Mitten im Leben: Ilonas Weg mit Myelofibrose
Als Ilona die Diagnose Myelofibrose erhält, versteht sie die Welt nicht mehr. Heute ist sie dankbar für all die Dinge, die sie durch die Krankheit erleben durfte. Und sie hat gelernt: Die Krankheit ist nur ein Teil, nicht das Ganze ihres Lebens.
Ilona (61) strahlt eine Lebensfreude aus, die ansteckend ist. Die gelernte Praxisassistentin lebt in Biel in einer Wohnung mit liebevoll gepflegtem Garten, ihrer kleinen «Oase» wie sie es nennt. Draussen summen die Hummeln und Schmetterlinge, drinnen herrscht das kreative Chaos. Neben der medizinischen Laufbahn ist Ilona nämlich auch gelernte Schneiderin. «Ich mache gerne Dinge mit den Händen und die kreative Arbeit gibt mir den Ausgleich zur Arbeit in der Klinik», sagt sie.
Im 2016, Ilona ist gerade in den Ferien in Österreich, erkrankt sie an einer Angina und leidet unter starken Halsschmerzen. So stark, dass sie am Ende der Woche den Notfall aufsucht. Dort wird eine Blutuntersuchung gemacht, die auffällige Werte zeigt. Die Ärztin rät daraufhin zu einer zweiten Untersuchung. Es zeigt sich, dass Ilonas Thrombozytenwerte stark erhöht sind – ein Anzeichen für eine Myelofibrose. Myelofibrose ist eine seltene chronische Erkrankung des Knochenmarks. Dabei kommt es zu einer unkontrollierten Blutbildung. Ilona erklärt es so: «Die Thrombozyten, also die Blutplättchen im Blut, werden immer mehr, bis es zu viele sind und sie ihre Arbeit nicht mehr machen können. Das ist, als wären zu viele Menschen in einem Raum. Dann kann sich auch niemand mehr bewegen.»
Die Diagnose ist anfänglich für Ilona ein Schock. Die Bielerin hatte sich bis anhin immer gesund gefühlt und keine Beschwerden gespürt. «Am Anfang fragt man sich natürlich, wie viel Zeit einem noch bleibt. Soll ich den Job künden und auf Reisen gehen? Im Internet liest man ja auch viele traurige Statistiken.» Ilona stösst bei ihren Recherchen aber rasch auf eine deutsche Patientenorganisation. Dort liest sie Geschichten von Betroffenen, die schon viele Jahre ein gutes Leben mit Myelofibrose führen und schöpft neue Hoffnung. «Auch die Frage nach dem «warum» habe ich mir am Anfang gestellt. Heute weiss ich aber, dass diese Frage nirgendwo hinführt. Manchmal hat man einfach bei der Verteilung der Gene Pech gehabt.»
Ilona hat gelernt: Die Krankheit ist nur ein Teil, nicht das Ganze ihres Lebens.
Ilona befindet sich derzeit in der sogenannten "Watch and Wait"-Phase. Sie nennt es auch augenzwinkernd «abwarten und Tee trinken». Sie nimmt also keine Medikamente ein, muss aber regelmässig zu Kontrolluntersuchungen. Die Ungewissheit zwischen den Terminen belastet sie manchmal, da sie weiss, dass sich die Krankheit irgendwann verschlechtern wird. Und obwohl es Ilona im Allgemeinen gut geht, merkt sie doch auch, wie die Myelofibrose in ihrem Körper arbeitet. Sie leidet häufig unter Müdigkeit, Konzentrationsschwierigkeiten, Schlafstörungen und Schmerzen in den Oberschenkeln. Darauf angesprochen, wie sie mit diesen Beschwerden umgeht, kommt die Antwort sofort: «Eisbaden und Kältekammern!»
Mit grossem Enthusiasmus berichtet Ilona von ihren regelmässigen Besuchen in der Aare und in einer Kältekammer in Bern. Ausgerüstet mit Neoprenschuhen, Mütze und Handschuhen und gut vorbereitet mit Atemübungen hält sie es bis zu 4 Minuten im eisigen Fluss aus. «Danach erlebt man ein richtiges Hoch und fühlt die Wärme im ganzen Körper.», erzählt Ilona. Überhaupt hat es ihr die Kälte angetan. So reist sie auch jeden Februar mit einer Freundin an die Nordsee. Dann, wenn andere Menschen lieber gemütlich auf dem Sofa sitzen, kann Ilona im Norden so richtig den Kopf durchlüften.
Beim Eisbaden kann Ilona alles vergessen.
Die Myelofibrose hat noch weitere Veränderungen in Ilonas Leben gebracht. Seit 6 Jahren ist sie im Verein «MPN Schweiz» aktiv, einem Patientenunterstützungsverein. Der Verein organisiert jährlich eine grosse Veranstaltung, mehrere Regionalgruppen treffen sich regelmässig und es gibt einen Online-Stammtisch für Betroffene. Die Gemeinschaft innerhalb des Vereins bedeutet Ilona viel, da es ihr oft schwerfällt, mit Freunden und Familie über ihre Krankheit zu sprechen. Eine Myelofibrose ist äusserlich nicht sichtbar, was das Verständnis im persönlichen Umfeld erschwert. Ausserdem wird an den Treffen auch viel gelacht und bei weitem nicht nur über die Krankheit gesprochen.
Für Ilona ist es nämlich wichtig, dass die Erkrankung nicht ihr gesamtes Leben bestimmt: "Es gibt nicht nur die Krankheit, man muss auch am Leben teilnehmen." Die Myelofibrose sieht sie als etwas, das in einer Ecke ihres Lebens existiert – manchmal steht sie mehr im Zentrum, aber dann muss sie wieder in die Ecke zurück. Trotz der Herausforderungen, die die Krankheit mit sich bringt, sieht Ilona auch Positives in ihrer Situation. Sie hat wunderbare Menschen kennengelernt und empfindet dies als ein Geschenk, das sie ohne die Diagnose vielleicht nie erfahren hätte. Sie hat gelernt, ihre Lebenszeit als kostbar zu schätzen und möchte sie sinnvoll nutzen. Und sie hat aufgehört, Dinge aufzuschieben, und sich vorgenommen, mehr aus ihrer Komfortzone herauszutreten – wie zum Beispiel beim Eisbaden.
Herausforderung Anämie
Obwohl Ilona derzeit keine Anämie entwickelt hat, bleibt die Möglichkeit eines Auftretens dieser Komplikation eine ständige Herausforderung bei Myelofibrose. Die unkontrollierte Blutbildung geht nämlich einher mit einer zunehmenden Faserablagerung im Knochenmark. Je mehr im Verlaufe dessen das blutbildende Knochenmark verdrängt wird, desto weniger Blut kann der Körper produzieren. Die Folge: Es werden immer weniger Blutzellen produziert, was schliesslich zu einer Blutarmut, einer Anämie, führt.
Eine Anämie ist für Betroffene häufig eine starke Belastung, da sie zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit und verringerter körperlicher Leistungsfähigkeit führen kann. Aber es gibt einiges, was man dagegen tun kann. Welche medizinischen Behandlungsmöglichkeiten es gibt, liest du im Interview mit Prof. Sara C. Meyer.
Daneben wird Betroffenen empfohlen, einen schonenden Umgang mit ihren Energiereserven zu pflegen. Regelmäßige Ruhepausen und eine gute Balance zwischen Aktivität und Erholung helfen, Energiereserven zu schonen und Erschöpfung zu vermeiden. Leichte körperliche Aktivitäten, wie Spazierengehen oder sanftes Yoga, können die Durchblutung fördern und die Müdigkeit verringern, ohne den Körper zu überfordern. Aktivitäten sollten nach Wichtigkeit priorisiert werden, um Überanstrengung zu vermeiden. Aufgaben, die viel Energie erfordern, können auf Zeiten des Tages gelegt werden, an denen man sich am leistungsfähigsten fühlt.
Auch psychosoziale Unterstützung kann helfen, mit der emotionalen Belastung durch die Anämie umzugehen und Strategien zur Bewältigung von Stress und Angst zu entwickeln. Daneben gibt es auch Patientenorganisationen wie die «MPN Schweiz». Der Austausch mit anderen Betroffenen kann emotional entlastend sein und wertvolle Tipps im Umgang mit Anämie bieten.
MPN Patientenunterstützungsverein Schweiz
MPN Schweiz unterstützt Betroffene von myeloproliferativen Neoplasien und ihre Angehörigen. Der Verein organisiert Betroffenen-Anlässe und Patiententreffen um den persönlichen Austausch untereinander zu fördern, eine Plattform für Fragen zu bieten und Informationen weiterzugeben.
Mehr Infos unter www.mpnschweiz.ch
Datum: 01.10.2024
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