Metastasierten Darmkrebs individuell behandeln
Darmkrebs
Therapien

Individuelle Therapie bei metasta­siertem Darm­krebs: Wie Behandlung und Lebens­qualität zusammen­passen

Experte für Darmkrebs

Dr. Thibaud Koessler
Oberarzt Onkologie
Universitätsspital Genf HUG

Die Behandlung von fortgeschrittenem Darmkrebs hängt von vielen Faktoren ab – vom allgemeinen Gesundheitszustand der Patient*in über persönliche Wünsche bis hin zu den Eigenschaften des Tumors. Dr. Thibaud Koessler erklärt, wie Therapieentscheidungen getroffen werden und in welchen Fällen sogar eine Heilung möglich ist.

Im  Gespräch  mit Dr  Koessler

Dr. Thibaud Koessler, welche Untersuchungen sind wichtig, um die beste Behandlung bei fortgeschrittenem Darmkrebs zu finden?

Dr. Koessler: Zu Beginn wird immer eine Computertomographie (CT) des Brustkorbs, des Bauchraums und des Beckens gemacht. Wenn die Metastasen nur in der Leber sind, wird auch eine Kernspintomographie (MRI) gemacht. Weiter benötigen wir Bluttests, um die Nieren- und Leberfunktion zu überprüfen. Wir bestimmen auch das Carcinoembryonale Antigen (CEA). Es handelt sich um einen Eiweissstoff, der beim Darmtumor vermehrt gebildet wird. Seine Werte helfen uns, die Behandlung zu überwachen. Schliesslich wird häufig auch eine Darmspiegelung (Koloskopie) empfohlen. Sie kann entfallen, wenn bereits eine Gewebeprobe (Histologie) vorliegt, mit welcher der Tumor charakterisiert werden kann.

 

Welche Behandlungsmöglichkeiten stehen aktuell für Patient*innen mit metastasiertem Darmkrebs zur Verfügung?

Koessler: Die Behandlung hängt von vielen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Alter und der körperlichen Verfassung. Auch die Wünsche und Bedürfnisse der Patient*in sind entscheidend. Die Eigenschaften des Tumors, sowie die Lokalisation der Metastasen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Sobald die Diagnose vollständig ist, besprechen Expert*innen aus verschiedenen Fachbereichen den Fall gemeinsam im sogenannten Tumorboard und legen die beste Behandlungsstrategie fest.

Metastasierten Darmkrebs und die Behandlung bei metastasierten Darmkrebs

In der Regel schlagen wir bei einer metastasierten Erkrankung zunächst eine systemische Behandlung vor, um alle Metastasen zu behandeln. Das bedeutet eine Therapie, die im gesamten Körper wirkt. In 95% handelt es sich um eine Chemotherapie. Bei einigen Patient*innen (5%) gibt es eine spezielle Veränderung in den Krebszellen, die sogenannte Mikrosatelliten-Instabilität. In diesen Fällen setzen wir statt der Chemotherapie eine Immuntherapie ein.

 

Wie wird die Behandlung an die persönlichen und medizinischen Bedürfnisse der Patient*in angepasst?

Koessler: In einem zertifizierten Zentrum wie dem unseren nimmt stets eine Ärzt*in am Tumorboard teil, welche die Patient*in kennt– das hilft bei der Entscheidungsfindung. Das Tumorboard gibt eine Behandlungsempfehlung ab, was eine erste theoretische Einschätzung darstellt. In einem zweiten Schritt bespricht die behandelnde Ärzt*in die vorgeschlagene Therapie mit der Patient*in, bevor die endgültige Behandlungsentscheidung in einer gemeinsamen Konsultation getroffen wird. Gemeinsam klären wir Fragen, wägen Vor- und Nachteile ab und berücksichtigen persönliche Wünsche. Ausschlaggebend für die Therapiewahl sind schliesslich die körperliche und psychologische Verfassung der Patient*in sowie ihre Präferenzen.

Falls die Empfehlung des Tumorboards nicht zu den Bedürfnissen oder Möglichkeiten der Patient*in passt, wird der Fall erneut besprochen. So stellen wir sicher, dass die Patient*in die gemäss ihren Vorstellungen bestmögliche Behandlung erhält.

«Wenn das Ziel die Heilung ist – was in ausgewählten Fällen möglich ist–, kann es sein, dass stärkere Nebenwirkungen in Kauf genommen werden, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen.»

Dr. Thibaud Koessler

Wie wird die Therapie an das Wohlbefinden der Patient*innen angepasst?

Koessler: Die Chemotherapie-Dosis wird anhand der Körpergrösse, der Nierenfunktion, des Gewichts und des Allgemeinzustands berechnet. Vor und während der Chemotherapie werden die Patient*innen sehr regelmässig untersucht, um Nebenwirkungen früh zu erkennen und zu behandeln.

Wenn das Ziel die Heilung ist – was in ausgewählten Fällen möglich ist–, kann es sein, dass stärkere Nebenwirkungen in Kauf genommen werden, um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen.

Bei anderen Fällen, bei denen eine Heilung nicht möglich ist, steht eine gute Lebensqualität der Patient*in im Vordergrund. Dies ist ein zentrales Ziel der Behandlung.

 

Wann ist eine Operation bei metastasiertem Darmkrebs möglich und sinnvoll?

Koessler: Wenn der Darmtumor keine Beschwerden verursacht, wird meist nicht operiert. Treten jedoch Symptome wie Blutungen oder ein Darmverschluss auf, ist eine Operation oft erforderlich.

Es gibt Hoffnung für Betroffene von metastasierten Darmkrebs

Beim Tumor des Enddarms (Rektumkarzinom) ist die Situation etwas anders, da der Tumor nahe am Schliessmuskel liegt und bei der Diagnose häufig bereits Symptome auftreten. In solchen Fällen wird nach einer vorbereitenden Behandlung mit Strahlentherapie zur Verkleinerung des Tumors – mit oder ohne Chemotherapie – oft eine Operation durchgeführt.

Die Behandlung von Darmkrebs hat in den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Dank neuer Therapieansätze, gezielter Behandlungen und besserer Unterstützungsmöglichkeiten können wir vielen Patient*innen eine bessere Lebensqualität ermöglichen – und in manchen Fällen sogar eine Heilung erreichen.

Thomas Ferber
Datum: 24.04.2025