Besser Bescheid wissen bei Brustkrebs dank genomischen Tests
Brustkrebs
Wissen

Mit geno­mischen Tests Über­therapie vermeiden

Prof Huber Experte für Brustkrebs

Prof. Jens Huober
Chefarzt Brustzentrum
Kantonsspital St. Gallen

«Der genomische Test hilft uns beim hormonsensitiven, HER2-negativen Brustkrebs mit gutem Gewissen auf eine Chemotherapie verzichten zu können oder sagt uns, wo wir trotzdem auf eine solche Behandlung setzen sollten,» so Brustkrebsspezialist und Prof. Jens Huober vom Brustzentrum des Kantonsspitals St.Gallen.

Im  Gespräch  mit  Prof. Huober

Prof. Huober, welcheInformationen sind beim hormonsensitiven, HER2-negativen Brustkrebs für die Therapieentscheidung wichtig?

Prof. Jens Huober: Wir sprechen hier über die adjuvante Behandlung des Brustkrebses, also über ergänzende Behandlungsmassnahmen im Frühstadium, um zu verhindern, dass die Brustkrebserkrankung Fernableger bildet. Dabei spielen zwei Faktoren eine Rolle: Die Tumorausbreitung, also wie gross der Tumor ist und vor allem ob Lymphknoten in der Achselhöhle befallen sind, sowie die Tumorbiologie, also wie aggressiv sich die Tumorzellen verhalten. Unterschiedliche Faktoren, die von den Pathologen an den Tumorzellen einer Gewebeprobe untersucht werden, können uns die Informationen über die Tumorbiologie geben. Neben der Differenzierung des Tumors (Art der Zellveränderung, Grading) wird auch der sogenannte Faktor Ki67 untersucht. Dabei wird bestimmt, wie viele der Tumorzellen sich in Teilung befinden. Die Ergebnisse werden in eine Wertetabelle eingefügt. Werte über 40 % sprechen für eine Chemotherapie, Werte unter 15 % gegen eine Chemotherapie. Bei Unsicherheiten, ob eine Chemotherapie einen zusätzlichen Nutzen hat, wenn z.B. die Ki67 Werte im mittleren Bereich sind oder auch wenn die unterschiedlichen biologischen Faktoren nicht richtig zusammenpassen, setzen wir üblicherweise noch zusätzlich einen genomischen Test ein.

Frauen müssen ihren genauen Brustkrebs kennen

Was misst dieser Test?

Huober: Es gibt mehrere genomische Tests, die zur Verfügung stehen und in der klinischen Praxis auch alle eingesetzt werden können. In St. Gallen verwenden wir einen Test, welcher die Aktivität von 16 für die Tumorbiologie relevanten Genen (Ki67, ER, PR, HER2 und andere) misst. Aus den gewichteten Daten des genomischen Tests wird ein sogenannter Rückfall Score errechnet.

 

Wenn also die üblichen Informationen wie Tumorausdehnung, Lymph-knotenbefall und Gewebeuntersuchung nicht eindeutig sind, dann folgt der genomische Test. Warum?

Huober: Dieser Score hilft uns in solchen nicht eindeutigen Situation, das individuelle Rückfall-Risiko noch besser einschätzen zu können und kann dann zur Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie herangezogen werden. Denn wir wollen nur den Frauen eine Chemotherapie empfehlen, bei denen auch ein klarer Nutzen dieser Therapie vorliegt und können so den Frauen, bei denen die Chemotherapie wenig wirksam ist, die Nebenwirkungen davon ersparen.

«Bei Unsicherheiten, ob eine Chemotherapie einen zusätzlichen Nutzen hat, setzen wir üblicherweise noch zusätzlich einen genomischen Test ein.»

Prof. Jens Huober

Ist der genomische Test heute Standard?

Huober: Ein genomischer Test wird heute in allen zertifizierten Brustzentren eingesetzt bei Unsicherheiten, ob eine Chemotherapie einen zusätzlichen Nutzen zur Antihormontherapie hat.

Thomas Ferber
Datum: 23.10.2023