Krebs Finanzen
Für alle
Patientenkompetenz

Es gibt Hilfs­angebote bei finanziellen Schwierig­keiten

Krebs Finanzen Expertin Therese Straubhaar

Therese Straubhaar
Fachspezialistin Sozialarbeit
Krebsliga Schweiz

Zusätzlich zur Erkrankung auch noch mit finanziellen Sorgen konfrontiert zu sein, ist eine grosse Belastung, raubt Energie und schürt Ängste. Umso wichtiger ist es, sich an eine Beratungsstelle zu wenden, denn: «Es gibt Unterstützungsmöglichkeiten, von denen viele nichts wissen», sagt Therese Straubhaar von der Krebsliga Schweiz.

Über die eigenen Finanzen wird in der Schweiz nicht gerne geredet. Weshalb ist die Thematik Finanzen und Krebs so relevant?

Therese Straubhaar: Dieses noch immer schambehaftete Thema wurde lange Zeit kaum beachtet und gewinnt erst seit einigen Jahren an Aufmerksamkeit. Denn: Untersuchungen lassen vermuten, dass es eine hohe Dunkelziffer an Krebsbetroffenen gibt, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Das Risiko von Armut betroffen zu sein, tragen vor allem Alleinerziehende, Menschen mit geringem Einkommen und tiefer Bildung, Migrant*innen und Selbständige.

 

Wodurch entstehen finanzielle Belastungen bei einer Krebserkrankung?

Straubhaar: Einerseits hat man durch die Krankheit weniger Einkommen. Selbst wenn man über eine Versicherung verfügt, entspricht das Krankentaggeld üblicherweise nur 80 Prozent des Lohnes. Andererseits steigen aber die Ausgaben wegen der Erkrankung (z.B. Franchise, Selbstbehalt, Hilfsmittel). Ebenso kann die Schwere der Erkrankung dazu führen, dass die betreuenden Angehörigen ihr Arbeitspensum reduzieren müssen und damit weniger Einnahmen haben. Zugleich fallen teils massive indirekte Krankheitskosten für Haushaltshilfe oder zusätzliche Kinderbetreuung an. Diese Faktoren können das Monatsbudget folglich aus dem Gleichgewicht bringen und zur finanziellen Belastung werden.

 

Wie sieht es bei Krebsbetroffenen aus, die bereits ihr Pensionsalter erreicht haben?

Straubhaar: Bei ihnen ist die Situation stabiler, weil sich die AHV-Rente nicht verändert. Zugleich haben aber auch sie höhere Kosten durch die Erkrankung, jedoch bei gleichbleibenden Einnahmen. Oftmals denken sie nicht daran, dass sie sich für Ergänzungsleistungen anmelden können – oder nehmen diese z.B. aus Scham nicht in Anspruch.

 

Sie haben eingangs erwähnt, dass Selbstständigerwerbende besonders gefährdet sind, bei einer Erkrankung in finanzielle Schieflage zu geraten. Weshalb?

Straubhaar: Da die Krankentaggeldversicherung nicht obligatorisch ist, sparen sich manche Selbständige den Beitrag und sind damit nicht versichert. Während eine Krankentaggeldversicherung sofort greift, dauert dies bei einer IV-Anmeldung lange. Das Verfahren bis zum Entscheid der IV kann Monate oder Jahre in Anspruch nehmen. Zeit, in der keine Einnahmen fliessen und für Selbständige zur Zerreissprobe werden kann: Viele brauchen ihre Ersparnisse auf und müssen im schlimmsten Fall Sozialhilfe beantragen. Wir von der Krebsliga sind in solchen Situationen auch schon eingesprungen – mehr als ein, zwei Monate können wir allerdings nicht überbrücken.

Krebs finanzielle Schwierigkeiten

Wie sieht es bei Teilzeitangestellten aus?

Straubhaar: Je nach Pensum ist man in einem tieferen Lohnbereich und die 80 Prozent Krankentaggeld werden dann sehr knapp. In vielen Fällen müssen die Betroffenen ihren Lebensstil ändern.

 

Stichwort Lebensstil: Haben Sie dazu ein Beispiel, das Ihnen in besonderer Erinnerung geblieben ist?

Straubhaar: Wir haben vor einiger Zeit ein Ehepaar beraten, das in einer schönen, relativ teuren Wohnung gelebt hat. Durch die Krankheit des Mannes hat sich ihre finanzielle Situation so stark verändert, dass sie aus ihrer Wohnung ausziehen mussten. Wir haben dem Paar geholfen, eine günstigere Wohnung zu finden, und uns finanziell an den Umzugskosten beteiligt. Der Einschnitt, die vertrauten vier Wände verlassen zu müssen, war jedoch hart.

 

Was macht ein solcher Einschnitt mit den Betroffenen auf psychischer Ebene?

Straubhaar: Zusätzlich zur Erkrankung auch noch mit finanziellen Sorgen konfrontiert zu sein, ist eine Belastung obendrauf. Die Angst, dass man seine Rechnungen nicht mehr bezahlen kann, führt psychisch zu einer hohen Zusatzbelastung. Zugleich führt die Umstellung von einem guten Einkommen zu einer tiefen Rente oftmals zu einer Art Trauerprozess. Und nicht zuletzt können finanzielle Schwierigkeiten auch soziale und körperliche Auswirkungen haben. Wenn Menschen finanziell knapp gestellt sind, verzichten sie oftmals auf Vorsorgeuntersuchungen, können sich weniger gesunde Lebensmittel und gesundheitsförderliche Massnahmen leisten und ziehen sich häufig auch aus ihrem Umfeld zurück.

 

Welche Tipps gibt es, um bei den Finanzen den Überblick zu behalten und um Kosten zu sparen?

Straubhaar: Zuerst sollte man sich einen Überblick über seine Finanzen verschaffen und aufschlüsseln, in welchem Verhältnis das Einkommen zu den Ausgaben steht. Eine Budgetberatung hilft und kann auch aufzeigen, wo Kosten gespart bzw. Hilfe beansprucht werden kann. Was die Krankheitskosten anbelangt so rate ich den Betroffenen, dass sie auch bei der Ärzt*in ihre finanzielle Situation ansprechen und diese nur Medikamente verschreibt, die auch von der Krankenkasse übernommen werden. Lassen Sie sich alles verschreiben, also auch günstige Dinge wie Körperlotionen – mit der Zeit rechnet sich auch das. Und aufgepasst bei Komplementärmedizin – diese wird nicht immer von der Krankenkasse bezahlt.

 

Welche Möglichkeiten gibt es, um in finanziellen Notlagen Unterstützung zu erhalten?

Straubhaar: Von staatlicher Seite gibt es das System der Sozialversicherung und der Sozialhilfe. Nehmen Sie hierfür administrative Unterstützung in Anspruch, es lohnt sich! Als private Unterstützungsmöglichkeiten gibt es die Krebsliga, Caritas oder auch Freund*innen und Familie.

 

Wie können Familienmitglieder und Freund*innen dazu beitragen, die finanzielle Belastung zu erleichtern?

Straubhaar: Einerseits ist die emotionale und praktische Unterstützung im Alltag unbezahlbar. Andererseits können sie natürlich auch konkrete finanzielle Hilfe leisten, etwa indem sie Geld vorstrecken oder eine Rechnung bezahlen. Dabei empfehlen wir, dies auch unter Familie und Freund*innen in einfacher Form gemeinsam schriftlich festzuhalten. Viele Betroffene haben allerdings Hemmungen, ihre Angehörigen um Geld zu bitten – die Finanzen sind nach wie vor ein Tabuthema.

 

Was raten Sie Betroffenen im Allgemeinen im Umgang mit Finanzen?

Straubhaar: Offenheit! Sprechen Sie über Ihre finanziellen Sorgen und schämen Sie sich nicht für Ihre Situation. Nehmen Sie Beratung und ggf. finanzielle Hilfe in Anspruch.

Journalistin: Anna Birkenmeier
Datum: 09.04.2024