
Bei Darmbeschwerden auch an Eileiter-/ Eierstockkrebs denken!

Jährlich erkranken rund 800 Frauen in der Schweiz an einem Krebs des Eileiters oder des Eierstocks. Obschon diese Krebsarten meist erst in einem späten Stadium entdeckt werden, sind die Prognosen vielfach gut. «Mittlerweile überleben viele Frauen dank neuen Therapien diese Erkrankung», sagt Prof. Viola Heinzelmann.
Prof. Heinzelmann im Gespräch
Prof. Heinzelmann, was ist der Unterschied zwischen Eierstock- und Eileiterkrebs?
Wir wissen heute, dass insbesondere der aggressive Eierstockkrebs in der überwiegenden Mehrheit der Fälle (60-70 Prozent) wahrscheinlich vom Eileiter ausgeht und sich in den Eierstock ausbreitet. Diese Erkenntnis haben wir erst, seit wir Patientinnen mit einer Genmutation prophylaktisch die Eierstöcke und Eileiter entfernen: In vielen Fällen zeigt sich, dass frühe Karzinome bereits im Eileiter darstellbar sind. Somit geht der aggressive Eierstockkrebs eigentlich vom Ende des Eileiters aus.
Sie haben die Genmutation angesprochen – ist diese der grösste Risikofaktor für die Entstehung eines Eileiter-/ Eierstockkrebses?
In der Tat steigt bei Patientinnen mit einer sogenannten BRCA1 oder 2 Mutation das Risiko an einem Eileiterkrebs zu erkranken bereits ab einem Alter von 40 rapide an. Deswegen empfehlen wir in diesen Fällen vorbeugend die Entfernung der Eileiter und Eierstöcke, manchmal auch zusätzlich der Brustdrüsen.

Wie weiss eine Frau denn, ob sie so eine Genmutation hat?
Das Wichtigste ist, dass man die Familiengeschichte (über drei Generationen mütterlicher- und väterlicherseits)
erfragt, um herauszufinden, ob es Familienmitglieder mit Brust-, Eierstock-, Prostata-, oder Bauchspeicheldrüsenkrebs gibt. Je früher jemand an einer dieser Krebsarten erkrankt ist, desto mehr besteht der Verdacht einer Genmutation. In diesen Fällen überweisen wir die Patientinnen zu einer genetischen Beratung.
Bei rund 75 Prozent der betroffenen Frauen wird der Eileiter-/Eierstockkrebs erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt. Welche Symptome können ein Hinweis auf die Erkrankung sein?
Eine frühzeitige Diagnose ist praktisch unmöglich, auch Screenings zeigen hier keinen Erfolg. Das Wichtigste ist, dass man die Familienanamnese anschaut. Ist der Krebs bereits fortgeschritten, haben die Frauen sehr unspezifische Symptome und häufig Beschwerden, die vom Darm ausgehen: Blähungen, einen aufgetriebenen Bauch, Verstopfung und Durchfall im Wechsel. Bei derartigen unerklärbaren Darmbeschwerden sollte unbedingt auch an gynäkologische Erkrankungen gedacht werden!
«Die Prognosen haben sich stark verbessert.»
Wie wird die Diagnose gestellt?
Oftmals spürt man bereits bei der gynäkologischen Tastuntersuchung eine nicht-verschiebliche feste Veränderung. Es folgt eine Ultraschalluntersuchung über die Scheide und bei Erhärtung des Verdachts eine Computertomografie sowie die Bestimmung der Tumormarker.
Die Mehrheit der betroffenen Frauen haben bei Diagnosestellung bereits Metastasen im Bauchraum. Welche Behandlungsoptionen gibt es hier?
Das A und O ist, dass der Tumor während der Operation komplett entfernt wird. Dazu arbeiten wir in einem Team aus gynäkologischen Onkologen sowie Fachspezialisten, je nachdem welche Organe betroffen sind, zusammen. Anschliessend an die Operation folgt eine Chemotherapie. Nach Ende der Chemotherapie bekommen die Frauen eine sogenannte Erhaltungstherapie, die sich oft über Jahre hinstrecken kann.
Welche Prognosen haben Frauen, die mit einer solchen Erhaltungstherapie behandelt werden?
Die Prognosen haben sich dank dieser Therapieform stark verbessert und neben den Frauen, die von der Erkrankung geheilt werden, überleben viele Frauen bis 10 Jahre. Im Vergleich: vor Einführung der Erhaltungstherapie haben nur 20% der Patientinnen 5 Jahre überlebt.
Datum: 26.09.2022
Im Tumorzentrum des Universitätsspitals Basel werden Patientinnen und Patienten mit der Diagnose Krebs von einem hoch spezialisierten Behandlungsteam betreut und begleitet. Fachleute verschiedener Disziplinen sorgen gemeinsam für eine Krebstherapie nach aktuellem Forschungsstand. Geleitet wird das Tumorzentrum von Prof. Frank Zimmermann (Vorsitz), Chefarzt Radioonkologie und Dr. Astrid Beiglböck (Geschäftsführerin), Leiterin Medizinische Zentren.
www.unispital-basel.ch/tumorzentrum