Stammzelltransplantation bei Krebs und Leukämie
Blutkrebs
Therapien

Stammzell­transplantation bei Leukämien

Experte für Stammzelltransplantation bei Krebs und Leukämien

Prof. Dr. Dr. Dominik Schneidawind
Leitender Arzt Klinik für Med. Onkologie und Hämatologie
Universitätsspital Zürich

Die Stammzelltransplantation zur Behandlung von Leukämien hat sich stark weiterentwickelt und ist nicht mehr so beängstigend wie früher. Heutzutage spielen Spitzenmedizin und intensive Pflege eine entscheidende Rolle, um die Heilungschancen zu verbessern.

Im Folgenden spricht Prof. Dominik Schneidawind über die Bedeutung von Blutstammzellen bei Leukämien und den Ablauf sowie die Risiken der Stammzelltransplantation.

 

Fragen  an  Prof.  Schneidawind

 

Prof. Schneidawind, welche Rolle spielen Stammzellen im Zusammenhang mit Leukämien?

Prof. Schneidawind: Leukämien sind bösartige Erkrankungen des blutbildenden Systems, also alles, was mit der Produktion von Blutzellen zusammenhängt. Sie nehmen mit dem Alter zu und gehen aus den unreifen Blutzellen hervor. Gesunde Stammzellen stehen am Anfang der Blutbildung und entwickeln sich zu den jeweiligen spezialisierten Blutzellen wie weisse und rote Blutkörperchen und Blutplättchen. Die Zellen der Blutbildung können aufgrund von Mutationen entarten und durch die daraus folgende massive und ungebremste Vermehrung die gesunden Blutzellen verdrängen.

 

Die Zellen der Blutbildung sind also bei einer Leukämie beschädigt und können keine funktionierenden weissen Blutzellen mehr produzieren. Nun können die fehlerhaften Zellen mit gesunden Stammzellen ersetzt werden. Wie funktioniert das?

Schneidawind: Mit einer Stammzelltransplantation können die beschädigten Zellen der Blutbildung mit denen einer gesunden Person ausgetauscht werden. Die neuen Blutstammzellen können dann wieder gesundes und normal funktionierendes Blut entwickeln.

Stammzelltransplantation bei Blutkrebs und Leukämien oder CLL AML

Wie läuft der Transplantationsprozess ab?

Schneidawind: Vor der Stammzelltransplantation erfolgt eine Chemotherapie, manchmal auch in Kombination mit einer Strahlenbehandlung. Sie soll das blutbildende Knochenmark, das für die Produktion von Blutzellen zuständig ist, von den kranken Blutzellen befreien. Dadurch entsteht Platz für die neuen gespendeten Blutstammzellen. Ganz wichtig zu erwähnen ist, dass im Rahmen dieser Behandlung auch das Immunsystem heruntergeschaltet werden muss. Andernfalls würde es die gespendeten Blutstammzellen gleich wieder abstossen. Ein entscheidender Vorteil der Stammzelltransplantation ist aber, dass sich aus den neuen Blutstammzellen auch ein neues Immunsystem entwickelt, das möglicherweise verbliebene Krebszellen bekämpfen kann. Die gespendeten Blutstammzellen werden ein bis zwei Wochen nach der Chemotherapie mittels einer Infusion verabreicht. Anschliessend folgen eine intensive Betreuung und Pflege zur Bewältigung der Nebenwirkungen.

 

Wann wird die Stammzelltransplantation bei einer Leukämie angewendet?

Schneidawind: Wir empfehlen dieses Vorgehen bei besonders aggressiven Formen von Leukämien und wenn die Heilungschancen damit grösser sind als ohne Transplantation. Hier handelt es sich beispielsweise um bestimmte akute Leukämien oder sogenannte Myelodysplastische Syndrome, welche sich mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zu einer Leukämie entwickeln. Allerdings ist die Transplantation nicht risikofrei und es kann auch Rückfälle geben.

«Ein entscheidender Vorteil der Stammzelltransplantation ist, dass sich aus den neuen Blutstammzellen auch ein neues Immunsystem entwickelt, das möglicherweise verbliebene Krebszellen bekämpfen kann.»

Prof. Schneidawind

Können Sie uns mehr zu den Risiken erzählen, die mit einer Stammzelltransplantation einher gehen?

Schneidawind: Das Hauptproblem ist immer noch der Rückfall, also dass die Leukämiezellen nach der Transplantation wieder im Körper der Patient*in auftreten und zu wachsen beginnen. Dieses Risiko hängt dabei stark von der Leukämie ab und wie gut sie auf die Vortherapie anspricht. Ein weiteres Problem ist die erhöhte Infektionsgefahr mit Bakterien, Pilzen und Viren, da das Immunsystem heruntergefahren ist. Darum befinden sich die Patient*innen während der Behandlung für zwei bis drei Wochen in einem grossen Zimmer mit einer Schleuse und Luftfiltern, die vor der Übertragung von Keimen schützen. Es werden auch prophylaktisch Antibiotika verabreicht. Trotz diesen Vorkehrungen sind sie nicht völlig isoliert, sondern erhalten viel Pflege, Physiotherapie und Besuche von Angehörigen. Das berühmte Sauerstoffzelt gehört der Vergangenheit an. Ein weiteres Problem kann der Angriff des neuen Immunsystems auf die Organe der empfangenden Person sein, die sogenannte Graft-versus-Host-Erkrankung. Alle Nebenwirkungen sind heute in der Regel gut beherrschbar und gehen vorbei.

 

Welche Personen kommen für eine Spende der Blutstammzellen in Frage?

Schneidawind: In der Regel werden Blutstammzellen von Geschwistern, die die gleichen HLA-Gewebemerkmale haben, bevorzugt. Ist dies nicht möglich, kann es auch eine Fremdspende von unverwandten HLA-identischen Personen sein. Eine wichtige Voraussetzung ist zudem die körperliche Fitness der Patient*innen. Unabhängig vom Alter kommen Personen nicht mehr für eine Blutstammzelltransplantation in Frage, wenn sie körperlich zu stark geschwächt sind, um eine Transplantation zu überstehen. Beim Erstgespräch werden die Betroffenen über die Belastungen, Risiken und Nebenwirkungen der Transplantation ausführlich informiert, sodass sich die Patient*in selbstbestimmt entscheiden kann.

Stammzelltransplantation bei Blutkrebs und Leukämien oder CLL AML

Welche Faktoren beeinflussen den Erfolg einer Stammzelltransplantation, wann kann von einer Heilung gesprochen werden?

Schneidawind: Je mehr Zeit nach der Transplantation verstrichen ist, desto geringer ist das Rückfallrisiko. Die meisten Rückfälle finden im ersten Jahr statt, einige auch noch im zweiten, ganz selten später. Nach rund 100 – 120 Tagen kehrt allmählich Normalität ein und die Immunsuppression wird langsam heruntergefahren. Bei einem idealen Verlauf gehen Betroffene nach etwa einem halben Jahr wieder arbeiten und das Leben nimmt seinen gewohnten Weg.

Entscheidend für den Erfolg der Transplantation ist eine sehr gute Information und Aufklärung der Patient*innen über den Ablauf und die intensive Nachsorge sowie der Einbezug des sozialen Umfeldes zur Unterstützung der Empfänger*innen. Dazu gehören bei Bedarf auch eine gute psychoonkologische Betreuung von Patient*innen und Angehörigen sowie der Einbezug der sozialen Dienste. Es geht nicht nur um die Behandlung von Leukämie und Knochenmark, sondern um den ganzen Menschen.

 

Welche Fortschritte bei der Stammzelltransplantationen können erwartet werden?

Schneidawind: Die Prognose wird sich weiter verbessern, weil die ganze Methode der Stammzellentransplantation sowie die Vortherapie und Nachsorge ständig verbessert, verfeinert und perfektioniert werden.

Thomas Ferber
Datum: 03.04.2024