Alexandra lebt mit einem Hirntumor und behandelt diesen innovativ
Hirntumor
Erfahrungsbericht

Alexandras Leben mit Hirntumor

Die Diagnose Glioblastom erschüttert Alexandra und ihren Mann Matthias zutiefst. Während sie nichts von den düsteren Prognosen wissen möchte, vertieft er sich in das Thema.

Ein wunderbares Team

Seit über 32 Jahren sind Alexandra und Matthias verheiratet. Wie die beiden miteinander umgehen, sich beiläufig berühren, mit einem schmunzelnden «jetzt bin ich aber wieder dran» beim Gespräch unterbrechen, wie sie sich anblicken und über ihr Leben erzählen: Man spürt in jedem Moment, wie stark das Band zwischen Alex und Matthias ist. Man spürt, wie sehr sie das Erlebte, der unerwartete Sturm in ihrem Leben, prägt, wie stark ihr Kampfgeist und ihr Miteinander sind, wie sehr sie aufeinander angewiesen sind. «Wir sind ein wunderbares Team», sagen die beiden. Man zweifelt keinen Moment daran.

 

Gedächtnislücken und dann eine niederschmetternde Diagnose

Die Diagnose Glioblastom traf Alexandra aus dem Nichts. Zwar hatte sie zunehmend Gedächtnislücken und bekam von ihren Töchtern immer wieder zu hören:  ‘Mama, das haben wir dir doch schon einmal erzählt’, besorgt war sie darüber aber nicht. Hohe Belastung im Job, Wechseljahre – kein Grund zur Sorge, dachte Alex. Abklären liess sie es dennoch bei ihrer Hausärztin. Nebst Blutuntersuchungen ordnete diese ein MRI des Kopfes an und meldete sich schon kurz nach der bildgebenden Untersuchung. «Dann schlug die Bombe ein», erinnert sich Alex.

Alexandra beim Klettern in Italien.

«Man habe da etwas entdeckt», teilte ihr die Ärztin mit. Zunächst sah alles lediglich nach einem Kavernom aus, einem erweiterten Blutgefäss. Für Alex bedeutete das erst einmal erleichtertes Aufatmen: «Hauptsache kein Tumor», so ihr erster Gedanke. Eine Operation war kein Muss, Alex entschied sich dennoch dafür – zum Glück.  Denn hier zeigte sich die böse Überraschung: Das vermeintlich harmlose Kavernom war ein hochaggressiver Hirntumor, genauer ein Gliom WHO-Grad 4.

 

Matthias der Realist

«Für mich ist eine Welt zusammengebrochen. Mit einem Mal waren sämtliche Zukunftsträume, die Alex und ich hatten, zersprungen», erzählt Matthias. Ein gemeinsamer Lebensabend, in ihrem Reisebüsli durch die Welt ziehen und neue Klettergebiete erkunden – ausgeträumt. 15 Monate ist die statistische Restlebenszeit nach Diagnose trotz Standardtherapie – diesen Frühling ist sie abgelaufen.

Alexandra kann mit ihrem Therapiegerät ihrem Hobby dem Klettern nachgehen.

5 Minuten Krebs-Talk täglich – nicht länger 

Alexandra hingegen sieht stets das halbvolle Glas und setzt sich mit der Krankheit und deren Folgen weit weniger auseinander. Auch aus Selbstschutz. «Ich konnte keine Statistiken hören, wollte nichts von den düsteren Prognosen wissen», erzählt sie. Körperlich geht es ihr gut, eine Woche nach der Operation ist das kletterbegeisterte Paar schon wieder in der Kletterhalle unterwegs. Die 52-Jährige fokussiert sich auf die positiven, schönen Dinge, lenkt sich mit Freunden ab und gab ihrem Mann täglich fünf Minuten, um über die Krankheit zu sprechen. «Viel zu wenig», wirft Matthias ein. Und man spürt, wie allein er sich mit seinen Ängsten gefühlt haben muss.  Er wollte sprechen, sie klemmte ab. Für sie als Paar sei diese Zeit herausfordernd gewesen, sie mussten sich wieder neu finden, neue Strategien erarbeiten. Aber sie haben „den Rank gefunden“.

 

Aktiv trotz Einschränkungen

Alex drückt mehrfach aus, wie dankbar sie ist für ihre Freunde, und vor allem für  Matthias, der sich so intensiv mit den verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten zur Standardtherapie auseinandergesetzt hat. «Sonst hätte ich heute wohl keine Mütze auf dem Kopf», lacht sie. Gemeint ist die Therapie mit Tumor Treating Fields (TTFields) bzw. die Mütze, mit der sie die sogenannten Arrays, die an ihrem Kopf angebracht sind, gekonnt kaschiert.

Sogar schwimmen in der Aare ist für Alexandra möglich.

Bei dieser Therapie wird mittels elektrischer Wechselfelder die Zellteilung im Tumor gestört. Dadurch kann das Gliom nicht oder nur verzögert weiterwachsen. Die Therapie wird ambulant und kontinuierlich angewendet. Die Entscheidung für TTFields war nicht einfach und warf bei Alexandra viele Fragen und Sorgen auf. Der Start war mit dem Abrasieren der Haare einschneidend. Doch nach dem ersten Kleben der Arrays auf die Kopfhaut und dem Tragen des Therapiegerätes wie eine Umhängetasche hat sich Alexandra erstaunlich rasch eingewöhnt. Seither gehören die Mütze und das Therapiegerät zu ihr – und halten sie nicht davon ab, aktiv zu sein. Sei es beim Klettern, Schwimmen* oder bei der Gartenarbeit.

 

  • *Vor dem Schwimmen wird das Therapiegerät ausgeschaltet, die Kabel von der Batterie getrennt und die Arrays sicher unter einer Badekappe verstaut.

„Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist.“

Leitsatz für Alexandra und Matthias

Täglicher Medikamentencocktail

Seit Abschluss der Standardtherapie macht Alexandra eine weitere Therapie, bestehend aus neun unterschiedlichen Medikamenten zusätzlich zu einem Chemotherapeutika. Auch diese Therapie hat sie letztlich den Recherchen ihres Mannes zu verdanken. Es ist eine wenig bekannte, jedoch hoffnungsvolle Medikamenten-Kombinationstherapie. Der Glioblastom-Spezialist, welcher Alexandra diese Therapie ermöglichte, hat den beiden wieder Hoffnung gegeben und sein Leitsatz hat sie geprägt: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist“. Ein Leitsatz, der in ihrem festen Glauben an Gott und daran, dass er Wunder wirken kann, eine ganz besondere Bedeutung für sie hat. Was für ein Kontrast zu der Haltung und Aussage von anderen Ärzten, wo Therapie-Vorschläge einfach abgeschmettert wurden mit der knallharten, unsensiblen Aussage: «An dieser Krebsart werden Sie sowieso sterben». Umso dankbarer sind sie für die gefundenen Mediziner*innen, die sich Zeit für sie nehmen, Mut machen und sie auf ihrem Weg unterstützen, auch wenn dieser nicht in allen Punkten dem Standard entspricht.

 

Auf einem Weg, der derzeit durchaus hoffnungsvoll ist: Alexandra geht es den Umständen entsprechend gut. Alle zwei Monate wird ein MRI durchgeführt, um ein allfälliges Rezidiv möglichst frühzeitig zu erkennen. Bislang ist der Tumor nicht wieder gewachsen. So ist die Hoffnung gross, dass Alex, Matthias und ihrer Familie noch mehr gemeinsame Zeit bleibt.

Alexandra lebt ihr Leben im Hier und Jetzt.

Begriffserklärung

Gliom: Ein Gliom ist ein Tumor, der aus Gliazellen im Gehirn oder Rückenmark entsteht. Gliome können unterschiedliche Grade der Bösartigkeit haben, von gutartig (niedriger Grad) bis bösartig (hoher Grad).

Glioblastom: Dies ist eine spezifische Art von Gliom und gilt als die bösartigste Form, eingestuft als WHO-Grad 4. Glioblastome wachsen sehr schnell, sind aggressiv und haben eine schlechte Prognose. Eine weitere Bezeichnung für Glioblastome ist Gliom WHO-Grad 4.

 

Anna Birkenmeier
Datum: 01.10.2024