
Klinische Studien und Early Access Programme bei Blutkrebs

Klinische Studien und Early-Access-Programme versorgen Krebspatient*innen mit neuen und wirksamen Medikamenten. Dies ist besonders wichtig für Patient*innen, bei denen frühere Therapien nicht mehr wirksam sind oder bei denen die Nebenwirkungen früherer Therapien durch weniger toxische neue Behandlungen aufgehalten werden können.
Herr Prof. Bertoni, welche Arten von Blutkrebs gibt es, und wie häufig sind sie?
Prof. Bertoni: Blutkrebs, einschliesslich akuter und chronischer Leukämien, multipler Myelome und vieler Arten von Lymphomen, macht fast 10 % aller Tumoren aus. Blutkrebserkrankungen betreffen sowohl Kinder als auch Erwachsene. In der Schweiz erkranken jährlich rund 2200 Menschen an einem Lymphom, 1100 an einer Leukämie und 600 an einem multiplen Myelom. Dank der Therapiemöglichkeiten haben viele Menschen eine gute Prognose und können mit der Krankheit leben. In ein paar Jahren rechnen wir zum Beispiel mit beinahe 12000 Menschen, die in der Schweiz mit einem Lymphom leben.
Welche Bedeutung haben klinische Studien im Bereich Blutkrebs?
Prof. Bertoni: Klinische Studien spielen eine wichtige Rolle und dienen dazu, bestimmte Fragen zu neuen Therapien und Medikamenten zu beantworten. Es ist auch den vergangenen und laufenden klinischen Studien zu verdanken, dass immer mehr Menschen mit Blutkrebs heute eine gute Prognose haben. Klinische Studien sind von grundlegender Bedeutung, um unser Wissen zu erweitern und um zu entscheiden, welche Behandlungen wirksam und nützlich sind.
Warum ist es wichtig, klinische Studien in der Schweiz durchzuführen und welchen Nutzen haben die Patient*innen davon?
Prof. Bertoni: Klinische Studien haben zum Ziel, die beste verfügbare Behandlung für Menschen mit einer bestimmten Krebsart zu finden. Dies kommt den Patient*innen direkt zugute. Patient*innen, die an einer Studie teilnehmen, erhalten die beste verfügbare Behandlung und haben frühzeitig Zugang zu den neuesten und vielversprechendsten Therapien. Und die betreffenden Medikamente sind durch die klinische Studie abgedeckt.
Es ist auch den vergangenen und laufenden klinischen Studien zu verdanken, dass immer mehr Menschen mit Blutkrebs heute eine gute Prognose haben.
Wie läuft eine klinische Studie ab?
Prof. Bertoni: Eine Studie ist in der Regel für eine bestimmte Gruppe von Patienten mit einer bestimmten Krebsart konzipiert, bei der das Medikament am besten wirken soll.
Wenn ein Patient die spezifischen Merkmale des Tumors aufweist, kann er in die Studie aufgenommen werden. Informationen über laufende Schweizer Studien findet man online auf der Website der KOFAM* der SAKK* und einzelnen Spitälern sowie auf Social-Media-Plattformen. In der Regel sind in der Schweiz auch die Ärztinnen gut über klinische Studien informiert. Die behandelnde Ärztin informiert qualifizierte Patient*innen direkt.
Sind klinische Studien sicher?
Prof. Bertoni: Ja, die Studien sollten für die Patient*innen sicher sein. Es gibt viel mehr Kontrollen als bei einer Behandlung ausserhalb einer klinischen Studie. Das an klinischen Studien beteiligte Personal wird regelmässig überwacht, und jedes Forschungsprojekt wird auch von der zuständigen Ethikkommission* und der Swissmedic* geprüft und genehmigt.
Traditionell gibt es drei Phasen von Studien, um ein neues Medikament zu bewerten. In Phase I wird die maximal verträgliche Dosis eines neuen Medikaments ermittelt, in Phase II wird geprüft, wie sicher die Behandlung ist und wie gut sie wirkt und in Phase III wird die neue Behandlung mit der derzeitigen Standardbehandlung verglichen, um festzustellen, ob die Behandlung besser ist als die Standardbehandlung oder genauso wirksam, aber mit geringerer Toxizität.

Was ist ein Early-Access-Programm?
Prof. Bertoni: Innerhalb eines Early-Access-Programmes (wörtlich übersetzt: Frühes-Zugang-Programm) können Patient*innen in besonders schweren Krankheitsfällen mit einem Medikament behandelt werden, das noch nicht von den schweizer Behörden zugelassen ist. Man spricht hier vom «compassionate use» («Anwendung aus Mitgefühl») eines Medikaments. Dieses Medikament wurde bereits in einer klinischen Studie erfolgreich getestet und hat die Marktzulassung in einem anderen Land (meist der EU oder USA) erhalten. Im Rahmen des Early-Access-Programmes können so auch Schweizer Patient*innen diese Medikamente zur Verfügung gestellt werden. Patient*innen können an dem Programm kostenlos teilnehmen, sofern die Kriterien für die Behandlung erfüllt sind und keine andere Behandlung zur Verfügung steht. Die Early-Access-Programme werden ebenfalls von der Swissmedic und der Ethikkommission geprüft und genehmigt.
Welche Early-Access-Programme gibt es bei Blutkrebs in der Schweiz?
Prof. Bertoni: Ärzte wenden sich direkt an die Pharmaunternehmen für weitere Informationen zu solchen Programmen in der Schweiz. Im Moment gibt es zum Beispiel Programme für antikörperbasierte Therapien, die sogenannten bispezifischen Antikörper oder Antikörper-Wirkstoff-Konjugate.
Glossar
Swissmedic
Swissmedic ist die Schweizerische Zulassungs- und Aufsichtsbehörde für Arzneimittel und Medizinprodukte. Sämtliche Arzneimittel für Menschen und Tiere dürfen erst mit der Zulassung von Swissmedic auf den Markt gebracht werden. Das Institut gewährleistet, dass in der Schweiz nur qualitativ hochstehende, sichere und wirksame Heilmittel erhältlich sind.
Ethikkommission
Die Ethikkommission setzt sich für die Einhaltung der ethischen Standards in der Forschung ein. Der Schutz des Individuums steht dabei an oberster Stelle und hat Vorrang vor den wissenschaftlichen Interessen der Gesellschaft.
KOFAM
Die Koordinationsstelle Forschung am Menschen (KOFAM) sichert Abstimmung und Austausch zwischen den Ethikkommissionen und anderen Prüfbehörden. Zudem stellt sie der breiten Öffentlichkeit sowie den Forschenden Informationen zur Verfügung.
SAKK
Die Schweizerische Arbeitsgemeinschaft für klinische Krebsforschung (SAKK) ist eine gemeinnützige Organisation, die Wirksamkeit und Verträglichkeit neuer Therapien in der Onkologie untersucht und bestehende Krebsbehandlungen weiterentwickelt. Dazu führt sie von der Industrie unabhängige klinische Studien durch.
Datum: 26.09.2022

GSK ist ein weltweit forschendes Gesundheitsunternehmen mit dem Anspruch, die Lebensqualität von Menschen zu verbessern. Unsere Arbeit in der Onkologie konzentriert sich darauf, die Überlebenschancen von Patient*innen durch innovative Medikamente zu erhöhen. Wir setzen uns für Menschen mit Krebs ein.