
Krebs Ghosting – Wenn sich Freund*innen nicht mehr melden
Wer Krebs hat, durchlebt eine anstrengende und herausfordernde Zeit. Umso wichtiger sind die Aufmerksamkeit und Anteilnahme des eigenen Umfelds. Denn gute Freund*innen sind auch in schlechten Zeiten für einen da. Richtig? Nicht immer.
Immer wieder berichten Betroffene vom Phänomen des «Krebs Ghostings». Dieser Begriff kombiniert das deutsche Wort für Krebs mit dem englischen Wort «ghosting» und beschreibt das Erlebnis, dass Freund*innen oder Bekannte verschwinden oder die Kommunikation mit einem an Krebs erkrankten Menschen abbrechen. Sie kommen nicht mehr vorbei, rufen nicht mehr an oder schreiben sogar auf Nachrichten nicht mehr zurück.
Die Gründe für Krebs-Ghosting sind vielfältig:
- Angst, etwas Falsches zu sagen oder zu tun: Manche Menschen wollen nichts Unsensibles oder Verletzendes sagen oder tun und sind unsicher, welche Worte sie verwenden sollen.
- Sie fühlen sich überwältigt: Die Krankheit oder sogar der nahende Tod eines geliebten Menschen kann schwer zu verkraften sein. Manche fühlen sich von ihren Gefühlen überwältigt und brauchen Zeit, um sie zu verarbeiten.
- Sie müssen auf sich selber schauen: Die Pflege eines krebskranken Menschen kann emotional und körperlich anstrengend sein. Möglicherweise brauchen die Freund*innen Zeit für sich, um die eigenen Batterien wieder aufzuladen.
- Aktivitäten sind nicht mehr möglich: Sportliche Aktivitäten oder Partys sind unter Umständen nicht mehr möglich. Die Bekannten aus diesem Bereich melden sich möglicherweise weniger.
- Falsch verstandene Rücksichtnahme: Möglicherweise denken Freund*innen, dass die Betroffenen Ruhe brauchen, um die Therapien zu ver-arbeiten. Sie fragen nicht nach, weil sie nicht stören möchten.
- Schuldgefühle, weil Ihnen etwas Gutes passiert: Wer gerade auf der Sonnenseite des Lebens steht, während die Freund*in leidet, fühlt sich unter Umständen schuldig und möchte ihr das eigene Glück nicht noch unter die Nase reiben.
- Veränderungen im eigenen Leben: Menschen können sich aufgrund Veränderungen in ihrem eigenen Leben oder persönlicher Prioritäten auseinanderleben.
Wenn Freund*innen den Kontakt abbrechen, kann das für Betroffene verletzend sein. Es ist normal, dass man sich dann verwirrt und verärgert fühlt, besonders in einer Zeit, in der man Unterstützung und Trost am meisten braucht. Trotzdem gilt es zu verstehen, dass nicht jeder in der Lage ist, die Realität der Krankheit auf die gleiche Weise zu bewältigen. Krebs trifft jeden Menschen anders und die Reaktionen von Freund*innen sind oft auf ihre eigenen Emotionen und Probleme zurückzuführen.
Beziehungen wiederherstellen: Betroffene
Krebs Ghosting muss nicht für immer sein. Wer möchte, kann auf die Menschen zugehen, die sich distanziert haben und versuchen, die Beziehung wiederherzustellen. Eine offene und ehrliche Kommunikation kann es beiden Parteien ermöglichen, ihre Gefühle auszudrücken und wieder zusammenzufinden. Eine mögliche Nachricht wäre:
«Mir ist aufgefallen, dass wir uns schon eine Weile nicht mehr gehört haben, und ich wollte nur mal nachfragen, wie es dir geht. Ich wollte dich wissen lassen, dass du mir immer noch wichtig bist und ich unsere Freundschaft schätze. Wenn du dich wohl fühlst, würde ich mich gerne mit dir unterhalten und alles nachholen. Wenn nicht, verstehe ich das, und ich wollte dir nur sagen, dass ich an dich denke.»
Beziehungen wiederherstellen: Umfeld
Auch Freund*innen, die sich nicht mehr gemeldet haben, können den Kontakt wieder aufnehmen. Es ist nie zu spät, sich zu entschuldigen und Unterstützung anzubieten. Die betroffene Person weiss das vielleicht zu schätzen und ist bereit, zu verzeihen und weiterzumachen. Aber auch eine negative Antwort gilt es zu respektieren. Eine mögliche Nachricht wäre:
«Es tut mir leid, dass ich mich lange nicht gemeldet habe. Es ist mir schwergefallen, die richtigen Worte und den richtigen Zeitpunkt zu finden. Ich möchte, dass du weisst dass ich an dich denke und dass du mir am Herzen liegst. Ich weiss, dass dies eine schwierige Zeit sein muss für dich. Ich würde mich sehr freuen, dich diese Woche auf einen Kaffee zu treffen. Hättest du Zeit und Lust?»
Tipps von Betroffenen
Es ist wichtig, kranke Menschen nicht einfach fallen zu lassen. Melde dich, hab ein offenes Ohr, gib dein Bestes. Es ist egal, ob du dabei kleine Fehler machst. Deine kranke Freundin oder Freund hat vielleicht Krebs, ist aber immer noch derselbe Mensch wie vorher. Vier Krebsbetroffene haben uns erzählt, über welche Nachrichten und kleinen Gesten sie sich gefreut haben und geben Tipps, was du für Krebsbetroffene machen könntest.
Datum: 20.04.2023