Brustkrebs Yoga Erfahrungsbericht
Brustkrebs
Erfahrungsbericht

In Bewegung bleiben: Yoga als Anker im Leben mit Krebs

Gleich zwei Krebsdiagnosen stellen das Leben der heute 38-jährigen Josephine auf den Kopf: 2015 ein Melanom, zwei Jahre später Brustkrebs. Anstelle von Hochzeit, Familienplänen und Unbeschwertheit bestimmen plötzlich Schmerzen und Unsicherheit ihren Alltag. Doch statt sich zurückzuziehen, findet sie zurück zum Yoga. 

Was zunächst ein persönlicher Rückhalt ist, entwickelt sich zu neuer Lebensqualität und schliesslich zu einer Quelle der Stärke, die sie heute an andere Betroffene weitergibt.

 

«Sich nach einer Krebsdiagnose mit jemandem zu verbinden, der das Gleiche durchmacht wie du, kann vieles leichter machen. Doch die wichtigste Verbindung ist die zu mir selbst», erzählt Josephine auf die Frage danach, wie sie ihre Erkrankung bewältigt. Als sie 28 Jahre alt ist, wird bei ihr schwarzer Hautkrebs entdeckt. Diesen verarbeitet Josephine relativ leicht. Die Diagnose Brustkrebs zwei Jahre später bringt hingegen weitreichendere Veränderungen mit sich. Operationen, Chemotherapie, Antihormontherapie, Radiotherapie – die unbeschwerten Dreissiger drehten sich bei Josephine in eine andere Richtung. «Vieles, was ich früher gerne gemacht hatte, ging nicht mehr. Durch die Operationen hatte ich Schmerzen und Bewegungseinschränkungen, dann kam auch noch die Fatigue dazu.» Das passt damals so gar nicht in Josephines Leben: «Mein jetziger Mann und ich wollten eigentlich heiraten, eine Familie gründen – das Leben geniessen. Stattdessen musste ich lernen, mit körperlichen, aber auch sozialen Einschränkungen zu leben.»

Insbesondere die Antihormontherapie nimmt Josephine mit: «Bei der Chemotherapie musste ich einen relativ kurzen, begrenzten Zeitrahmen durchstehen, meine Antihormontherapie hingegen war auf fünf Jahre angesetzt.» Eine Therapie, die Josephines Körper durch den Hormonentzug künstlich in die Wechseljahre versetzt: Gelenkbeschwerden, Schlafstörungen, psychische Verstimmungen, Hitzewallungen, Ge-wichtsveränderungen und die Fatigue. Diese Zeit ist für sie schwer zu verkraften: «Ich fühlte mich oft wie in einem Paralleluniversum, war nicht mehr ich selbst. Durch die ganzen Therapien fühlte sich mein Leben an, als würde ich nach einem Schritt vorwärts jeweils drei Schritte zurück machen.» Und doch hat sie gelernt, die Krankheit in ihr Leben zu integrieren: «Krebs passt nie ins Leben. Aber man kann lernen, einen Weg damit zu finden.»

 

Yoga als Raum für Ruhe, Stärke und Selbstfürsorge

Das Verbinden mit sich selbst ist eine von Josephines wichtigsten Strategien im Umgang mit ihrer Erkrankung: «Nach meiner zweiten Krebsdiagnose widmete ich mich wieder mehr meiner Selbstverbindung und versuchte, diese neu zu stärken. Dabei half mir Yoga enorm.» Bereits vor dem Krebs praktizierte Josephine Yoga in unregelmässigen Abständen. Während ihren Therapiephasen entdeckt sie einen Yoga-Kurs spezifisch für Patientinnen mit Brustkrebs. «Ich fing mitten in der Antihormontherapie wieder damit an und merkte schnell, wie gut es mir tut.» Josephine findet endlich wieder Zeit für sich und ihren Körper. «Raum für sanfte Bewegungen, für mein eigenes Wohlbefinden, für die Verbindung zu mir selbst.»

In der Schweiz gibt es bisher nur wenige spezielle Yoga-Angebote für Menschen mit einer Krebserkrankung. In anderen Ländern ist man schon etwas weiter: So enthält zum Beispiel eine deutsche Leitlinie zur Behandlung von Krebspatient*innen seit 2021 auch Empfehlungen zum Einsatz von Yoga. Studien zeigen, dass Yoga helfen kann, die belastende Erschöpfung (Fatigue) zu lindern. Ausserdem kann es Angst und depressive Verstimmungen reduzieren und die Schlafqualität verbessern.

Brustkrebs Yoga Erfahrung

Josephine auf einer Farm in Neuseeland, während ihrer 300h Yoga-Aufbau-Ausbildung.

Vom eigenen Weg zur Inspiration für andere

«Ich hatte nun zunehmend das Bedürfnis, mehr über Yoga zu erfahren«, erzählt Josephine. «Schliesslich habe ich mich dazu entschieden, die Ausbildung zur Vinyasa-Yogalehrerin zu machen». Heute unterrichtet sie selbst Yoga, mit einer spezialisierten Ausbildung als Yoga & Krebs-Trainerin, die sich spezifisch an Menschen mit Krebs richtet. Noch ist die Aufmerksamkeit für das Thema und damit auch die Nachfrage eher begrenzt. Doch die Rückmeldungen der Teilnehmer*innen sind durchwegs positiv. Gleichzeitig merkt Josephine, dass Yoga gegenüber viele Vorurteile vorherrschen. Viele glauben, man müsse besonders fit oder beweglich sein. «Yoga heisst nicht, dass man den Kopfstand machen muss», lacht Josephine. «Es gibt so viele verschiedene Praktiken und Yoga bietet in jeder Phase Möglichkeiten .» Je nach Bedürfnis oder körperlicher Verfassung kann der Fokus auf der körperlichen Praxis liegen, oder eben auf Atemübungen, Meditationen, Mantren oder anderen Formen.

Yoga bedeutet für Josephine, sich selbst etwas Gutes zu tun, sich selbst zu helfen. Dieses «Aktiv-werden» ist für sie eine wichtige Strategie im Umgang mit der Krebsdiagnose und den Therapiefolgen. «Mein Mann und ich wurden nach der Krebsdiagnose gefragt, ob wir unsere Hochzeit nicht lieber verschieben wollen – doch wir entschieden uns dazu, an unseren Plänen festzuhalten.» So plant Josephine während den Therapien ihre Traumhochzeit und hofft darauf, dass ihre Haare bis zum Trauungstermin im Mai 2018 wieder nachgewachsen sind und sie sich ohne starke Gelenkschmerzen frei bewegen kann. «Wir feierten nicht nur ein wunderschönes Hochzeitsfest, sondern ein Fest des Lebens.»

Was Josephine aus den Erkrankungen gelernt hat, ist die Erkenntnis, das Leben weiterzuleben, auch wenn Ziele manchmal angepasst werden müssen. Obwohl sie heute krebsfrei ist, vermisst sie an ihrem alten Leben die Unbeschwertheit: «Die Leichtigkeit ging mit meiner Erkrankung verloren.» Gleichzeitig gelingt es ihr, ihre Diagnose als Chance für Wachstum zu begreifen, als Chance dazu, Neues zu lernen. In Bewegung zu bleiben ist das Stichwort, das im Gespräch mit Josephine immer wieder fällt – nicht nur im Sinne physischer Bewegung, sondern auch im Sinne eines aktiven Umgangs mit dem Krebs: «So eine Diagnose bedeutet, trotz der lähmenden Erkrankung aktiv im Leben zu bleiben und zu akzeptieren, dass Leben Veränderung bedeutet und Selbstverantwortung zu übernehmen.»

Yoga bei Krebs

Angebote für Yoga bei Krebs findest du bei vielen regionalen Krebsligen oder Spitälern. Josephines Angebote findest du auf ihrer Website.

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Journalistin: Paula Wollenmann
Datum: 09.10.2025