Frau mit chronischem Blutkrebs hat weitere Erkrankungen und muss ihre Medikamente managen
Blutkrebs
Patientenkompetenz

Medikamenten­management bei Mehrfach­erkrankungen: Tipps für CLL- Betroffene

Expertin für Medikamente bei CLL

Irma Wechsler
Abteilungsleiterin medizinisch-onkologische Tagesklinik LUKS
Verantwortliche Onco Spitex der Krebsliga Zentralschweiz

Vor allem im Alter haben Betroffene eines chronischen Blutkrebses oft weitere Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes oder Rheuma. Die Wechselwirkungen zwischen Medikamenten für unterschiedliche Leiden können deren individuelle Wirkung beeinflussen und unerwünschte Reaktionen hervorrufen.

Wir haben mit Irma Wechsler, Verantwortliche der Onco Spitex der Krebsliga Zentralschweiz, über die Herausforderung und Wichtigkeit der korrekten Einnahme von Medikamenten gesprochen.

 

Irma  Wechsler  im  Gespräch

 

Frau Wechsler, Sie sind seit 35 Jahren in der Pflege tätig. Aus Ihrer Erfahrung: Wie häufig werden Medikamente falsch eingenommen?

Irma Wechsler: Das erleben wir leider relativ häufig; insbesondere bei älteren Patient*innen, die mehrere Medikamente gegen unterschiedliche Beschwerden einnehmen müssen. Dabei erklärt die Ärzt*in jeweils genau, wofür, wann und wie die Medikamente eingenommen werden müssen – und hält dies auch schriftlich fest. Anschliessend fragen wir nochmals bei der Patient*in nach, was verstanden wurde. An der Aufklärung sollte es also nicht liegen…

 

Welches sind mögliche Gründe?

Irma Wechsler: Ich denke, die gesamte Situation ist für manche Patient*innen überfordernd – so viele Informationen gepaart mit den eigenen Ängsten und Unsicherheiten. Deshalb lohnt es sich, jeweils eine Begleitperson zum Arztgespräch mitzunehmen. Zugleich sollte die Patient*in unbedingt offene Fragen aufschreiben und beim Arztgespräch thematisieren!

Betroffene von Blutkrebs oder chronischem Blutkrebs leiden auch an anderen Erkrankungen und haben Probleme mit den Medikamenten

Wo lauern häufige Fehler bei der Medikamenteneinnahme?

Wechsler: Die Uhrzeit spielt eine wichtige Rolle und muss zwingend eingehalten werden. Ebenso ist die Einnahmeform unterschiedlich: Müssen die Medikamente gekaut, geschluckt oder zermörsert werden? Auch die Einnahme mit einem Glas Milch oder Fruchtsaft kann sich negativ auf die Wirkung auswirken.

 

Welche negativen Auswirkungen können entstehen, wenn die Medikamente nicht gemäss Vorgaben eingenommen werden?

Wechsler: Im schlimmsten Fall kann das Medikament seine Wirkung nicht korrekt entfalten, was dazu führt, dass die Krankheit nicht angemessen behandelt wird. Zudem könnte es zu einer Verstärkung der Nebenwirkungen kommen und dazu führen, dass Patient*innen häufiger hospitalisiert werden müssen. Darüber hinaus können neu auftretende Symptome oft nicht richtig zugeordnet werden.

 

Wie können Betroffene das Medikamentenmanagement erfolgreich bewältigen?

Wechsler: Mit dem Medi-Dosierer lassen sich die Medikamente wochenweise anrichten. Müssen Medikamente zu bestimmten Uhrzeiten eingenommen werden, sollte man sich einen Wecker stellen. Auch Familienangehörige oder Partner*innen können eine wichtige Stütze sein.

Medikamente bei Blutkrebs und chronischem Blutkrebs wie CLL

Wie beeinflusst die gleichzeitige Einnahme mehrerer Medikamente zur Behandlung unterschiedlicher Erkrankungen deren Wirkung und Verträglichkeit?

Wechsler: Einige Medikamente können sich gegenseitig in ihrer Wirkung verstärken oder abschwächen, was zu unerwünschten Effekten oder einer verminderten Wirksamkeit führen kann. Zum Beispiel können einige Krebsmedikamente die Wirkung von Medikamenten zur Behandlung von Bluthochdruck abschwächen oder umgekehrt. Dies prüfen die Fachärzt*innen vor der Verschreibung genau. Je mehr Medikamente eingenommen werden, desto grösser ist zudem das Risiko von Nebenwirkungen. Daher ist es sehr wichtig, dass eine zentrale Stelle, zum Beispiel eine Hausärzt*in, die Einnahme und Nebenwirkungen der verschiedenen Medikamente überprüft.

 

Was sollten Patient*innen ihren Fachärzt*innen über die Einnahme mehrerer Medikamente mitteilen?

Wechsler: Wichtig ist, dass die Patient*innen jeweils Rückmeldung geben zu Nebenwirkungen und Verträglichkeit. Ich betreute vor einiger Zeit eine Patientin, die über Schlafprobleme klagte. Wir fanden heraus, dass sie ihre Cortisontabletten jeweils abends anstatt morgens einnahm. Da Cortison aufputscht, waren ihre Einschlafprobleme erklärt – und mit der veränderten Einnahme behoben. Die Patient*innen müssen der Ärzt*in auch unbedingt mitteilen, wenn sie auf eigene Faust pflanzliche Arzneinmittel oder Nahrungsergänzungsmittel einnehmen. Auch hierbei kann es zu unerwünschten Wechselwirkungen kommen.

«Es ist zentral, dass die Patient*in über ihre Medikation Bescheid weiss.»

Irma Wechsler

Wie wichtig ist es, dass die Patient*innen selbst den Überblick über Ihre Medikation behalten?

Wechsler: Es ist zentral, dass die Patient*in über ihre Medikation Bescheid weiss. Früher managte der Hausarzt alles. Heute sind oft viele spezialisierte Ärzt*innen involviert und man muss aufpassen, dass es nicht zu Doppelspurigkeiten kommt. Deswegen ist der Austausch zwischen Spezialisti*innen zentral und die Hausärzt*in sollte stets involviert bleiben. Für Betroffene ist es oftmals eine grosse Herausforderung, den Überblick zu behalten. Eine Begleitperson miteinzubeziehen ist ratsam, sodass diese auch Bescheid weiss und die Informationen weiterleiten kann – sei es der Spitex oder dem Heim.

Betroffene mit chronischem Blutkrebs brauchen Hilfe bei den Medikamenten

Welche Tipps können Sie Betroffenen mitgeben?

  • Führen Sie eine aktualisierte Liste aller Ihrer Medikamente, einschliesslich Dosierungen und Einnahmezeiten.
  • Nehmen Sie Ihre Medikamentenliste immer mit zur Ärzt*in (ausgedruckt oder auf dem Handy)
  • Besprechen Sie regelmässig mit Ihrem Arzt alle Medikamente, die Sie einnehmen, einschliesslich verschreibungspflichtiger Medikamente, frei verkäuflicher Medikamente, Nahrungsergänzungsmittel und pflanzlicher Präparate.
  • Nehmen Sie eine Begleitperson zum Gespräch mit.
  • Verwenden Sie Pillendispenser und Erinnerungsapps oder Wecker, um die Einnahmezeiten zu organisieren und sicherzustellen, dass Sie keine Dosis verpassen.
  • Involvieren Sie die Spitex in Ihr Medikamentenmanagement.
  • Wenn Fragen aufkommen, aufschreiben und nachfragen.

Angebot Onko-Spitex

Die Krebsliga Zentralschweiz bietet in der Region Sursee den Onko-Spitex-Dienst an. Dieser begleitet die pflegerische Betreuung von Krebsbetroffenen bei komplexen Krankheitsverläufen, krebsspezifischen Fragen oder Bedürfnissen zu Hause. Mit Spezialwissen ergänzt er damit die Dienstleistungen von örtlichen Spitex-Diensten, Spitälern sowie Hausärztinnen und Hausärzten. 

Mehr Informationen zur Onko-Spitex der Krebsliga Zentralschweiz gibt es hier. 

Anna Birkenmeier
Datum: 08.04.2024