ADC Antikörper Wirkstoff Konjugate Brustkrebs
Brustkrebs
Therapien

ADCs bringen die Brust­krebs­behandlung weiter voran

ADC Antikörper Wirkstoff Konjugate Brustkrebs Experte

Dr. Anton Oseledchyk
Stv. Oberarzt Onkologie
Universitätsspital Basel

Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) haben die Behandlungsaussichten und die Prognose vieler Brustkrebspatientinnen bedeutend verbessert. Sie bringen ihre Fracht gezielt zur Tumorzelle und erlauben so eine schonendere Behandlung als mit herkömmlichen Zytostatika. Trotzdem sind die Nebenwirkungen nicht ganz verschwunden.

Was sind ADCs, wie wirken sie und worin unterscheiden sie sich von klassischen Therapien?

Dr. Anton Oseledchyk: Antikörper-Wirkstoff-Konjugate (ADCs) bestehen aus einem chemotherapeutischen Wirkstoff (Chemo), der an einen Antikörper gebunden wird. Der Antikörper dockt zielgerichtet an das Tumorgewebe an und verabreicht die Chemo so direkt dem Tumor. Ein ADC ist also eine zielgerichtete Chemotherapie. Das heisst aber auch, dass die Nebenwirkungen einer Chemotherapie trotzdem auftreten. Der Vorteil ist jedoch, dass die Chemotherapie dank den ADCs im Körper nicht gleichmässig verteilt wird, sondern sich vorwiegend im Tumor anreichert. Der Tumor erhält somit mehr toxische Dosis, der übrige Körper weniger.

 

Für welche Patientinnen sind ADCs geeignet und wann kommen sie zum Einsatz?

Oseledchyk: Wir unterscheiden beim Brustkrebs je nach der Beschaffenheit des Tumorgewebes zwei Arten von ADCs. Ein ADC wird beim HER2-positiven Brustkrebs eingesetzt. HER2 ist ein Eiweiss, das an der Oberfläche der Tumorzelle sitzt und das Tumorwachstum begünstigt bzw. antreibt. Das ADC dockt an diesem Eiweiss an und zerstört die Krebszelle. Da schon eine geringe Anzahl von HER2-Molekülen ausreicht, damit genügend ADCs andocken können, kann diese Therapie auch bei der Behandlung von Brustkrebspatientinnen eingesetzt werden, die traditionell als HER2 negativ galten und nun als HER2 low bzw. ultra low neu klassifiziert werden. Ein zweites ADC kommt vor allem beim Triple-negativen Brustkrebs zum Zug. Es richtet sich gegen das Trop-2 Eiweiss, welches in nahezu allen Brustkrebstypen nachweisbar ist. Auch hier kommt es zu einer Umverteilung der Chemotherapie zu Gunsten einer hohen Dosis am Tumor. Alle ADCs werden beim metastasierten Brustkrebs derzeit ab der zweiten Linie eingesetzt, das heisst, wenn die erste Behandlungslinie mit anderen Wirkstoffen nicht erfolgreich war. Aktuelle Studien haben auch die Gabe von ADCs in der ersten Therapielinie beim metastasierten Brustkrebs untersucht, im klinischen Alltag ist dies aber kein Standard.

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Wie wird die Therapie mit ADCs verabreicht?

Oseledchyk: Bei den meisten ADCs erfolgt die Verabreichung intravenös alle drei Wochen. Die Infusion dauert eine Stunde. Vorgängig erhalten die Patientinnen bereits prophylaktisch mehrere unterschiedliche Medikamente gegen Übelkeit, um eine gute Verträglichkeit zu begünstigen.

 

Wie gut verträglich sind ADCs im Vergleich zu herkömmlichen Behandlungen?

Oseledchyk: Im Vergleich zu den herkömmlichen Chemotherapien sind ADCs etwas besser verträglich, weil mehr Wirkstoff im Tumor landet und weniger im übrigen Körper. Trotzdem können alle typischen Nebenwirkungen von Chemotherapien auftreten. Die Wirksamkeit von Chemotherapien beruht auf der Schädigung der DNA selbst, oder den Eiweissen, die mit der DNA interagieren. Gesunde Zellen können diese Schäden häufig reparieren und überleben teilweise. Kranke Zellen oder Zellen, die sich sehr schnell vermehren, überleben nicht. Davon betroffen ist beispielsweise das blutbildende Knochenmark, was zu erhöhter Müdigkeit und Erschöpfung, sowie Infektanfälligkeit führen kann. Dies kann durch regelmässige Blutbildkontrollen erkannt werden. Auch die Schleimhäute des Verdauungstraktes werden häufig in Mitleidenschaft gezogen. Dies kann sich durch Gastritis, Durchfall oder Wunden im Mund äussern. Schliesslich gibt es von Medikament zu Medikament Unterschiede. Die einen machen mehr Übelkeit, die anderen beeinträchtigen die kleinen Nervenenden (Polyneuropathie). Auch Haarausfall kann auftreten. Eine seltene, aber wichtige Nebenwirkung ist eine Lungenentzündung, sodass bei Kurzatmigkeit umgehend eine ärztliche Konsultation erfolgen sollte.

ADCs haben die Therapie von metastasiertem Brustkrebs wirklich revolutioniert.

Dr. Oseledchyk

Wie kann man den Nebenwirkungen begegnen?

Oseledchyk: Übelkeit können wir prophylaktisch bekämpfen. Zudem bekommt jede Patientin ein Dauerrezept mit Reservemedikamenten, die eingenommen werden, sobald die Beschwerden auftreten. Das sind zwei Medikamente gegen Übelkeit sowie ein Mittel gegen Durchfall. Auch gegen Verstopfung gibt es ein Rezept, sowie gegen Magenschmerzen. Falls erforderlich, wird eine Mundspüllösung mit Kortison verschrieben. Die Patientinnen werden mit allen erforderlichen Medikamenten versorgt. Die wichtigste Regel ist, dass Patientinnen sich bei ersten Anzeichen sofort melden. Hierfür werden die Patientinnen ausführlich aufgeklärt und instruiert. Nebenwirkungen sollen immer sofort behandelt und niemals einfach ausgehalten werden.

 

Was möchten Sie Betroffenen und ihren Angehörigen abschliessend mit auf den Weg geben?

Oseledchyk: ADCs haben die Therapie von metastasiertem Brustkrebs wirklich revolutioniert und das Überleben von Patientinnen häufig um Jahre verlängert. Trotz dieser Fortschritte ist aber leider immer noch keine Heilung möglich. Obwohl diese Behandlungen nicht nebenwirkungsfrei sind, erlaubt heute die grosse Erfahrung im Umgang mit den Nebenwirkungen eine gute Lebensqualität. Ich bin sehr zuversichtlich, dass es auch beim metastasierten Brustkrebs bald weitere Behandlungsfortschritte geben wird.

Journalist: Thomas Ferber
Datum: 09.10.2025