Resilienz bei Krebs
Für alle
Patientenkompetenz

Resilienz – das Immun­system der Psyche

Resilienz bei Krebs Expertin Erika Gardi

Erika Gardi
Krebsliga Schweiz

Ein Patentrezept für Resilienz gibt es nicht – vielmehr scheint eine gewisse Veranlagung mitzuspielen. Allerdings könne man die Fähigkeit entwickeln und stärken, etwa mit Bewältigungsstrategien, sagt Erika Gardi von der Krebsliga Schweiz im Interview.

Resilienz wird auch das Immunsystem der Psyche genannt. Was genau bedeutet Resilienz?

Erika Gardi: So wie wir unser Immunsystem stärken können, können wir dies auch mit unserer Psyche tun und so widerstandsfähiger werden. Resilienz (von lateinisch resilire «zurückspringen» «abprallen») beschreibt die Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und durch das Zurückgreifen auf individuelle Ressourcen letztlich daran zu wachsen. Es ist die Fähigkeit, Veränderungen anzunehmen, Strategien zu erlernen und sich auf die neue Situation einzustellen. Zudem finden resiliente Menschen häufig eine Bedeutung oder einen Sinn in der Erfahrung und Bewältigung von schwierigen Situationen.

 

Was bedeutet Resilienz im Kontext einer Krebserkrankung?

Gardi: Eine Krebserkrankung ist eine existenzielle Krise und viele Menschen beschreiben die Diagnose, als hätte man ihnen den Boden unter den Füssen weggerissen. Sowohl physisch, psychisch und emotional befinden sich die Betroffenen in einer Ausnahmesituation. Hinzu kommen soziale Herausforderungen, wie etwa, plötzlich nicht mehr arbeiten zu können. Manchmal verändert sich auch das Umfeld, manche Freundschaften fallen weg, neue kommen hinzu. Diese Dinge verarbeiten zu können und gleichwohl mit sich verbunden zu bleiben, erfordert Ressourcen. Es ist deshalb wichtig, dass die Betroffenen zu ihrem eigenen Wohlbefinden Sorge tragen und sich als wichtig und selbstwirksam erleben.

 

Kann man Resilienz lernen oder hat man sie einfach?

Gardi: Es gibt kein Patentrezept dafür und es gibt Berichte, dass es auch ein Stück weit veranlagt zu sein scheint, wie resilient man ist. Man kann nicht sagen, dass jemand, der nicht resilient ist, etwas falsch macht. Allerdings kann man die Fähigkeit zur Resilienz entwickeln und stärken, etwa mit Selbstreflexion und dem Erlernen von neuen Bewältigungsstrategien. Die Begleitung durch eine Psychoonkologin oder einen Psychoonkologen kann neue Wege aufzeigen.

 

Eine der Säulen der Resilienz ist Optimismus. Wie kann es gelingen, trotz einer Krebserkrankung optimistisch zu bleiben?

Gardi: In Gesprächen mit den Betroffenen höre ich oft, dass ihnen die Vorstellung davon, was sie noch alles erleben möchten, Zuversicht schenkt oder sie zusätzlich motiviert. Manche nehmen ihre Erkrankung in Etappen, manche bauen sich vor jeder Therapie Auszeiten ein, auf die sie sich freuen. Der Umgang mit der Erkrankung ist so individuell wie jede Patient*in es ist. Vielfach höre ich auch, dass es hilft, die Erkrankung als Teil des Lebens zu akzeptieren – auch wenn dies nicht einfach ist, so gehört sie dazu und wird stückweise ins neue Leben integriert.

 

Sich bewusst zu werden, was einem guttut und woraus man Kraft schöpft, ist ein erster Schritt, um die Resilienz zu stärken.

Erika Gardi

Auch Lösungsorientierung wird oft als Säule der Resilienz genannt. Bei einer Krebserkrankung gibt es häufig keine schnelle oder einfache Lösung. Was raten Sie Betroffenen zu diesem Punkt?

Gardi: Es gibt auch auf diese Frage keine einfache Antwort. Es kann helfen, sich selbst oder mit Hilfe einer Fachperson immer wieder zu fragen, wo die Belastung gerade am grössten ist: Ist es Angst, fehlen mir Informationen über meine Krankheit, habe ich Sorgen am Arbeitsplatz oder in der Familie? um anschliessend individuelle Lösungen zu finden. Man erlebt sich so selbst aktiv und selbstbestimmt.

 

Welche Übungen oder Strategien können dabei helfen, die Resilienz zu stärken?

Gardi: Sich bewusst zu werden, was einem guttut und woraus man Kraft schöpft, ist ein erster Schritt, um die Resilienz zu stärken. Ein Thema bei den Betroffenen ist oft, das Gedankenkarussell, das sich unaufhörlich zu drehen scheint, zu stoppen. Dies kann beispielsweise durch Achtsamkeits-und Atemübungen trainiert werden. Ebenso lohnt es sich, konkret anzuschauen, was einen beschäftigt und basierend darauf Strategien zu erarbeiten. Hobbys weiterpflegen, Bewegung in den Alltag einbauen, einen Teil des normalen Lebens weiterführen und Unterstützung von Familie und Freunden annehmen, beziehungsweise aktiv einfordern, hilft ebenfalls. Die kantonalen und regionalen Krebsligen haben zudem ein breites Angebot an Kursen, Vorträgen und der Möglichkeit Gleichgesinnte zu treffen.

 

Was berichten Ihnen Betroffene oder Angehörige aus der Peer- Plattform zu Resilienz?

Gardi: Einen «Peer», also jemanden mit ähnlichen Erfahrungen an der Seite zu haben, wünschen sich praktisch alle Betroffenen und viele Angehörige. Jene, welche die Begleitung durch einen Peer hatten, berichten, dass dieser zu einer der wichtigsten Personen oder Kontakten auf ihrem Weg wurde. Das Erfahrungswissen der Peers ist enorm wertvoll, ebenfalls die konkreten Tipps. Im direkten Gespräch zu erfahren, dass ein anderer Mensch gleiches erlebt hat, aber heute wieder mit festen Beinen im Leben steht, stärkt die Zuversicht und macht Mut.

 

Kann der Austausch mit einem Peer die Resilienz stärken?

Gardi: Tatsächlich berichten die meisten Kontaktsuchenden, dass sie sich nach dem Austausch mit einem Peer bestärkt und ermutigt fühlten, dass sie sich mit all ihren Sorgen und Fragen verstanden fühlten, neue Impulse und Zuversicht fanden. Der Austausch kann Bestätigung für den eigenen Weg bringen oder sogar zusätzliches Wissen und neue Sichtweisen auf den eigenen Krankheits-und Gesundungsweg. Die Krebsliga Schweiz hat deshalb eine Peer-Plattform initiiert, damit sich Gleichgesinnte finden und austauschen können.

Peer-Plattform der Krebsliga 

Wenn du als betroffene oder angehörige Person den Austausch mit Gleichgsinnten suchst, dann bist du hier genau richtig.

Hier geht's zur Peer-Plattform 

Journalistin: Anna Birkenmeier
Datum: 23.01.2024