Mehr Sicherheit bei schwierigen Behandlungsentscheidungen bei Brustkrebs
Brustkrebs
Therapien

Mehr Behandlungs­sicherheit mit Gen­expressions­tests

Genexpressionstests sind ein Segen für Patientinnen mit einem Hormonrezeptor-positiven (HR+), HER2-negativen Mammakarzinom. Die von den Kassen erstatteten Tests erlauben zu bestimmen, ob bei einem hormonabhängigen Brustkrebs ohne Fernmetastasen eine Chemotherapie nötig ist oder nicht.

Im  Gespräch  mit  Dr.  Marcus  Vetter  und  Prof.  Christian  Kurzeder 

Experten für Brustkrebs und Genexpressionstests

In Bezug auf die Therapie von Brustkrebs: Welche wichtigen Behandlungsentscheidungen kommen auf betroffene Frauen zu?

Prof. Kurzeder: Als erste Frage stellt sich, ob die Frau für eine neoadjuvante Therapie in Frage kommt, das heisst eine konservative Therapie vor der Operation. Dies ist beim Hormonrezeptor-positiven (HR+), HER2-negativen Mammakarzinom eher selten der Fall. Hier wird primär der Tumor operativ entfernt. Die weitere adjuvante Therapie hängt dann von den Risikofaktoren beziehungsweise den prädiktiven Faktoren ab.

PD Dr. Vetter: In den letzten zehn Jahren wurde die Behandlung immer mehr individualisiert. Dies geschieht zum Beispiel mit den genomischen Tests. Sie helfen bei der Entscheidung, wie es mit der Therapie z.B. Chemotherapie weiter gehen soll.

 

Sie haben von den Risikofaktoren gesprochen.

Vetter: Bleiben wir beim hormonabhängigen Brustkrebs. Die wichtigste Frage betrifft das Risiko, ob der Tumor später «Ableger» bilden könnte. Hierzu gehört als wichtigstes klinisches Beurteilungskriterium der Lymphknotenbefall in der Achselhöhle. Sind in der Achselhöhle mehr als drei Lymphknoten vom Krebs befallen, dann empfehlen wir praktisch immer eine Chemotherapie, weil diese das Risiko von Fernmetastasen senkt.

Brustkrebs Genexpressionstests

Eine Chemotherapie kann sehr belastend sein und löst Ängste aus. Was hilft bei der Frage «Chemotherapie ja oder nein» zusätzlich zur Beurteilung der Anzahl befallener Lymphknoten?

Kurzeder: Bei der Chemotherapie gilt es den erwarteten Nutzen gegen das Risiko von Nebenwirkungen abzuwägen. Dies besonders, wenn drei oder weniger Lymphknoten befallen sind. Dann helfen uns die heute sehr zuverlässigen genomischen Tests weiter. Hier kommen die prädiktiven Faktoren ins Spiel.

 

Was bedeutet prädiktiv?

Kurzeder: Oft werden wir von der Prognose einer Krankheit geleitet, wenn es um die richtige Behandlung geht. Tatsächlich ziehen wir jedoch prädiktive Faktoren für den Therapieentscheid vor. Prädiktiv beantwortet die Frage, ob die Patientin tatsächlich einen Nutzen von einer bestimmten Therapie hat, unabhängig von der Prognose. Im Falle der adjuvanten Chemotherapie bei hormonabhängigen Tumoren gibt es nun diese genomischen Tests. Sie sind einer der wesentlichen Fortschritte in der Brustkrebstherapie im letzten Jahrzehnt.

Frauen müssen sich bei Brustkrebs für ode gegen eine Chemotherapie entscheiden

Wie funktionieren diese Tests und was ist ihr Nutzen?

Vetter: Es ist schon lange möglich, im Tumorgewebe zu untersuchen, wie stark ein bestimmtes Gen aktiviert ist. In der Fachsprache wird von exprimiert gesprochen. Mittels geprüfter genomischer Tests – sogenannten Genexpressionstests – ist es heute möglich, eine Reihe von Genen im entnommenen Brustkrebsgewebe in einem spezialisierten Labor zu untersuchen und zu überprüfen, wie hoch sie exprimiert sind. Damit wird sozusagen der Fingerabdruck des Krebses erhoben und die «Aggressivität» bestimmt. Je nach Muster des Abdrucks können wir heute mit relativ grosser Sicherheit voraussagen, ob schon eine alleinige Hormonbehandlung für die Heilung ausreichend ist oder ob es auch noch eine Chemotherapie braucht.

 

Damit kann den betroffenen Patientinnen unter Umständen eine belastende Chemotherapie erspart werden.

Vetter: In der Tat betrifft dies heute drei von vier Patientinnen…

Kurzeder: …und sie können dank der Genexpressionstests vor einer massiven Einschränkung der Lebensqualität bewahrt werden.

Thomas Ferber
Datum: 15.10.2024