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Urologischer Krebs
Therapien

Blasen­karzinom – Viele Be­handlungs­möglich­keiten und neue Medi­kamente

Blasenkarzinom Behandlungsmöglichkeiten Expertin Janine Langenauer

Dr. Janine Langenauer
Oberärztin i.V.
Leiterin Urologie Rorschach
Kantonsspital St. Gallen

Die Prognose beim Blasenkarzinom hat sich in den letzten Jahren laufend verbessert. Heute haben drei von vier Betroffenen eine sehr gute Prognose.

Dr. Langenauer, was ist ein Blasenkarzinom?

Dr. Janine Langenauer: Es handelt sich dabei um eine bösartige Neubildung der Blasenschleimhaut. Man unterscheidet zwischen muskelinvasiven und nicht-muskelinvasiven Karzinomen. Beim nicht-muskelinvasiven Blasenkrebs verweilt der Tumor oberflächlich in der Schleimhaut oder der darunter liegenden Schicht. Beim muskelinvasiven Karzinom ist der Tumor bereits in die Muskulatur der Blase eingewachsen.

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es beim nicht-muskelinvasiven Blasenkarzinom?

Langenauer: Zuerst wird der Tumor von der Blaseninnenseite her via Harnröhre entfernt, zusammen mit der betroffenen Schleimhaut. Anschliessend wird in gewissen Fällen über einen Blasenkatheter ein flüssiges Arzneimittel, ein Chemotherapeutikum, verabreicht. Damit sollen Krebszellen, die eventuell noch in der Blasenschleimhaut verblieben sind, abgetötet werden.

 

Ist damit die Behandlung abgeschlossen? Sind die Patient*innen dann geheilt?

Langenauer: Wenn der Tumor sehr oberflächlich lag und die Krebszellen noch keinen hohen Grad an Bösartigkeit aufwiesen, ist die Behandlung damit abgeschlossen.

Hatten die Tumorzellen jedoch schon einen höheren Entartungsgrad oder war der Tumor schon etwas tiefer eingewachsen, dann folgt 4 – 6 Wochen später ein zweiter Eingriff über die Harnröhre. Erfahrungsgemäss kann in der Hälfte der Fälle nicht das gesamte Tumorgewebe während der ersten Operation entfernt werden. Insbesondere am Tumorrand und am Tumorgrund können noch Krebszellen verbleiben.

Bei diesem Eingriff wird auch oberflächlich Muskelgewebe entfernt. Dadurch können wir beurteilen, ob der Tumor in den Muskel eingewachsen ist oder nicht. Bleibt der Tumor nicht-invasiv, also nicht eingewachsen, dann folgen im weiteren Behandlungsverlauf sogenannte BCG-Instillationen.

 

Was sind BCG-Instillationen?

Langenauer: Bacillus-Calmette-Guérin, abgekürzt BCG, sind lebende Bakterien, die über einen Blasenkatheter in die Blase eingebracht werden. Diese Bakterien führen zu einer gewollten örtlichen Entzündung. Dadurch werden körpereigene Abwehrzellen mobilisiert, die gezielt Blasentumorzellen angreifen. Das Wiederauftreten eines Tumors soll so verhindert werden. Zusätzlich werden regelmässige Blasenspiegelungen durchgeführt, um keine Neubildungen zu verpassen.

Derzeit laufen viele Studien in der Absicht die Behandlungsaussichten und die Prognose weiter zu verbessern.

Dr. Janine Langenauer

Wie ist die Lebensqualität der Betroffenen während der Behandlung?

Langenauer: Bei diesen nicht-invasiven Formen ist die Lebensqualität meistens sehr gut. Allerdings können die Instillationen teilweise zu störenden Nebenwirkungen führen, die sich wie eine Blasenentzündung anfühlen. Diese Begleiterscheinungen sind jedoch positive Zeichen für das Ansprechen der Therapie und für die immunologische Reaktion des Körpers. Selten kann ein schweres Fieber auftreten, das zum Behandlungsabbruch führt. Es gibt aber Alternativen mit Zytostatikalösungen oder Immuntherapeutika, um die Instillationen fortsetzen zu können.

 

Wie ist die Prognose beim nicht-invasiven Blasenkrebs?

Langenauer: Die Prognose richtet sich nach dem Tumorrisiko. Doch sie ist nicht zuletzt auch von den Risikofaktoren abhängig, wie beispielsweise Rauchen, Einwirkungen von berufsbedingten Umweltgiften oder Bestrahlungsfolgen infolge anderer Tumorerkrankungen im kleinen Becken. Ein Rauchstop verbessert die Prognose. Betroffene mit nicht-muskelinvasiven Tumoren ohne Metastasen zeigen eine Überlebensrate von fast 100 % nach fünf Jahren.

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es beim muskelinvasiven Blasenkarzinom?

Langenauer: Beim Mann wird die Harnblase samt Prostata und Samenblase entfernt und bei der Frau nebst der Harnblase auch Eierstöcke und die Gebärmutter. Bei jüngeren Patient*innen gibt es häufig Abstufungen, um die reproduktiven Organe zu schonen. Befindet sich der Tumor am Blasendach, ist auch eine Teilentfernung möglich. Neu gibt es in bestimmten Fällen blasenerhaltende «Trimodale Therapien.» Hierbei wird der Tumor via Harnröhre entfernt, gefolgt von Chemotherapie und Bestrahlung.

 

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Welchen Einfluss hat die Entfernung der Blase auf die Lebensqualität von Betroffenen?

Langenauer: Durch die Entfernung der Harnblase ändert sich vieles, so ist insbesondere die Sexualfunktion betroffen. Darüber hinaus müssen sich die Patientinnen und Patienten mit ihrer neuen Lebenssituation auseinandersetzen. Bei einer inkontinenten Harnableitung müssen sie lernen, sich mit einem Urostoma zu arrangieren, während bei einer Neoblase die regelmässige Blasenentleerung oder der Selbstkatheterismus erforderlich sind. Durch eine multidisziplinäre Betreuung können jedoch viele Betroffene trotz der Harnblasenentfernung eine gute Lebensqualität erreichen. Studien haben gezeigt, dass sowohl bei einer inkontinenten als auch bei einer kontinenten Ableitung eine vergleichbar hohe Lebensqualität erzielt werden kann.

 

Wie ist die Prognose beim muskelinvasiven Blasenkrebs?

Langenauer: Die Prognose ist in den letzten Jahren definitiv besser geworden und knapp sechs von zehn Patient*innen sind nach zehn Jahren noch am Leben, sofern keine Metastasen auftreten. Chemotherapien, welche vor einer Operation verabreicht werden, tragen dazu bei, die Prognose zu optimieren. Nach der Operation kann entweder eine Chemotherapie oder bei gewissen Betroffenen eine Immuntherapie erfolgen. Derzeit laufen viele Studien in der Absicht die Behandlungsaussichten und die Prognose weiter zu verbessern.

Journalist: Thomas Ferber
Datum: 01.11.2023