
Darmkrebs und Ernährungsberatung als siamesische Zwillinge

Bei Darmkrebs spielt die Ernährungsberatung eine entscheidende Rolle bei der Behandlung und Nachsorge. Ein guter Ernährungszustand kann die Krankheitsprognose verbessern, erklärt Ernährungsexpertin Dr. med. Silke Klapdor vom Kantonsspital Luzern.
Frau Dr. Klapdor, welche Rolle spielt die Ernährung bei Darmkrebs?
Dr. Klapdor: Ballaststoffarme, fettreiche Ernährung und vor allem ein hoher Anteil von rotem Fleisch wird heute mit Darmkrebs in Verbindung gebracht. Auch der Konsum von verarbeitetem Fleisch und ein geringer Anteil an Gemüse werden als Risikofaktoren für das kolorektale Karzinom angesehen. In meiner Beratung lege ich grossen Wert darauf, dieses Wissen weiterzugeben und den Patient*innen praxisnahe Empfehlungen für eine darmkrebsbewusste, gesunde Ernährung aufzuzeigen.
Es kommt vor, dass Betroffene sich selbst die Schuld an ihrem Darmkrebs geben, aufgrund vermeintlich falscher Ernährung. Was sagen Sie diesen Betroffenen?
Klapdor: Ich erkläre den Betroffenen immer, dass sehr viele Faktoren zur Entstehung von Tumoren beitragen können. Die Ernährung ist ein Puzzleteil davon. Allerdings kann die Umstellung auf eine gesunde Ernährung den weiteren Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen.
Wie sollte die Ernährung nach einer Darmoperation angepasst werden?
Klapdor: Prinzipiell ist es wichtig, den Betroffenen zu erklären, dass Ernährungstherapie bereits vor der Operation anfängt (perioperativ). Ein guter Ernährungszustand vor der Operation, bzw. die Optimierung des Ernährungszustand vor einer Operation , kann die Komplikationsrate und auch die Heilungschancen positiv beeinflussen – auch für diejenigen, die zuerst eine Chemotherapie bekommen. Nach erfolgter Operation sollte der Kostaufbau möglichst zügig beginnen, damit der Darm wieder zu arbeiten anfängt. Das heisst, dass lange Nüchternphasen vermieden werden sollten.
Wie können Betroffene Verdauungsprobleme wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfung nach der OP lindern?
Klapdor: Dazu gibt es keine pauschalen Ratschläge. Es kommt sehr darauf an, welche Operation durchgeführt worden ist, wieviel Darm entfernt worden ist und ob ein künstlicher Darmausgang (Stoma) angelegt wurde. Es ist auch sehr individuell, welche Nahrungsmittel Patient*innen nach einer Operation vertragen. Darum ist es tatsächlich sehr wichtig, die Ernährungsberatung mit einzubeziehen und individuell an die Bedürfnisse und Umstände der Patient*innen anzupassen. Bei Symptomen wie Blähungen, Durchfall oder Verstopfungen sollte genau darauf geachtet werden, welche Lebensmittel gut vertragen werden und welche möglicherweise gemieden werden sollten. Zudem können Medikamente solche Symptome bei Bedarf in Schach halten. Nach einer Operation braucht der Darm einfach etwas Zeit, um sich zu erholen. Besonders nach einer Operation des Dickdarms stellt sich die normale Funktion in der Regel nach und nach wieder ein.
Bestehen die Störungen weiter, dann könnte auch eine neu aufgetretene Laktoseintoleranz oder eine bakterielle Fehlbesiedelung des Darms vorliegen. Daran sollte gedacht und bei Fortbestehen der Symptome auch danach gesucht werden.

Gibt es bestimmte Lebensmittel, die während einer Chemotherapie oder Strahlentherapie besonders empfohlen oder vermieden werden sollten?
Klapdor: Statt von «Vermeiden» zu sprechen, geht es vielmehr darum, welche Lebensmittel gut vertragen werden und worauf die Patient*innen gerade Appetit haben. Das Hauptziel ist es, einen guten Ernährungsstatus aufrechtzuerhalten, da dieser die Krankheitsprognose und auch die Therapiemöglichkeiten beeinflussen kann. Eine Mangelernährung sollte unbedingt vermieden werden. Chemo- und Strahlentherapie können Nebenwirkungen mit sich bringen, die es zu kontrollieren gilt. Deshalb hilft es, wenn Patient*innen gut und ausgewogen essen. Prinzipiell ist alles erlaubt, was eine ausgewogene Ernährung unterstützt und vertragen wird.
Welche Ernährungstipps haben Sie für Betroffene mit Nebenwirkungen wie Übelkeit oder Appetitlosigkeit?
Klapdor: Es kann sinnvoll sein, nicht drei Hauptmahlzeiten am Tag zu essen, sondern mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag zu verteilen. Ich rate dazu, kleine Portionen gut zu kauen und langsam und bewusst zu essen. Frittierte Speisen, fettes Fleisch, Kohlgemüse und andere blähende Lebensmittel, wie beispielsweise Hülsenfrüchte sind oft schwer verdaulich und sollten eher vermieden werden. Kalte Speisen sind häufig besser verträglich als heisse Speisen.
Es ist bekannt, dass starke Gerüche bei Appetitlosigkeit eher kontraproduktiv sind. Hilfreich kann es sein, wenn der Partner oder die Partnerin kocht. Letztlich ist es wichtig, individuell auszuprobieren, welche Lebensmittel gut vertragen werden und welche nicht. Es gibt viele Möglichkeiten, mit der Ernährung zu spielen und zu schauen, wie die Symptome verbessert werden können.
Das oberste Ziel bleibt, ausreichend Energie und Nährstoffe aufzunehmen, um einer Mangelernährung vorzubeugen. Deshalb empfehle ich, frühzeitig eine Ernährungsberatung in Anspruch zu nehmen – auch über die Zeit nach der Operation hinaus. Ein guter Ernährungsstatus kann die Krankheitsprognose positiv beeinflussen.
Datum: 22.04.2025