Wie kann Lungenkrebs frühzeitig erkannt werden?
Christophe Von Garnier ist Chefarzt an der Universitätsklinik für Pneumologie des CHUV in Lausanne. Er koordiniert ein Pilotprojekt zur Früherkennung von Lungenkrebs. Sein Ziel: Leben retten, denn diese Krankheit entwickelt sich oft asymptomatisch und wird daher meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt.
Im Gespräch mit Prof. von Garnier
Was ist der Unterschied zwischen Prävention und Früherkennung?
Christophe von Garnier: Präventionsmassnahmen verhindern die Entwicklung einer Krankheit. Im Fall von Lungenkrebs liegt der Fokus vor allem auf dem Rauchstopp, da über 80 % der Lungenkrebserkrankungen auf den Tabakkonsum zurückzuführen sind. Weitere Risikofaktoren sind das Alter – die meisten Fälle werden im Alter zwischen 50 und 80 Jahren diagnostiziert –, Radon- oder Asbestexposition, Luftverschmutzung sowie genetische Faktoren.
Die Früherkennung hingegen zielt darauf ab, die Krankheit frühzeitig zu entdecken, um die Heilungschancen zu erhöhen. Dies ist bei Lungenkrebs entscheidend, da er sich lange unbemerkt entwickelt. Wenn Symptome wie Husten, Gewichtsverlust oder Atembeschwerden auftreten, sind die Behandlungen schwieriger und die Heilungschancen geringer. In der Schweiz wurden 2023 rund 4900 Fälle von Lungenkrebs diagnostiziert und 3200 Todesfälle waren darauf zurückzuführen. Es ist der zweithäufigste Krebs, jedoch der führende Krebs in Bezug auf die Sterblichkeit.
Wie erfolgt die Früherkennung von Lungenkrebs?
Christophe von Garnier: Leider gibt es in der Schweiz noch kein national organisiertes und strukturiertes Früherkennungsprogramm für Lungenkrebs. Im Kanton Waadt sind wir am ersten schweizerischen Pilotprojekt beteiligt, das von der kantonalen Gesundheitsbehörde unterstützt wird. Ich hoffe, dass dies die Grundlage für ein künftiges nationales Früherkennungsprogramm für Lungenkrebs bildet. Diese Früherkennung richtet sich an bestimmte Risikogruppen: Menschen im Alter von 50 bis 79 Jahren, die mehr als 20 Packungsjahre geraucht haben (zum Beispiel ein Päckchen Zigaretten pro Tag während 20 Jahren) und in den letzten 15 Jahren nicht mit dem Rauchen aufgehört haben. Die Früherkennung erfolgt mittels Niedrigdosis-Computertomographie (Low-Dose-CT (LDCT)) der Lunge, um verdächtige Anomalien zu entdecken. Internationale Studien zeigen, dass bei etwa 1 von 50 Teilnehmenden verdächtige Rundherde gefunden werden. Nach weiteren Untersuchungen erweisen sich etwa die Hälfte als bösartig.
Somit erweist sich etwa die Hälfte der verdächtigen CT-Scans als Fehlalarm?
Christophe von Garnier: Ja, aber durch zusätzliche Untersuchungen, wie bildgebende Verfahren oder eine Biopsie, kann festgestellt werden, ob es sich um Krebs handelt oder nicht. Insgesamt hat die Früherkennung von Lungenkrebs einen positiven Effekt: Internationale Daten zeigen, dass sie die Sterblichkeit durch Lungenkrebs bei Risikopersonen senkt. Durch die Früherkennung vervierfacht sich die Zahl der früh entdeckten Krebsfälle im Stadium I. Pro 130 Teilnehmer wird ein Leben durch die Früherkennung von Lungenkrebs gerettet. Ein strukturiertes Programm ist daher entscheidend, um die Vorteile der Früherkennung von Lungenkrebs zu nutzen und die Zahl unnötiger Untersuchungen zu minimieren.
«Das allgemeine Ziel der Früherkennung ist es, Leben zu retten und gleichzeitig mögliche negative Auswirkungen dieser Massnahme zu minimieren.»
Was sind die Ziele Ihres Pilotprojekts?
Christophe von Garnier: Das allgemeine Ziel der Früherkennung ist es, Leben zu retten und gleichzeitig mögliche negative Auswirkungen dieser Massnahme zu minimieren. Es ist wichtig zu wissen, dass ein CT-Scan zur Früherkennung derzeit nicht von den Krankenkassen in der Schweiz übernommen wird. Ein Antrag auf Kostenübernahme wurde beim BAG eingereicht. Unser Pilotprojekt soll die Einführung eines zukünftigen gross angelegten Früherkennungsprogramms vorbereiten, indem wir analysieren, ob die Ergebnisse von Studien aus anderen Ländern auch auf die Schweiz anwendbar sind.
Berechtigte Personen führen zunächst ein Gesundheitsgespräch, um ihr Risiko für die Entwicklung der Krankheit zu bewerten. Dazu gehört eine Spirometrie, die das Lungenvolumen misst, um eine mögliche chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) zu diagnostizieren. Diese ist mit einem erhöhten Risiko für Lungenkrebs verbunden. Anschliessend wird das LDCT durchgeführt und Rauchern wird Unterstützung beim Rauchstopp angeboten. Unser Projekt konzentriert sich auf die allgemeine Lungengesundheit und integriert die Krebsfrüherkennung.
Wäre es nicht einfacher, sich nur auf die Früherkennung zu konzentrieren?
Christophe von Garnier: Nein, denn eine der grössten Herausforderungen der Lungenkrebsfrüherkennung besteht darin, die Risikogruppen zur Teilnahme zu motivieren und langfristig zu binden. CT-Scans müssen über mehrere Jahre hinweg in regelmässigen Abständen durchgeführt werden, um eine wirksame Prävention zu gewährleisten. Die Angst vor Krebs oder Schuldgefühle spielen im Fall von Lungenkrebs eine besondere Rolle. Diese Krankheit ist stigmatisiert, da ein Teil der Gesellschaft die Betroffenen für ihr Schicksal verantwortlich macht. Eine Früherkennung kann daher Angst oder Ablehnung auslösen.
Programme in anderen Ländern haben gezeigt, dass die Thematisierung der Lungengesundheit die Teilnahme erhöht. Auch die Kostenfreiheit der Leistungen und der direkte Kontakt zu Risikogruppen spielen eine Rolle. In Grossbritannien konnten durch Pilotprogramme die Teilnahmeraten auf 70-80% gesteigert werden, im Vergleich zu weniger als 5% in den USA. Ein wirksames Früherkennungsprogramm muss daher die Ängste und sozioökonomischen Besonderheiten der Risikogruppen berücksichtigen.
Datum: 03.10.2024
Das Ziel von AstraZeneca ist es, Krebs als Todesursache zu eliminieren. Deswegen konzentrieren wir uns auf die Forschung und Entwicklung von Medikamenten der nächsten Generation, welche das Potenzial haben, die Krebsbehandlung neu zu definieren. Wir wollen noch mehr Krebspatienten Hoffnung auf eine bessere Behandlung mit Hilfe neuer Wirkstoffe geben.
AstraZeneca hatte keinen Einfluss auf den Inhalt dieses Artikels.