Angst vor Chemotherapie bei Prostatakrebs
Prostatakrebs
Nebenwirkungen

«Keine Angst vor der Chemo­therapie beim Prostata­karzinom!»

Angst vor Chemotherapie bei Prostatakrebs Katharina Hoppe

Dr. med. Katharina Hoppe
Oberärztin i.V.
Klinik für Medizinische Onkologie
Stadtspital Triemli, Zürich

Eine Chemotherapie beim Prostatakarzinom gilt noch immer als wichtiger Pfeiler in der Behandlung. Dank neuen Therapien gegen die Nebenwirkungen, kann meist eine gute Lebensqualität erreicht werden.

Warum ist die Chemotherapie immer noch ein wichtiger Pfeiler der Behandlung eines Prostatakarzinoms?

Dr. Katharina Hoppe: Obschon es inzwischen eine Vielzahl an anderen wirksamen Therapien gibt, ist die Chemotherapie nach wie vor ein wichtiger Pfeiler in der Behandlung. Sie wirkt und verlängert statistisch die Lebenszeit.

 

Die Betroffenen fürchten zumeist die Nebenwirkungen, die während einer Chemotherapie auftreten können. Welche sind das?

Dr. Hoppe: Ob die Patienten von Nebenwirkungen betroffen sind und wie stark diese ausgeprägt sind, ist sehr individuell. Mögliche Nebenwirkungen können Blutbildveränderungen mit erhöhter Infektionsanfälligkeit und Blutarmut, Veränderungen der Schleimhäute, Durchfall, Übelkeit, Nagelveränderungen und Polyneuropathie (Kribbelgefühl in den Händen) sein. Ausserdem kann sich Fatigue, eine bleierne Müdigkeit, entwickeln. Diese kann durch die Erkrankung selbst und auch durch die Therapie ausgelöst werden. Generell sind die Möglichkeiten zur Behandlung der Nebenwirkungen heute viel besser geworden und damit häufig auch die Verträglichkeit der eingesetzten Chemotherapeutika.

 

Warum treten Nebenwirkungen bei Chemotherapien auf?

Dr. Hoppe: Die Chemotherapie wirkt auf das Wachstum und die Vermehrung von Zellen und richtet sich folglich auch gegen die guten Zellen im Körper. Besonders angegriffen werden Zellen, die sich sehr schnell teilen, wie Blutzellen oder Schleimhautzellen.

 

Gibt es Prophylaxemöglichkeiten, damit es erst gar nicht zu Nebenwirkungen kommt?

Dr. Hoppe: Es gibt inzwischen sehr gute Medikamente gegen die Übelkeit, welche bereits als Prophylaxe eingenommen werden können. Auch empfehlen wir weitere, einfache Massnahmen wie Mundspülungen gegen Schleimhautreizungen, intensive Hautpflege oder Kühlkappen gegen Haarausfall während der Infusion.

 

Welche Möglichkeiten gibt es, um Nebenwirkungen zu bekämpfen?

Dr. Hoppe: Wichtig ist, dass die Patienten aufgeklärt werden hinsichtlich möglicher Nebenwirkungen und dem Umgang damit. Bei Fatigue raten wir, trotzdem aufzustehen und im machbaren Rahmen sportlich aktiv zu bleiben – auch wenn das oft schwerfällt. Bei Nagelveränderungen gibt es zum Beispiel einen speziellen Nagellack.

Die meisten Nebenwirkungen sind reversibel. Allerdings braucht es Zeit und das normale Leben beginnt nicht am Tag der letzten Chemo.

Dr. Katharina Hoppe

Treten Nebenwirkungen während der ganzen Therapiedauer auf, oder gibt es innerhalb eines Zyklus auch gute Phasen?

Dr. Hoppe: Das kommt sehr auf die Nebenwirkungen an. Die Übelkeit ist, wenn sie auftritt, meist in den ersten Tagen nach der Chemo am stärksten, Fatigue hingegen nimmt eher im Laufe der Therapiezyklen zu. Ich empfehle den Patienten mit dem ‘Flow’ zu gehen, die guten Tage zu nutzen und die schlechten Tage vorübergehen zu lassen. Wichtig ist, dass die Patienten über sogenannte «red Flags» (Alarmzeichen) aufgeklärt werden. Dazu gehören etwa Fieber, Schmerzen oder Schwellungen. Treten solche Symptome auf, sollte dringend ein Arzt aufgesucht werden.

 

Können Sport, Ernährung oder auch andere Anpassungen im Alltag helfen, eine Chemotherapie besser zu vertragen?

Dr. Hoppe: Bewegung und Sport bringen auf jeden Fall sehr viel und steigern das Wohlbefinden. Ebenso rate ich den Patienten zu Aktivitäten, die ihnen Freude bereiten und woraus sie Kraft schöpfen können. Das hilft auch der Psyche. Bei der Ernährung empfehle ich, auf alles Extreme, wie zu heisse, kalte oder scharfe Speisen zu verzichten. Es ist ein Herantasten, was man gut verträgt; im Vordergrund sollte aber auf jeden Fall eine ausgewogene Ernährung stehen. Auf Alkohol sollte möglichst verzichtet werden, viele Patienten haben während der Chemotherapie meist keine Lust darauf– der Geschmack verändert sich.

 

Welche Befürchtungen äussern Patienten in Bezug auf eine Chemotherapie und was raten Sie, um diese Ängste zu bewältigen?

Dr. Hoppe: Das ist bei den einzelnen Patienten sehr unterschiedlich und kommt auch darauf an, was sie bei Angehörigen oder im Freundeskreis erlebt haben. Eine gute Patientenschulung, Informationen und die Aufklärung über vorübergehende Veränderungen sind daher zentral! Viele Patienten treibt die Angst um, dass es ihnen schlecht gehen wird und dass sie ihren Alltag nicht mehr bewältigen können. Auch die Sorge vor Übelkeit ist weit verbreitet. Andere Patienten haben keine Befürchtungen und sind dann sehr überrascht, wenn Nebenwirkungen auftreten.

 

Gibt es «Tricks», um die Chemotherapie psychisch besser zu überstehen?

Dr. Hoppe: Das ist von Patient zu Patient sehr unterschiedlich. Manche verdrängen es und haben die Einstellung `Augen zu und durch’; sie sehen das Ziel vor Augen. Wiederum andere sehen sich als Kämpfer. Ich habe einen Patienten, der seinen Krebs als Mitbewohner betrachtet. In jedem Fall empfehle ich, sich Hilfe zu suchen, zum Beispiel bei der Krebsliga, beim Austausch mit anderen Betroffenen oder bei speziellen Sportprogrammen. Tendenziell ist mein Eindruck, dass jene Patienten, die sich mit der Krankheit auseinandersetzen, die Erkrankung und Therapie psychisch besser verkraften.

 

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Ist ein «normales» Leben nach der Chemo wieder möglich?

Dr. Hoppe: Auf jeden Fall! Die meisten Nebenwirkungen sind reversibel. Allerdings braucht es Zeit und das normale Leben beginnt nicht am Tag der letzten Chemo. Vielmehr ist es ein Prozess und der Körper braucht Zeit zur Erholung. Wichtig ist es, auch in der Zeit nach der Chemo Geduld mit sich selbst zu haben und im Rahmen der Möglichkeiten aktiv zu sein.

 

Gibt es eine Patientengeschichte, die Ihnen, hinsichtlich dem Umgang mit der Chemotherapie, in besonderer Erinnerung geblieben ist?

Dr. Hoppe: Ein 72-jährier Patient mit Prostatakarzinom hat die Chemotherapie jeweils in Abschnitte eingeteilt und nach der Hälfte der Zeit ein ‘Bergfest’ gefeiert. Er hat sich auf die guten Tage fokussiert, diese strukturiert und sich an kleinen Dingen, wie etwa an seinem Garten gefreut.

 

 

Dieses Interview wurde finanziell von Bayer (Schweiz) AG unterstützt, wobei Bayer keinen Einfluss auf den Inhalt des Interviews hatte. Das Interview wurde von Frau Anna Birkenmeier im Namen der Content Club GmbH durchgeführt. Der Interviewpartner erhielt kein Honorar für das Interview.

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Journalistin: Anna Birkenmeier
Datum: 01.11.2023