Lisa Zungenkrebs
Für alle
Erfahrungsbericht

Zurück ins Leben – Lisas Weg nach Zungenkrebs

Lisa hat vieles hinter sich – Operationen, Therapien, Veränderungen, die man sieht und spürt. Und doch sagt sie ganz einfach: «Viel wichtiger ist für mich, dass es mir heute gut geht.»

Wie sie mit den sichtbaren Spuren ihres Mundhöhlenkrebses umgeht, welche Herausforderungen sie gemeistert hat und was ihr Lebensfreude gibt, erzählt sie in ihrer Geschichte.

 

«Ja, mein Aussehen hat sich verändert, aber hey, ich lebe und es geht mir gut. Das ist doch die Hauptsache – and makes me happy», sagt Lisa. Im Gespräch mit der 58-Jährigen fallen einem vor allem ihre lebendigen Augen und ihre Ausstrahlung auf – erst beim genaueren Hinsehen bemerkt man die Operationsnarbe im Kieferbereich und am Hals. Ihre leicht undeutliche Sprache verrät, welche Strapazen sie hinter sich hat.

«Ich habe nicht das Gefühl, dass meine Identität heute eine andere ist; ich fühle mich nicht anders, ich bin immer noch dieselbe Lisa», sagt sie gleich zu Beginn unseres Gesprächs. Lisa stammt aus Neuseeland, lebt aber seit 24 Jahren in Basel gemeinsam mit ihrem Ehemann. «Wir sind ursprünglich wegen unserer Jobs in die Schweiz gekommen, inzwischen sind wir pensioniert und haben uns hier ein schönes Leben eingerichtet», erzählt sie.

Eine grosse Leidenschaft der beiden ist das Reisen. Im letzten November verbrachten Lisa und ihr Mann zwei Wochen in Tahiti. Dort bemerkte sie eine Veränderung einer Aphthe unter der Zunge. Sie war jedoch nicht besorgt, denn in der Vergangenheit war sie ab und zu von solchen Aphthen geplagt worden. Aber diesmal hatte sie Schmerzen und Schwierigkeiten beim Essen. Die Schmerzen wurden schlimmer und folglich suchte Lisa das örtliche Spital auf. Dort gab man erst einmal Entwarnung; «das könnte auch einfach eine Entzündung sein», erinnert sie sich.

Zurück in Neuseeland, ihrem Heimatland, liess sie ihre Zunge biopsieren – und schnell wurde klar: Es ist tatsächlich Krebs, ein Befund, der ihr Leben von Grund auf verändern sollte.

Lisa nach Operation wegen Zungenkrebs

Lisas Narben lassen erahnen, was sie durchgemacht hat.

Plattenepitelkarzinom der Mundhöhle

Lisa und ihr Mann entschieden sich daraufhin, sofort in die Schweiz zurückzukehren, um die weiteren Untersuchungen und die Behandlung am Universitätsspital Basel durchführen zu lassen – kurz vor Weihnachten. «Ein denkbar blöder Zeitpunkt», sagt Lisa mit einem Schmunzeln. Die Diagnose bestätigte sich: Plattenepitelkarzinom der Mundhöhle, bereits fortgeschritten, ein T3-Karzinom mit mehreren befallenen Lymphknoten am Hals. «Für mich war die Diagnose ‹okay›, schockiert oder zerstört war ich nicht – obwohl meine Grossmutter am gleichen Krebs gestorben ist. Ausserdem ging alles so schnell, dass ich kaum Zeit hatte, mir Gedanken zu machen», erzählt sie. Zugleich fühlte sie sich medizinisch in den besten Händen: «Und das half».

Für die behandelnden Ärztinnen und Ärzte war klar: Eine sofortige Operation war unumgänglich. Unter der Leitung von Prof. Florian Thieringer und PD Dr. Dr. Lukas Seifert aus der Klinik für Mund-, Kiefer-und Gesichtschirurgie am Unispital Basel erfolgte am 17. Dezember die Operation: Ein grosser Teil der Zunge musste reseziert, der Unterkiefer temporär eröffnet und die Lymphknoten auf beiden Halsseiten entfernt werden. Die plastische Chirurgie übernahm die Rekonstruktion mit einem Gewebetransplantat vom Oberschenkel, um die Funktion der Zunge wiederherzustellen. «Eine riesige Operation – daran war ein interdisziplinäres Team mehrerer Fachrichtungen beteiligt», berichtet Lisa. «Ich bin Ihnen sehr dankbar».

Zungenkrebsbetroffene Lisa

Lisa auf einem Spaziergang in ihrer Wahlheimat Basel

Der erste Blick in den Spiegel

Die Operation verläuft erfolgreich, doch schon davor bereiteten die Ärzte Lisa auf einen langen Weg vor: «Stellen Sie sich darauf ein, was auf Sie zukommt – es wird kein Sprint, sondern ein Marathon». Sie sollten recht behalten. In den ersten sieben Monaten konnte Lisa nicht normal essen und musste per Magensonde ernährt werden. Die Zeit nach der Operation war von starken Beschwerden begleitet. Sie war insgesamt neun Wochen im Spital.

Bei all dem erinnert sich Lisa an ihren ersten Blick in den Spiegel: «Es ging in diesem Moment nur darum, dass ich wieder gesund werde. Mein Spiegelbild war mir nicht so wichtig». Sie betont, dass es für jüngere Frauen sicherlich schwerer sein muss, mit dem veränderten Erscheinungsbild klarzukommen. Eine besonders grosse Stütze ist für Lisa in der ganzen Zeit ihr Ehemann, der nicht von ihrer Seite weicht. Zudem tauscht sie sich mit Leidensgenossinnen in der Selbsthilfegruppe «Young Tongues» aus (www.youngtonguesglobal.com).

Da Lisas Lymphknoten teilweise vom Tumor befallen waren, folgte nach der Operation eine siebenwöchige Radiochemotherapie, die sie glücklicherweise relativ gut vertragen hat. Sie kommt alle drei Monate zur Nachkontrolle ins Unispital Basel und hat Logopädie und Physiotherapie. «Es geht mir wirklich gut. Acht Monate nach der Operation wurde meine Magensonde entfernt und das Essen und das Sprechen wird von Woche zu Woche leichter. Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis der Rekonstruktion», berichtet sie.

Was Lisa besonders auszeichnet, ist ihre Lebensfreude und Akzeptanz: «Ich habe mein verändertes Aussehen angenommen. Ich hadere nicht damit und geniesse mein Leben weiter. Manche Leute schauen mir zwar nach; aber das ist ihr Problem, nicht meines. Ich bin im Reinen mit mir.»

Mehr zur Gesichtsrekonstruktion nach einer Tumorentfernung erfährst du im Interview mit Lisas behandelndem Arzt, PD Dr. Seifert vom Universitätsspital Basel. Hier geht es zum Interview. 

Anna Birkenmeier
Datum: 14.10.2025