Fatigue bei Krebs und Krebstherapien kann Fatigue entstehen
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Fatigue – «Wie ein Jetlag, der nicht endet»

Dr. Christina Paul Expertin für Fatigue bei Krebs

Dr. med. Christine Paul
Oberärztin Frauenklinik
Kantonsspital Baden

Fatigue ist mehr als nur Müdigkeit: Sie kann das gesamte Leben beeinträchtigen und wird trotzdem oft unterschätzt. Dr. Christine Paul, Oberärztin am Kantonsspital Baden, erklärt im Interview was hinter diesem Phänomen steckt und wie Betroffene besser damit umgehen können.

Im  Gespräch  mit  Dr.  Paul

 

Dr. Christine Paul, Fatigue wird oft mit normaler Müdigkeit verwechselt. Was macht sie so anders?

Dr. Christine Paul: Fatigue ist weit mehr als blosse Erschöpfung. Sie kann sich körperlich, aber auch emotional und kognitiv äussern. Viele Betroffene beschreiben das Gefühl, als sei ihre «Batterie leer», sie hätten keinerlei Energie mehr oder fühlten sich völlig ohne Widerstandskraft. Manche vergleichen es mit einem nie endenden Jetlag. Das Fatigue- Syndrom lässt sich nicht einfach mit Schlaf oder Ruhe beheben. Zudem gibt es viele verschiedene Formen und Abstufungen – von leichter Erschöpfung bis hin zu massiver Energielosigkeit, die den Alltag stark einschränkt.

 

Studien zeigen, dass rund 65 Prozent der Frauen mit Brustkrebs von Fatigue betroffen sind. Deckt sich das mit Ihrer Erfahrung?

Paul: Ich gehe davon aus, dass die tatsächliche Zahl noch höher ist. Fatigue wird von vielen Patient*innen nicht aktiv angesprochen, weil sie es als normale Begleiterscheinung der Krankheit betrachten. Deshalb ist es so wichtig, dass Ärzt*innen gezielt danach fragen und Patient*innen aufklären.

 

Fatigue bei Krebs und Krebstherapien für weniger Fatigue

Was sind die Ursachen von Fatigue?

Paul: Fatigue kann sowohl durch die Erkrankung selbst als auch durch die Therapie ausgelöst oder verstärkt werden. Behandlungen wie Operationen, Chemotherapie oder Immuntherapie erhöhen das Risiko erheblich. Bei einer Strahlentherapie treten die Symptome oft erst gegen Ende der Behandlung auf. Ebenfalls stark betroffen sind Brustkrebspatientinnen, die eine intensive endokrine Therapie erhalten, also eine Antihormontherapie.

 

Warum trifft es manche Patient*innen stärker als andere?

Paul: Neben den medizinischen Faktoren spielen soziale und emotionale Aspekte eine grosse Rolle. Studien zeigen, dass Patient*innen mit einem stabilen sozialen Umfeld seltener oder weniger stark unter Fatigue leiden. Auch psychologische Faktoren wie Depressionen oder Angstzustände können Fatigue verstärken oder mit ihr verwechselt werden. Zudem sollten andere mögliche Ursachen wie Eisenmangel oder eine Schilddrüsenerkrankung abgeklärt werden.

«Während der aktiven Krebstherapie wird Erschöpfung akzeptiert. Doch sobald die Behandlung abgeschlossen ist, erwarten viele, dass das Leben sofort wieder normal weitergeht.»

Dr. Christine Paul

Viele Betroffene fühlen sich von ihrem Umfeld nicht ernst genommen. Woran liegt das?

Paul: Fatigue ist für Aussenstehende nicht sichtbar. Während der aktiven Krebstherapie wird Erschöpfung akzeptiert. Doch sobald die Behandlung abgeschlossen ist, erwarten viele, dass das Leben sofort wieder normal weitergeht. Wenn das nicht klappt, fühlen sich Patient*innen oft hilflos, unverstanden oder machen sich sogar selbst Vorwürfe. Hier kann psychoonkologische Unterstützung helfen, um mit diesen Gefühlen besser umzugehen.

 

Gibt es wirksame Behandlungsansätze?

Paul: Einer der wichtigsten ist Bewegung – besonders Ausdauer- und Krafttraining. Studien zeigen, dass bereits 150 Minuten Bewegung pro Woche einen positiven Effekt haben. Besonders geeignet sind Sportarten wie Laufen, Schwimmen oder Velofahren.

Fatigue kan Krebsbetroffene belasten

Sollten sich Betroffene trotz starker Erschöpfung also zu Sport motivieren?

Paul: Ja, aber in Massen. Es ist wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und die eigenen Grenzen zu respektieren. Wer sich überfordert, riskiert, dass die Erschöpfung danach noch stärker wird. Deshalb sollte man langsam starten. Auch Achtsamkeit spielt eine grosse Rolle. Entspannungsverfahren wie Qi Gong können helfen, ein besseres Körpergefühl zu entwickeln. Selbstakupressur kann ebenfalls unterstützend wirken. Wichtig ist, dass Betroffene wieder das Gefühl bekommen, aktiv etwas für sich tun zu können.

 

Wie können Angehörige die Betroffenen unterstützen?

Paul: Das Wichtigste ist, die Erschöpfung ernst zu nehmen und Betroffene nicht zu drängen oder ihnen das Gefühl zu geben, sich rechtfertigen zu müssen. Stattdessen sollten sie signalisieren, dass sie da sind und Unterstützung anbieten – aber ohne Druck. Oft hilft es, gemeinsam kleine Spaziergänge zu unternehmen oder Bewegung in den Alltag zu integrieren. Manchmal reicht es auch einfach, präsent zu sein – für Gespräche, zum Zuhören oder für kleine praktische Hilfen im Alltag.

«Es ist wichtig, auf den eigenen Körper zu hören und die eigenen Grenzen zu respektieren. Wer sich überfordert, riskiert, dass die Erschöpfung danach noch stärker wird.»

Dr. Christine Paul

Gibt es neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Behandlung von Fatigue?

Paul: Ja, die Forschung nimmt das Thema zunehmend ernst. Es gibt mittlerweile digitale Lösungen wie Apps, die Fatigue-Symptome tracken und automatisch ans Brustzentrum melden. Hier konnte gezeigt werden, dass der Einsatz dieser Applikationen sich sowohl auf die Lebensqualität als auch auf den Therapieerfolg positiv auswirkt. So kann eine individuellere Betreuung ermöglicht werden. In Zukunft wird es noch gezieltere Unterstützung geben – und das ist ein wichtiger Schritt für die Patient*innen.

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Anna Birkenmeier
Datum: 24.04.2025