Im Frühstadium liegt die Überlebensrate nach fünf Jahren bei 95 Prozent.

Diese Rate sinkt mit dem Ausmass der Tumorerkrankung.

«Die Forschung bezüglich neuen Immuntherapien ist sehr vielversprechend und gibt Hoffnung.»

Dr. Grieder

Wie ist die Lebensqualität für Betroffene während der Behandlung?

Dr. Grieder: Fortschritte bei der Operationstechnik dank minimal invasiven Eingriffen (Laparoskopie/Roboter-unterstützte Operationen) erlauben den Betroffenen dank weniger Belastung eine schnellere Genesung. Bei operierten Patient*innen ist die Lebensqualität nach einer gewissen Erholungsphase sehr gut. In den ersten Wochen nach der Operation sind meistens nur kleine Essensportionen über den Tag verteilt möglich. Je mehr Restmagen nach der Operation noch vorhanden ist, desto schneller normalisieren sich die Nahrungsportionen. Alle übrigen täglichen Aktivitäten sind möglich und es gibt bis auf einen regelmässigen Vitamin B12 Ersatz, keine weiteren Einschränkungen nach der Operation.

 

Und bei der Chemotherapie?

Die Nebenwirkungen hängen von der verwendeten Substanz ab. Zum Beispiel können Störungen der kleinen Nervenenden in Händen und Füssen mit Ameisenlaufen und Taubheitsgefühl auftreten. Während der Chemotherapie kann es auch zu Übelkeit, Erbrechen oder Haarausfall kommen. Die Immuntherapie ist in der Regel besser verträglich.

 

Welche Fortschritte in der Behandlung sind in naher Zukunft zu erwarten?

Dr. Grieder: Aktuell ist die Forschung bezüglich neuen Immuntherapien sehr vielversprechend und gibt Hoffnung, dass in Zukunft die Therapieoptionen noch genauer auf die jeweilige Situation angepasst werden können.

Thomas Ferber
Datum: 26.04.2023