Bauchspeicheldrüsenkrebs Betroffener Boris und seine Freundin Martina.png
Für alle
Erfahrungsbericht

Wenn der Partner Krebs hat – Martinas Geschichte

Die Geschichte von Martina und Boris ist geprägt von Höhen und Tiefen und einer engen Verbindung zwischen zwei Menschen. Für ihren an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankten Partner ging Martina anihre Grenzen. Sie lernte aber auch, Prioritäten im Leben zu setzen.

Martina erzählt

Martina war schon immer ein unternehmungsfreudiger Mensch. Mit ihrem Partner Boris teilt sie dieselbe Leidenschaft: Das Reisen. Auf einer Reise war es auch, als sich bei Boris die ersten Symptome seiner Krebserkrankung bemerkbar machten. Zu diesem Zeitpunkt war Boris 36 Jahre alt. «Wir befanden uns auf einer Tour auf den Kilimanjaro, als es Boris immer wieder übel wurde und er sich übergeben musste. Dann verfärbten sich seine Augen, sein Urin und später die Haut wurden zunehmend gelb. Wir dachten als erstes nicht an Krebs, sondern an Gallensteine, nachdem wir die Symptome gegoogelt hatten», erzählt Martina. Nach der Rückreise begab sich Boris direkt vom Flughafen ins Spital, um sich untersuchen zu lassen. Martina ging ganz normal zur Arbeit. Als sich herausstellte, dass die Untersuchungen länger dauerten und es sich um etwas Ernsteres handeln könnte, eilte sie zu Boris ins Spital. Danach folgte die erschütternde Diagnose: Die Ärzte fanden einen Tumor in Boris’ Bauchspeicheldrüse. Martina erinnert sich an ihre erste Reaktion:

«Während Boris besorgt und geschockt war, wollte ich mich nicht unnötig verrückt machen und versuchte, besonnen zu bleiben.»

Martina

Als die Last zu gross wird

Die Fachpersonen handelten schnell. Zunächst wurde Boris operiert. In einer achtstündigen OP wurden Boris’ Bauchspeicheldrüse, Galle, Milz, ein Teil des Magens und 39 Lymphknoten entfernt, da alles bereits befallen war. Die anschliessende Chemotherapie verlangte ihm körperlich und psychisch alles ab und hinterliess ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit. Martina verfiel in eine Art Aktionismus. Sie konzentrierte sich darauf, wie sie selbst auf die neue Situation Einfluss nehmen konnte. Sie glaubte, alles im Griff zu haben und dass alles gut werden würde. Dabei setzte sie sich unter grossen Druck: «Ich übernahm die gesamte Kommunikation mit den Familienangehörigen, den Freunden und dem übrigen Umfeld, da Boris die Kraft dazu fehlte. Sonst war Boris immer der Kommunikativere von uns beiden gewesen. Diese Rollenverschiebung war für mich als eher introvertierte Person eine enorme psychische Belastung», so Martina. Etwa dreieinhalb Monate nach der Diagnose wurde ihr dann alles zu viel: «Mein Vollzeitjob, die vielen Aufgaben, die ich privat auf mich genommen hatte…ich fühlte mich innerlich zerrissen und konnte einfach nicht mehr», beschreibt Martina ihren damaligen Gefühlszustand.

Betroffener von Bauchspeicheldrüsenkrebs und seine Partnerin

Martina und Boris sind ein starkes Team

Der Wendepunkt

Krebs ist eine «Wir-Krankheit». Martinas Geschichte zeigt, wie die Erkrankung nicht nur die Betroffenen, sondern auch das Umfeld belasten kann. Gerade die engen Angehörigen sind mit grossen Herausforderungen konfrontiert. Plötzlich lastete auf Martinas Schultern all die Verantwortung, die früher auf vier Schultern verteilt war. Und das mitten in der emotionalen Achterbahnfahrt und den Schwierigkeiten, die Krebs mit sich bringt. Martina gelangte an einen Punkt, an dem sie die Notbremse ziehen musste. Sie schrieb allen Angehörigen, dass sie im Moment keine weiteren Nachrichten schreiben und keine Informationen mehr durchgeben könne. Nachdem sie die Kommunikation mit dem Umfeld heruntergeschraubt hatte, reduzierte sie auch ihr Arbeitspensum. «Ich wollte meine ganze Energie auf Boris konzentrieren. Nur noch 60 Prozent zu arbeiten, war aber nicht leicht für mich. Ich musste dafür meine Position als Teamleiterin abgeben und plötzlich mit einem Teilzeitlohn auskommen», beschreibt Martina ihren Karriererückschritt, mit dem sie zeitweise haderte. Die Belastung durch die Krebserkrankung brachte noch eine weitere grosse Veränderung mit sich:

«Ich hatte ein Stück meiner Unbeschwertheit verloren und war gefühlt in kurzer Zeit schnell erwachsen geworden.»

Martina

Ein neues Lebensgefühl für beide

Durch das Erlebte veränderte sich auch Martinas Lebenseinstellung: «Die Berührung mit dem Tod, die Angst, Boris zu verlieren, hat mir die Endlichkeit des Lebens vor Augen geführt. Ich habe gelernt, dankbar für das zu sein, was ich habe und im Hier und Jetzt zu leben.» Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, musste Martina hart an sich arbeiten: «Ich hörte Podcasts und las viel über die Erkrankung und ihre Auswirkungen auf Betroffene und ihr Umfeld. Das half mir sehr.» Eine Aussage hat sie besonders inspiriert: «Dass man vor zukünftigen Gefühlen keine Angst haben und sich auf die Gegenwart konzentrieren soll», so Martina.

Nachdem die Akuttherapien abgeschlossen waren und es Boris besser ging, konnte das Paar erstmals durchatmen. In den darauffolgenden Monaten gingen Martina und Boris auf Reisen, was ihnen half, sich auf die positiven Dinge im Leben zu konzentrieren. Bald schon begann Boris wieder zu arbeiten und eine Art Alltag kehrte zurück. Und dennoch war nichts mehr so wie früher: «Wir arbeiten jetzt beide Teilzeit. Nicht der Job, sondern unser privates Leben kommt bei uns an erster Stelle. Dass dieser neue Lebensstil möglich ist, erfüllt uns mit grosser Dankbarkeit», sagt Martina.


Datum: 17.11.2023