Brustkrebs Breast Care Nurse ist der Coach
Brustkrebs
Erfahrungsbericht

«Wir sind der Coach und unter­stützen die Patientin auf dem gesamten Behandlungs­pfad»

Von der Diagnose bis zur Nachsorge ist die Breast Care Nurse für die Brustkrebspatientin da. Sie begleitet und unterstützt, schafft Sicherheit und vermittelt.

Maya Müller und Anke Langer, Sie sind beide Breast Care Nurses. Was genau machen Sie?

Maya Müller: Die Breast Care Nurse ist eine spezialisierte Pflegefachfrau mit onkologischer Zusatzausbildung im Bereich Brustkrebs. Wir beraten und begleiten Frauen mit Brustkrebs in allen Phasen der Erkrankung bis hin zur Nachsorge. Wir gehen auf ihre Ängste und Sorgen ein, suchen aber auch nach Gesundheitsressourcen und Energiequellen

Anke Langer: Wir sind der Coach und unterstützen die Patientin auf dem gesamten Behandlungspfad, kennen weiterführende Angebote und Ansprechpartner. Wir verfügen über verschiedene Netzwerkpartner, so beispielsweise die Krebsliga mit dem psychoonkologischen und sozialen Dienst, Ernährungsberatung, Physiotherapie oder Fachgeschäften für Brustprothetik. Ziel ist, dass sich die Patientin zurücklehnen und voll auf ihre Genesung konzentrieren kann. Unsere Begleitung soll bewirken, dass sie mehr Sicherheit und Wohlbefinden in dieser schwierigen Situation hat.

 

In England existiert die Breast Care Nurse schon seit den 1980er Jahren, in der Schweiz hat sie sich erst vor ein paar Jahren als anerkanntes Mitglied eines multidisziplinären Teams etabliert. Weshalb ist die Spezialisierung so wichtig?

Langer: Die Frauen befinden sich in einer extrem belastenden Situation, sehen sich mit Körperbildveränderungen und psychologischen Herausforderungen konfrontiert. Wir gehen auf diese Aspekte ein und nehmen uns Zeit für die Patientin.

Müller: Die Rolle der Breast Care Nurse wurde entwickelt, um die unmittelbare pflegerische Begleitung von Frauen mit Brustkrebs und ihre Angehörigen zu verbessern und zu intensivieren. Zeit ist dabei ein wichtiger Faktor. Wir haben jeweils 45 Minuten für ein Gespräch und besprechen bei Bedarf auch Arztberichte und histologische Befunde. Oft brauchen Patientinnen nämlich mehr Zeit, um alles zu verarbeiten.

 

Maya Müller und Anke Langer, Breast Care Nurses, Brust-Zentrum Zürich

Wie gehen Sie mit schwierigen Situationen in Ihrem Berufsalltag um?

Langer: Ich ändere meine Sichtweise. Meine Intention ist nicht, den Frauen die Krankheit abzunehmen, sondern ihnen so gut wie möglich zu helfen, durch den Prozess hindurchzukommen. Ich begebe mich auf die Ebene der Patientin und suche gemeinsam mit ihr nach Lösungen.

Müller: Wir haben sehr viele junge Frauen am Brustzentrum und da bekomme ich immer wieder die Frage gestellt: «Kommt der Krebs zurück?». Der Umgang mit der «Rezidivangst» ist ein schwieriges Thema und wir können darauf keine befriedigende Antwort liefern. Ebenso ist die Diagnostikphase sehr anspruchsvoll. Die Ungewissheit, was noch alles kommen wird, ist schwer. In dieser Phase brechen oft viele Emotionen, manchmal auch Aggressionen auf.

 

Wie gehen Sie mit kulturellen Unterschieden und sprachlichen Barrieren um?

Langer: Ich passe mich der Situation an und begebe mich auf die Ebene meines Gegenübers. Das funktioniert immer. Die sprachliche Barriere kann eine Herausforderung sein. Zwar bringen die Patientinnen eine Übersetzer*in mit, jedoch ist nicht immer klar, was tatsächlich bei der Patientin ankommt. Die Fremdsprache schafft oft eine gewisse Distanz.

Müller: Vor kurzem hatte ich eine Patientin, die ihren Sohn als Übersetzer mitgebracht hat. Sexuelle Themen konnte ich vor ihm nicht ansprechen, obschon das eigentlich wichtig gewesen wäre.

 

Welches sind die schönen Seiten an Ihrem Beruf?

Müller: Die Vielfältigkeit des Lebens, das Spektrum an Kulturen, Lebensformen und Einstellungen faszinieren mich immer wieder. Zu sehen, wie mutig und kämpferisch diese Frauen sind, ist extrem bereichernd; ich lerne täglich von ihnen. Zu erleben, wie die Frauen nach unserem Gespräch zuversichtlich und gestärkt aus dem Raum gehen, ist der Sinn meiner Arbeit.

Langer: Ich finde es faszinierend, wieviel sich in den letzten Jahren in der Medizin gewandelt hat und wie sich onkologische Therapien, Begleitmedikationen und Operationsergebnisse verbessert haben.

 

Brustkrebs Breast Care Nurse Bild

Ist der Umgang mit der Krankheit bei jeder Frau ähnlich oder zeigen sich hier grosse Unterschiede?

Müller: Es gibt festgelegte Phasen, die man auch im Lehrbuch nachlesen kann und die bei fast allen Frauen eintreffen. Verena Kast, eine Psychologin, beschreibt vier Phasen in der Trauerverarbeitung: Nicht-wahrhaben wollen, aufbrechende Emotionen, Suchen, Finden, Sich trennen und Neuer Selbst- und Weltbezug. In der Krise denken manche Frauen über ihr Leben nach, reflektieren, was ihnen gut tut und was nicht und passen eventuell gewisse Verhaltensweisen an. Die meisten Frauen beschreiben, dass sie durch die Krise innerlich gewachsen sind.

 

Haben Sie eine Geschichte, die Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben ist?

Langer: Ich betreue aktuell eine Patientin, die während der Schwangerschaft an Brustkrebs erkrankt ist und mit Chemotherapie starten musste. Dabei verhindert die Plazentaschranke, dass gewisse Chemotherapeutika zum Baby durchdringen. Sie hat ihr Kind vor wenigen Tagen entbunden, macht jetzt eine kurze Chemopause und bekommt dann jene Therapie, die man ihr in der Schwangerschaft nicht verabreichen durfte. Diese Frau beeindruckt mich, weil sie mit sehr viel Positivität durchs Leben geht. Zugleich fasziniert mich, was der Körper schafft: da ist einerseits das wachsende Leben, andererseits leitet die Chemotherapie den Zelltod ein – der Körper weiss dies genau zu trennen.

Müller: Ich betreue eine Frau, die in einer schwierigen Lebenssituation ist: sie hat sich von ihrem Mann getrennt, ist arbeitslos und an Brustkrebs erkrankt. Sie ist durch all die Therapien gegangen, hat sich eine neue Arbeitsstelle gesucht und kämpft sich zurück ins Leben.

 

 

CH-UNB-0354

Journalistin: Anna Birkenmeier
Datum: 20.04.2023