Die Behandungsoptionen von Gliomen
Hirntumor
Therapien

Behand­lung von Gliomen – die Neuro­chirurgie hat sehr grosse Fort­schritte gemacht

Prof. Dr. med. Philippe Schucht
Stv. Chefarzt
Leiter Neuroonkologie
Inselspital Bern

Gliome sind bösartige Hirntumoren, die sich sehr unterschiedlich entwickeln können. Je nach Grad der Aggressivität des Tumors sind schon heute erfolgreiche Behandlungen möglich. Eine immer bessere Unterscheidung von gesundem und krankem Hirngewebe soll die Operationsmethode und die Prognose weiter verfeinern, sagt der Neurochirurg Prof. Philippe Schucht.

Im  Gespräch  mit Prof.  Schucht

Prof. Schucht, was können Sie zur Prognose und Behandlung von Gliomen sagen?

Prof. Schucht: Niedriggradige Gliome haben eine bessere Prognose, sofern sie frühzeitig erkannt und behandelt werden. Bei frühzeitiger und radikaler Operation kann in Einzelfällen sogar eine Heilung erreicht werden. Wird jedoch zu lange zugewartet, kann das Gliom bösartig werden und die Behandlung wird schwieriger. Im Gegensatz zu anderen Tumoren metastasieren Gliome jedoch nicht in andere Organe.

 

Welche Rolle spielt die Operation als Behandlungsmethode?

Schucht: Die Operation ist der erste und häufig entscheidende Schritt der Behandlung. Heute sind modernste Operationsmethoden mit hochauflösenden Mikroskopen Standard. Sie erlauben eine präzisere Entfernung des kranken Gewebes. Trotzdem bleibt als zentrales Thema der Kompromiss zwischen maximaler Tumorentfernung und dem Erhalt wichtiger Hirnfunktionen.

Bei bösartigen Tumoren kann durch radikale Entfernung und weitere Therapie selten eine Heilung erzielt werden. Der Grund dafür liegt in der Ausbreitungsart des Glioms. Es infiltriert das umliegende Hirngewebe. Dabei bildet es keine klar sichtbare Grenze zum gesunden Gewebe. Somit stellt sich immer die Frage, wie weit die Chirurgie gehen darf, ohne dass Gewebe entfernt wird, das für die Hirnfunktion und damit Lebensqualität der Betroffenen Patient innen wichtig ist. Die individuellen Wünsche der Patienten stehen im Vordergrund. Auch wenn die Überlebenszeit begrenzt bleibt, kann die Operation die Lebensqualität verbessern und das Überleben teils um mehrere Jahre verlängern.

Bei niedriggradigen Gliomen kann eine frühzeitige Operation sogar eine Heilung oder eine chronisch gut kontrollierbare Erkrankung ermöglichen.

Gliome sind Hirntumore

Werden Bestrahlung und Chemotherapie auch bei den Gliomen eingesetzt?

Schucht: Ja, genau. Die Bestrahlung eignet sich vor allem für Zellen, die sich teilen. Da sich die Nervenzellen im Gehirn nicht teilen, werden sie bei der Bestrahlung weitgehend geschont. Daher wird nach Operationen häufig bestrahlt, um verbliebene Tumorzellen zu bekämpfen.

Die klassischen Chemotherapien wirken allgemein und haben sowohl eine Wirkung gegen den Tumor wie auch gegen Nebenwirkungen.

Modernere Medikamente sind hingegen gezielt eingesetzte Medikamente, die nur auf das Krebsgewebe gerichtet sind. Erste solche Medikamente wurden kürzlich für niedriggradige Gliome erhältlich, mit denen der Tumor potentiell für Jahre kontrolliert werden kann.

 

Gibt es neben den klassischen Behandlungsmethoden auch innovative Behandlungsansätze?

Schucht: Hier ist die Methode «Tumor Treating Fields» zu nennen. Diese Behandlungsart setzt auf Magnetfelder, welche die Zellteilung der Tumorzellen direkt stören. Sie hat bereits gezeigt, dass sie das Überleben von Patient innen mit bösartigen Gliomen um mehrere Monate verlängern kann. Die Anwendung erfordert jedoch gewisse Anpassungen im Alltag, da die Therapie nur mit rasiertem Schädel durchgeführt werden kann. Für viele Betroffene ist dies jedoch mit Veränderungen im Lebensstil und dem Verlust der Haare verbunden, was als Belastung empfunden werden kann.

«Auch wenn schon viel erreicht wurde – bei Diagnostik, Therapie und Lebensqualität – gibt es noch grosses Potenzial.»

Prof. Philippe Schucht

Die Therapie oder die Auswirkungen von Gliomen können das Gehirn in seiner Funktion beeinträchtigen. Wie können Patienten damit umgehen?

Schucht: Viele Betroffene leiden unter Symptomen wie Krampfanfällen, Müdigkeit oder kognitiven Einschränkungen. Technologische Hilfsmittel erlauben uns heute, den Tumor viel präziser zu entfernen. Durch diese präziseren Operationen können sehr viele Symptome vermieden werden.

Für eine erfolgreiche Alltagsbewältigung ist die Mithilfe des sozialen Umfelds und die Entstigmatisierung der Erkrankung entscheidend. Bei berufstätigen Patientinnen ist die Unterstützung durch den Arbeitgeber eine wertvolle Hilfe, um sich im Berufsalltag zurecht zu finden. Sehr wertvoll sind die psychologische Begleitung sowie Physio-, Ergo-und Logopädie. Besonders bei jüngeren Patienten erleichtert die Lernfähigkeit des Gehirns, verlorene Fähigkeiten wieder aufzubauen.

 

Welche Entwicklungen geben Hoffnung für die zukünftige Behandlung von Gliomen?

Schucht: In den kommenden Jahren erwarten wir weitere technologische Fortschritte in der Neurochirurgie. Ziel bleibt es, Tumorgewebe noch gezielter zu entfernen und gesundes Hirngewebe besser zu schützen. Neue Forschungsansätze, wie etwa das auf künstlicher Intelligenz basierte HORAO-Projekt bei uns am Inselspital, arbeiten an innovativen Methoden zur Darstellung von Hirnzellen während der Operation. Solche Technologien könnten Eingriffe künftig noch sicherer machen.

Auch wenn schon viel erreicht wurde – bei Diagnostik, Therapie und Lebensqualität – gibt es noch grosses Potenzial. Die Forschung lebt zudem vom Engagement der Patientinnen, die an Studien teilnehmen und so wesentlich zu den Entwicklungen der Zukunft beitragen.

Thomas Ferber
Datum: 03.10.2025