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Prostatakrebs
Erfahrungsbericht

«Es gibt die Sexualität, aber es gibt auch Eros»

Aldo lebt seit 17 Jahren mit Prostatakrebs und allen Nebenwirkungen, die mit den Therapien einhergehen. Doch davon lässt sich der 73-jährige nicht die Lebenslust nehmen. Wir sprachen mit ihm über den Umgang mit Traurigkeit, Libidoverlust und offene Kommunikation.

Aldos  Geschichte

Der gebürtige Tessiner Aldo ist ein lebenslustiger Mann. Gut gelaunt empfängt er uns in seinem Zuhause in Chur und serviert uns frische Trauben. «Die sind aus dem Garten meiner neuen Freundin», erzählt er. Wir setzen uns auf die gemütliche Loggia und beginnen das Gespräch. Aldo schickt gleich vorweg: «Es gibt drei Typen von Patient*innen. Zwei Drittel sind einfach, die hören auf die Ärzt*innen. Zwanzig Prozent stellen ein paar Fragen. Die letzten zehn Prozent sind die schwierigen Patient*innen, zu denen auch ich gehöre.» Was Aldo als «schwierige Patient*innen» bezeichnet, würde man heute wohl auch kompetente Patient*innen nennen. Dass er in seiner Behandlung mitreden möchte und Entscheidungen auch kritisch betrachtet, das zeigte sich bereits ganz am Anfang.

Prostata Patient Erfahrungsbericht Aldo Loggia

2005 wird beim pensionierten Architekten ein aggressives Prostatakarzinom diagnostiziert. Die operative Entfernung der Prostata ist unumgänglich. Zu dieser Zeit werden für diese Operationen gerade die ersten Da-Vinci-Roboter eingesetzt. Diese ermöglichen eine hochpräzise Operationstechnik, die Blutverlust und Schmerzen für Patient*innen deutlich reduziert und auch die Infektionsgefahr verringert. Für Aldo ist klar: «Ich möchte mit einem Da-Vinci-Roboter operiert werden.» Über seine Ärzt*innen und über persönliche Kontakte versucht er, eine Verlegung an das Unispital Zürich zu erwirken – aber erfolglos. Die Vernetzung unter den Spitälern ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht weit fortgeschritten und Aldo muss nachgeben. 

Die Prostata wird ihm operativ entfernt, aber sein prostataspezifischer Antigen(PSA)-Wert ist nach der Operation noch hoch. Der dreifache Vater muss sich deshalb einer Hormonentzugstherapie unterziehen, die bis heute andauert. Eine solche Therapie ist mit einigen Nebenwirkungen verbunden. Denn das Hormon steuert nicht nur das Wachstum von Prostatazellen, sondern ist noch an vielen anderen Prozessen im männlichen Körper beteiligt. Diese Nebenwirkungen spürt auch Aldo. Oftmals ist er nach der Spritze traurig und müde. Mittlerweile weiss er, dass diese Gefühle von der Therapie kommen und wie er ihnen entgegenwirken kann. Im Sommer bringen ihm Joggen und Schwimmen Erleichterung, im Winter sind es seine Langlaufskier. Und auch das Singen im Männerchor beschert ihm Glückshormone.

«Eine Beziehung lebt auch von Emotionen und Anziehung.»

Aldo

Auch mit dem Verlust der Libido hat Aldo zu kämpfen. Denn trotz intensiver Forschung gibt es bisher keine Therapie gegen den Libidoverlust. Das kann auf Dauer eine Partnerschaft belasten. Heute sagt Aldo: «Es gibt die Sexualität, aber es gibt auch Eros. Eine Beziehung lebt auch von Emotionen und Anziehung.» Besonders aktuell wird dieses Thema, als der 73-jährige nach der Scheidung von seiner Frau sein neues Glück auf einer Partnersuche-Plattform sucht. Er setzt auf offene Kommunikation, die ihm dabei hilft, auch mit seiner künftigen Partnerin einen Weg zu finden, um Intimität auf ihre eigene Weise zu leben.

Für den Umgang mit seiner Erkrankung und den damit einhergehenden Nebenwirkungen liest Aldo viel. Vor allem die Bücher von Gerd Nagel zur Patientenkompetenz und von David Servan-Schreiber zur Ernährung bei Krebs sind ihm eine grosse Hilfe. Aldo ist es wichtig, zusätzlich zur Schulmedizin auch selbst etwas zu seinem gesundheitlichen Zustand beizutragen – sei es durch Sport, Schlaf, Ernährung oder soziale Kontakte. Mittlerweile weiss er sehr gut, was er für sich selbst tun kann.

Aldo giesst seine Blumen

Aldo auf seiner Loggia

Dieses Wissen sowie die Erfahrungen, die er gemacht hat, haben ihn auch dazu bewogen, eine Selbsthilfegruppe zu gründen. Das Bedürfnis, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und auch über die schwierigen Themen zu reden, stand dabei im Vordergrund. Vor 17 Jahren war Prostatakrebs noch ein Tabuthema und viele Männer schämten sich, darüber zu sprechen. Dagegen wollte Aldo etwas tun. Nachdem er in Genf bereits eine Gruppe von prosca.ch und in Baden eine Untergruppe von Europa Uomo besucht hat, gründete er in Chur kurzerhand selbst eine Gruppe. Die Gruppe pflegt einen intensiven Austausch und es entstanden Freundschaften, die bis heute anhalten.

Obwohl ihm bei der Diagnose nur noch vier bis fünf Jahre Lebenszeit prognostiziert wurden, lebt Aldo nun schon seit fast zwei Jahrzehnten mit dem Prostatakrebs. Und obwohl er regelmässig seinen Arzt aufsucht, geniesst er eine hohe Lebensqualität. Ein wenig Glück sei da schon dabei gewesen, meint der Senior. Neuen Betroffenen rät er denn auch zur Zuversicht und wie es ihm sein Onkologe damals empfohlen hatte: «Lebe voll!»

Movember – die Stiftung für eine bessere Männergesundheit

Männer sterben im Durchschnitt sechs Jahre früher als Frauen. Aus Gründen, die weitgehend vermeidbar sind. Die Wohltätigkeitsorganisation Movember möchte das Gesicht der Männergesundheit nachhaltig verändern. Sie setzt sich für die Bekämpfung von Prostatakrebs und Hodenkrebs sowie für die psychische Gesundheit und Selbstmordprävention ein. In ihrem Kampf gegen Prostata- oder Hodenkrebs stellt die Bewegung Männern die Hilfsmittel bereit, die sie benötigen. Sie zeigt, wie Betroffene selbst aktiv werden und sich in einfachen Schritten leichter um ihre Gesundheit kümmern können. Movember will helfen, nicht nur zu leben, sondern gut zu leben. Um das Bewusstsein für die Männergesundheit zu erhöhen und um Spenden zu sammeln, hat die Bewegung verschiedene Mitmach-Aktionen ins Leben gerufen. Diese reichen vom «Mo- Schnurrbart» über Team-Veranstaltungen zuhause und am Arbeitsplatz bis zu Spendenläufen.

Unter movember.ch finden sich Informationen zu Symptomen von Prostata- und Hodenkrebs, die Anhaltspunkte geben, wann ein Arzt konsultiert werden sollte. Da eine Früherkennung wichtig ist, sollte der Gang zum Arzt nicht hinaus gezögert werden.

www.movember.com

Journalistin: Nadine Gantner
Datum: 01.02.2023