Das Tumorboard: Gemeinsam für die beste Krebsbehandlung
Jede Krebserkrankung ist individuell und die Therapieoptionen müssen darauf abgestimmt werden. Der interdisziplinäre Austausch aller Fachdisziplinen am Tumorboard ermöglicht eine optimale Behandlung der Patient*in. ‹Leben mit Krebs› durfte am Tumorboard der Klinik Hirslanden teilnehmen.
Es ist Dienstag, kurz vor 17 Uhr in der Klinik Hirslanden Zürich – nach und nach finden sich Hämatolog*innen, Onkolog*innen, Radiolog*innen, Patholog*innen, ein Strahlentherapeut und ein Pflegefachmann physisch und online im Sitzungszimmer ein; es herrscht eine konzentrierte und doch lockere Atmosphäre. Eine Radiologin begutachtet die Röntgenbilder, der Hämatologe und Chairman des Tumorzentrums Prof. Dr. Christoph Renner wirft einen Blick auf seine heutigen Fälle. Dann geht’s los, das Tumorboard startet. «Wir treffen uns einmal wöchentlich zum Board und besprechen gemeinsam die Befunde unserer Patient*innen; wir stellen Diagnosen und einigen uns auf Therapieempfehlungen», erklärt mir Prof. Renner.
Gebündelte Expertise für die besten Therapieempfehlungen
Patient*innen sind in der Regel nicht anwesend, auch wenn sie prinzipiell dabei sein dürften. «Die vielen Fachbegriffe sind für Laien zumeist nicht verständlich und würden wohl eher für Verunsicherung sorgen», so Renner. An diesem Tag werden zehn Fälle diskutiert und individuelle Behandlungspläne festgelegt. Das oberste Ziel sei es, die beste Behandlung für die Patient*in zu finden. Und das gelinge im gemeinsamen Austausch, in der sogenannten Interdisziplinarität, sehr viel besser. «Die Medizin hat sich komplex entwickelt in den letzten Jahren und die Behandlung erfolgt nicht mehr nur in einer Fachdisziplin. Für eine optimale Betreuung muss die Patient*in deshalb von allen Seiten begutachtet werden», betont der Hämatologe. Am Tumorboard wird mir eindrücklich demonstriert, wie die Patient*in ins Zentrum gestellt wird. «Indem sich so viele verschiedene Fachdisziplinen mit dem einzelnen Fall beschäftigen, jeder nochmals ein Auge auf die Patient*in wirft und seine Expertise einbringt, gelingt am Schluss eine bestmögliche Therapieempfehlung», so Renner.
Die Medizin hat sich komplex entwickelt in den letzten Jahren und die Behandlung erfolgt nicht mehr nur in einer Fachdisziplin. Für eine optimale Betreuung muss die Patient*in deshalb von allen Seiten begutachtet werden
«Die Entscheidung liegt bei der Patient*in»
Am Tumorboard stellt Prof. Renner eine seiner Patientinnen vor; sie ist von einer chronischen Leukämie (CLL) betroffen. Da sie bereits im höheren Alter ist, keine Symptome hat und einen stabilen Verlauf aufweist, empfiehlt der Facharzt abzuwarten, «watch and see», nennt sich das. Die verschiedenen Disziplinen diskutieren kurz, ob gegebenenfalls ein neues Medikament ausprobiert werden könnte, dann wird Renners Vorschlag zugestimmt. In einem nächsten Schritt wird die Patientin von ihrem Arzt über die Empfehlung informiert werden, die letzte Entscheidung liegt dann bei ihr. «Wir entscheiden am Tumorboard nichts über den Kopf der Patient*in hinweg!», betont Prof. Renner. Dabei werde die Entscheidung der Patient*in immer respektiert, auch im Falle eines Behandlungsabbruchs. Ist es für ihn nicht schwierig, wenn sich seine Patient*in gegen eine lebensverlängernde oder gar heilende Therapie entscheidet? «Es ist das Leben der Patient*in, sie entscheidet in letzter Konsequenz. Das müssen wir Ärzte akzeptieren.» Selbstverständlich würden aber immer auch andere Behandlungsoptionen geprüft, etwa wenn jemand wegen starker Nebenwirkungen die Therapie abbrechen möchte. «Dann wird der Fall nochmals ins Tumorboard aufgenommen», so Prof. Renner. Schwierig sei für ihn oftmals die Anspruchshaltung der Angehörigen, wenn es keine medizinischen Behandlungsmöglichkeiten mehr gibt. Auch das werde dann am Tumorboard diskutiert.
Nicht immer sind sich die Spezialist*innen so schnell einig, wie im Fall der Leukämie-Patientin. «Es kommt immer wieder vor, dass wir uns untereinander uneinig sind. Dann werden die verschiedenen Optionen diskutiert – solange bis wir uns auf eine Behandlungsempfehlung einigen können. Dabei halten wir uns an die festgelegten Leitlinien», sagt Renner. In manchen Fällen käme es allerdings auch vor, dass der Patient*in gemäss Leitlinien zwei gleich gute Behandlungsvorschläge unterbreitet würden. Dann ist es Aufgabe der fallführenden Person, der Patient*in im persönlichen Gespräch bzw. unter Beizug der relevanten Fachkolleg*innen beide Möglichkeiten darzulegen und gemeinsam mit der Patient*in eine Option zu wählen.
Unklare Symptomatik
Bei einer Lymphom-Patientin, über die sich die Expert*innen am Tumorboard austauschen, ist unklar, woher die starken Rückenschmerzen kommen. Drückt ein Tumor auf die Nerven? Die beiden Radiologen begutachten nochmals die Bilder, die Pathologin erklärt, dass die Blutuntersuchungen unauffällig gewesen sind und man kommt zum Schluss, dass noch weitere Untersuchungen gemacht werden müssen. «In der Regel wird eine Patient*in erstmals nach der Diagnose im Tumorboard vorgestellt, dann nach erfolgter Operation und später, falls es zu einem Rückfall oder Nichtansprechen der Therapie kommt», erklärt Christoph Renner.
Nach gut einer Stunde sind alle Fälle besprochen und individuelle Therapieempfehlungen oder weiterführende Untersuchungen festgelegt. Die Expert*innen machen sich auf den Weg, um diese gebündelte Expertise der verschiedenen Fachdisziplinen ihren Patient*innen zu vermitteln.
Anmeldung zu den Tumorboards
Auch Mediziner*innen ausserhalb der Klinik Hirslanden und Klinik Im Park – Hausärzt*innen und Fachspezia-list*innen – können von der Expertise der interdisziplinären Tumorboards im Tumorzentrum Hirslanden Zürich profitieren. Sie haben die Möglichkeit, ihre Patient*innen zur Besprechung anzumelden oder aktiv an den Tumorboards teilzunehmen, um ihre Fälle persönlich vorzustellen. Die Teilnahme ist auch virtuell möglich.
Alle regelmässig stattfindenden Tumorboards mit Anmeldeformular
Datum: 18.10.2023
Im Tumorzentrum Hirslanden Zürich, das von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) als European Cancer Centre zertifiziert ist, erhalten Betroffene mit einer Krebsdiagnose eine fachübergreifende und ganzheitliche Behandlung. Hier ar-beiten Fachleute aus diversen medizinischen Fachrichtungen zusammen, um modernste und individuell abgestimmte Krebstherapien zu gewährleisten.
www.hirslanden.ch/tumorzentrum