Es gibt Hoffnung für Leberkrebsbetroffene
Leberkrebs
Wissen

Hoffnung für Leberkrebs­betroffene

Otto Kollmar vom Unispital Basel, Experte für Leberkrebs

Prof. Otto Kollmar
Chefarzt Stv. Viszeralchirurgie
Clarunis, Universitäres Bauchzentrum Basel

Leberkrebs entsteht, wenn die Leberzellen über einen längeren Zeitraum geschädigt werden. Früh entdeckt, hat die Krebserkrankung eine bedeutend bessere Prognose. Eine Vielzahl an neuen Behandlungsmöglichkeiten schafft Hoffnung. Doch die Mitarbeit der Betroffenen ist essenziell.

Im  Gespräch  mit  Prof.  Kollmar

Prof. Kollmar, was ist Leberkrebs und warum entsteht dieser?

Prof. Otto Kollmar: Der Leberkrebs bez. das hepatozelluläre Karzinom ist eine bösartige Erkrankung der Leberzellen. Sie ist eine Spätfolge der gestörten Leberfunktion. Weil die Leber ein sehr stoffwechselreiches Organ ist, fühlen sich auch Ableger (Metastasen) von anderen Krebsformen in der Leber wohl. Diese gilt es vom Leberzellkrebs zu unterscheiden.

 

Welche Rolle spielt denn die Leberfunktion bei der Entstehung von Leberkrebs?

Kollmar: Die Leber ist die grösste Drüse des menschlichen Körpers. Sie ist unser Kraftwerk und unser Klärwerk. Sie eliminiert viele Schadstoffe, die wir über den Darm und das Blut aufnehmen. Allerdings ist diese Reinigungskapazität beschränkt. Nehmen wir zu viel Fette, Alkohol oder auch Medikamente auf, dann wird die Leber überbelastet und die dadurch geschädigten Leberzellen können absterben. Es bilden sich Entzündungsherde. Wenn an vielen Stellen kontinuierlich Zellen absterben, können chronische Entzündungsherde entstehen, die zu einer Vernarbung des Gewebes führen (Leberzirrhose). Generell kann sich die Leber erholen. Bei der Regeneration passieren jedoch oft Fehler, beispielsweise Mutationen, die zu Krebs führen können. Deswegen nimmt bei einer Leberzirrhose das Risiko für Leberzellkrebs zu.

Betroffene von Leberkrebs

Inwiefern beeinflussen Vorerkrankungen wie Leberzirrhose das Risiko für Leberkrebs?

Kollmar: Die Leberzirrhose ist ein starker Risikofaktor. Alkoholkonsum kann die Entstehung einer alkoholischen Fettleber und schliesslich Leberzirrhose begünstigen. Weiter begünstigen chronische Erkrankungen mit dem Hepatitis B- und oder C-Virus das Zirrhoserisiko. Das Hepatitis C-Virus selbst kann eine krebserzeugende Wirkung entfalten. Auch bei massivem Übergewicht kann sich eine (nichtalkoholische) Fettleber und schliesslich eine Leberzirrhose entwickeln. Andere Ursachen sind viel seltener.

 

Wie wird Leberkrebs diagnostiziert und wie wichtig ist eine frühzeitige Diagnose für den Verlauf der Erkrankung?

Kollmar: Bei einer Fettleber braucht es immer eine sorgfältige Abklärung zum Ausschluss eines Leberkrebses. Es gilt den Leberzellkrebs so früh wie möglich zu entdecken, weil dann die therapeutischen Möglichkeiten am grössten sind und die Prognose am besten ist. Deshalb ist es bei Personen mit einem erhöhten Leberkrebsrisiko wichtig, regelmässig eine Ultraschall-Vorsorgeuntersuchung (sog. Screening) zu machen. Diese Untersuchung ist sehr präzise und kann einen Krebs frühzeitig entdecken. Für weiterführende Abklärungen gibt es auch die Computertomografie (CT) oder die Magnetresonanztomografie (MRT). Bei letzterer werden Kontrastmittel appliziert, die von der Leber «verarbeitet» werden und dann im entstandenen Bild den Tumor anzeigen.

 

Welche Therapiemöglichkeiten gibt es bei Leberkrebs?

Kollmar: Sofern eine Operation zumutbar ist, wird der Tumor operativ entfernt. Dies betrifft kleine Tumoren bei sonst gesunden Patient*innen. Gelegentlich können solche Tumoren auch verödet werden. Voraussetzung bei diesen Eingriffen ist immer eine genügend grosse Reserve an Lebergewebe, um die Leberfunktion zu gewährleisten. Bei etwas grösseren Tumoren kann auch eine Lebertransplantation erfolgen. In all diesen Fällen wird ein Überleben von mindestens fünf Jahren angestrebt. In allen weiteren Fällen oder wenn bereits Metastasen vorhanden sind, wird in erster Linie auf eine Chemotherapie zurückgegriffen. Schliesslich gibt es Erkrankungsstadien, wo eine Krebsbehandlung aufgrund der stark eingeschränkten Leberfunktion praktisch nicht mehr möglich ist.

Leberkrebs kann behandelt werden

Gibt es spezielle Ernährungsrichtlinien, die bei Leberkrebs beachtet werden sollten?

Kollmar: Den Alkohol gilt es wegzulassen! Wir empfehlen eine mediterrane Ernährungsweise, d.h. viel Früchte und Gemüse, fettarm, massvoll Fleisch sowie viel Meerfisch, der Omega-3 Fettsäuren enthält. Ihnen wird eine positive Wirkung auf die Leberregeneration zugesprochen. Wir empfehlen den Betroffenen immer auch Artischocken zu essen (eingelegt, frisch, als Kapseln). Sie regen aufgrund ihres Gehaltes an Bitterstoffen den Stoffwechsel an und erhöhen damit ebenfalls die Regenerationskraft der Leber. Zudem wird der Cholesterinspiegel gesenkt.

 

Welche Auswirkungen hat die Diagnose Leberkrebs auf die psychische Gesundheit der Betroffenen?

Kollmar: Viele Kranke sind schon aufgrund ihrer schweren Vorerkrankung, beispielsweise Alkoholismus, psychisch beeinträchtigt. Kommt dann noch die Krebsdiagnose hinzu, erfolgt oft der psychische Einbruch. Wir ziehen hier eine psychoonkologische Beratung hinzu. Das hilft vielen Betroffenen. Voraussetzung ist aber auch, dass beim Alkoholismus die Einsicht zur Behandlung der Alkoholkrankheit vorhanden ist. Vorurteile und Schuldzuweisungen sind hier nicht angebracht. Für uns ist es sehr wichtig, mehr für die Prävention zu tun. Wenn wir den Betroffenen frühzeitig die Folgen von Alkohol und Fettleibigkeit erklären und sie für eine Behandlung motivieren können, gelingt es ihnen vielleicht auch, ein weniger schädliches Gewicht zu erreichen, beziehungsweise den Alkoholkonsum einzuschränken oder gar wegzulassen und damit die schweren Folgen zu verhindern.

«Es gibt eine Vielzahl von neuen modernen Behandlungssubstanzen, die die Prognose verbessert haben oder weiter verbessern werden.»

Prof. Kollmar

Gibt es neue Entwicklungen in der Forschung und Behandlung von Leberkrebs?

Kollmar: Mittlerweile gibt es eine Vielzahl von neuen, modernen Behandlungssubstanzen, einschliesslich der Immuntherapie, die die Prognose verbessert haben oder weiter verbessern werden. Mittels Einschränkung der Blutzufuhr zur rechten Leberhälfte kann die Linke zum Wachstum angeregt werden. Die rechte Hälfte schrumpft und kann dann entfernt werden. Die Zukunft gehört der minimalinvasiven, roboterassistierten Chirurgie, mit der das Tumorgewebe viel schonender entfernt werden kann. Diese Technik sollte allen Patient*innen angeboten werden und wird bei uns in Basel routinemässig angewandt.

Thomas Ferber
Datum: 08.04.2024