Inflammatorisches Mammakarzinom
Brustkrebs
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Brustkrebs: Ver­dächtige Rötungen der Brust immer zeitnah abklären

Inflammatorisches Mammakarzinom Expertin Maria Weibel

Maria Weibel
Teamleiterin Breast and Cancer Care Nurses
Kantonsspital Aarau

Das inflammatorische Mammakarzinom wird oft zu spät diagnostiziert, weil die ersten Symptome für harmlos gehalten werden. Eine frühe Entdeckung verbessert die Langzeitprognose entscheidend. Daran beteiligt ist auch eine gute Betreuung durch die Pflegefachfrauen für gynäkologische Tumorerkrankungen.

Maria Weibel, was ist das inflammatorische Mammakarzinom?

Maria Weibel: Es handelt sich um eine Krebsform, die sich aus den Lymphgefässen der Haut heraus entwickelt. Dies steht im Unterschied zu den anderen Brustkrebsformen, die sich aus den Brustdrüsengängen beziehungsweise den Brustdrüsen selbst entwickeln. Die inflammatorische Form bildet beim Wachstum keine Knoten wie die anderen Brustkrebsarten, sondern breitet sich auf der Brust flächig wachsend über die Haut aus.

 

Wie kann man den Unterschied zu einer Entzündung der Brust erkennen?

Weibel: Das inflammatorische Mammakarzinom gleicht häufig einer Entzündung. Sichtbar sind beispielsweise eine Rötung und Erwärmung der Haut, oft verbunden mit Wassereinlagerungen (Ödeme). Was an eine Entzündung erinnert, ist allerdings keine Entzündung und kann darum oft als harmlos verkannt und fälschlich beispielsweise mit Antibiotika behandelt werden. Tritt trotz Antibiotika keine Besserung ein, dann ist dies ein Warnhinweis, dass es sich um das besagte Karzinom handeln könnte.

 

Wie häufig tritt es auf?

Weibel: Diese Form tritt eher selten in rund etwa fünf Prozent aller Brustkrebserkrankungen auf. Das ist auch mit ein Grund, weshalb diese Erkrankungsform häufig verpasst wird. Oft auch, weil das inflammatorische Karzinom ohne Schmerzen auftreten kann. Und wenn sich dann die Patientinnen zur Untersuchung begeben, hat es sich häufig bereits ausgedehnt.

Tritt trotz Antibiotika keine Besserung ein, dann ist dies ein Warnhinweis, dass es sich um das besagte Karzinom handeln könnte.

Maria Weibel

Welche Symptome zeigen sich beim inflammatorischen Mammakarzinom?

Weibel: Sehr typisch ist neben der Rötung und Ödem-Bildung die sogenannte Orangenhaut. Aufgrund der Wassereinlagerung wird die Brust schwerer. Die Ödemblidung kann einen deutlichen Grössenunterschied verursachen. Es ist wichtig , dass die Frauen solche Veränderungen frühzeitig abklären lassen. Eine Heilung ist bei frühzeitiger Entdeckung eher möglich.

 

Welche biologischen Merkmale sind typischerweise vorhanden? (HR+/-, HER2 etc.)

Weibel: Die biologischen Merkmale sind mit allen anderen Brustkrebsformen vergleichbar. Es gibt Formen mit Hormonrezeptoren oder solche mit HER2-plus oder auch Formen, denen diese Merkmale fehlen. Wie bei anderen Brustkrebsformen sind diese Merkmale für die Behandlung entscheidend.

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Weibel: Bei jeder Behandlung steht zu Beginn eine Bestandaufnahme, das sogenannte Staging mit Einsatz von bildgebenden Verfahren für den ganzen Körper. Es gibt Aufschluss über Grösse, Ausdehnung und Bildung von allfälligen Ablegern. Dies erlaubt die Planung der Behandlung. Am Anfang der Therapie steht dann in der Regel eine neoadjuvante (voroperative) Behandlung mit Zytostatika. Diese kann unterschiedliche Substanzen beinhalten, abhängig von der biologischen Tumorform. Anschliessend folgt die vollständige Entfernung der befallenen Brust, einschliesslich einer Entfernung der Lymphknoten in der danebenliegenden Achselhöhle. Nach Abheilung der Operationsnarben erfolgt eine Bestrahlung der Brustwand und Achselhöhle. Je nachdem schliesst sich noch eine Antihormontherapie an. Nach ein bis zwei Jahren kann auf Wunsch der Patientin allenfalls ein Brustaufbau besprochen werden.  

 

Kann das inflammatorische Mammakarzinom geheilt werden?

Weibel: Eine Heilung ist durchaus möglich und hängt von der Ausprägung des Tumors ab, also beispielsweise, wenn noch keine Metastasen vorhanden sind.

Tragen Sie sich Sorge, weil Sie wunderbar sind!

Maria Weibel

Als Pflegefachfrau für gynäkologische Tumorerkrankungen spielen Sie bei dieser Frage eine sehr wichtige Rolle, Stichwort Lebensqualität.

Weibel: Betroffene Frauen haben eine lange Behandlungszeit von rund einem Jahr vor sich. Das kann häufig zu starken Belastungssituationen führen. Unser Team setzt viel daran, über die gesamte Behandlungsdauer niederschwellig als Ansprechstelle wahrgenommen zu werden. Hierzu gehören auch das wiederholte Überprüfen und Aufspüren von möglichen Problemen, mit denen Patientinnen konfrontiert sein können. Wie ist die Lebensqualität? Wie ist es mit Belastungssituationen? Wo haben Patientinnen Bedarf an Unterstützung? Hier kümmern wir uns unabhängig von der Art und Weise des Problems, wie beispielsweise Ängste, Nebenwirkungen, Finanzen, familiäre Probleme, Arbeitsplatz, psychologische Unterstützung und vieles mehr. Wir lotsen die betroffenen Frauen durch diese schwierige Zeit, bleiben Ansprechsperson bis sie uns nicht mehr braucht. Dabei möchten wir den Patientinnen Mut machen, denn die uns heute vorliegenden Behandlungsmöglichkeiten können die Prognose der Patientinnen signifikant  verbessern.  Es empfiehlt sich bei Hautveränderungen der Brust den Arzt oder die Ärztin zu konsultieren und sich unterstützen zu lassen.

Tragen Sie sich Sorge, weil Sie wunderbar sind!

Journalist: Thomas Ferber
Datum: 23.03.2023