
«Ich möchte anderen betroffenen Männern Mut machen.»
2019 erhält Stefan mit 54 Jahren die Diagnose Prostatakrebs. Nach der OP ist nichts mehr wie vorher – auch körperlich. Mit uns hat er über seine Erfahrungen mit Inkontinenz und Erektionsstörungen gesprochen und erzählt, was ihm geholfen hat.
Stefan, aufgewachsen in Zürich, lebt seit über 30 Jahren im Engadin, das zu seiner Heimat geworden ist. Der Vater von vier mittlerweile erwachsenen Kindern verbringt seine Freizeit gerne mit Kajakfahren, Wandern und Radfahren. Privat und beruflich läuft für ihn alles bestens. Doch eine Routineuntersuchung verändert Stefans Leben für immer: «Nach einer Blasenentzündung stimmten meine Blutwerte über eine längere Zeit nicht und ich liess mich deshalb von meinem Hausarzt untersuchen. Er äusserte den Verdacht, dass den erhöhten Werten etwas anderes zugrunde liegen könnte und man sich das Problem genauer anschauen müsste.» Stefan wird an einen Urologen des Kantonsspitals Graubünden überwiesen und bald steht die Diagnose fest – Prostatakrebs. Aber Stefan ist mit dem Verlauf der Voruntersuchungen nicht zufrieden, ihm fehlt das Vertrauen in den behandelnden Arzt. Also holt Stefan sich eine Zweitmeinung beim Unispital Zürich ein. Dort bestätigt sich der Befund: Ein hochgradig aggressiver Prostatakrebs, der dringend operiert werden muss.
Emotionaler Umgang
Die Diagnose trifft Stefan wie ein Schlag in die Magengrube: «Man denkt immer, es passiert nur den anderen, und plötzlich trifft es einen selbst. Ich fragte mich, warum ich es nicht früher bemerkt habe. Aber genau das macht Prostatakrebs so heimtückisch – er bleibt oft lange unentdeckt.» Die rasche Abfolge von Diagnose und Operation belastet Stefan emotional stark. Doch die Zuversicht seines Arztes vor dem Eingriff gibt ihm die nötige Stärke, diesen Schritt zu gehen. Er entscheidet sich, offensiv mit seiner Erkrankung umzugehen: «Zuhause und am Arbeitsplatz sagte ich gleich, was Sache ist. Das entlastete mich sehr und stiess auf positives Feedback», so Stefan.
Die OP und das Leben danach
Die Prostata-OP fällt aufgrund entdeckter Mikrometastasen umfangreicher aus als geplant. Stefans Genesungsprozess verläuft langsam. Wegen Wasseransammlungen im Unterleib kann er lange nicht sitzen. Ausserdem stellen sich in den ersten Wochen die befürchteten Folgen der Prostatektomie ein: Inkontinenz und Erektionsstörungen. Der Krebs macht Stefan auch psychisch zu schaffen. Er benötigt mehrere Monate, um in den Alltag zurückzufinden: «Ich traute mich zunächst nicht unter die Leute und hatte das Gefühl, meine Krankheit sei sichtbar.», erinnert er sich und fügt hinzu: «Anfangs rannte ich zudem gleich bei jedem Bauchweh zum Arzt. Die psychoonkologische Beratung half mir dabei, meine Ängste und Sorgen zu überwinden.»

«Durch die regelmässigen Übungen bekam ich meine anfänglichen Probleme in den Griff. Die Beckenboden-Übungen sind Teil meines Alltags geworden.» Stefan
Inkontinenz kontrollieren
Stefan hat nach der OP Probleme mit seiner Kontinenz: «In den ersten Monaten konnte ich meinen Urin oft nicht halten», erinnert er sich. Dank gezielter Physiotherapie zur Stärkung des Beckenbodens konnte er jedoch Fortschritte erzielen: «Durch die regelmässigen Übungen bekam ich meine anfänglichen Probleme in den Griff. Die Beckenboden-Übungen sind Teil meines Alltags geworden.» Trotz dieser Erfolge bemerkt er jedoch: «Wenn ich zur Toilette muss, kann ich den Urin nicht so lange zurückhalten wie früher. Aber ich habe gelernt, den Drang in 99 Prozent der Fälle zu kontrollieren. Damit kann ich leben.»
Die Sache mit dem Tabu
Stefan weiss aus eigener Erfahrung, dass Männer zurückhaltender sind, wenn es um das Ansprechen von Problemen hinsichtlich ihres Geschlechtsapparates geht. So ist es auch mit der Erektionsstörung, einer weiteren häufigen Folge einer radikalen Prostataentfernung. «Bei mir dauerte es mehrere Monate, bis ich wieder eine Erektion hatte. Aber ganz ohne Medikamente geht es auch heute nicht. Das stört mich aber nicht. Da ich mit der Familienplanung bereits durch bin und die Tabletten als Hilfsmittel beim Sex gut funktionieren, gehe ich mit dem Thema Erektionsstörung pragmatisch um», sagt Stefan mit einem Augenzwinkern.
Anderen helfen
Nach dem Eingriff suchte Stefan den Austausch mit anderen Betroffenen, aber vergeblich. Um diese Möglichkeit anderen Betroffenen zu bieten, stellt er sich heute auf der Peerplattform der Krebsliga für einen Austausch zur Verfügung: «Männer tun sich schwer mit dem Thema Prostatakrebs. Es geht um Männlichkeit und Stärke, das Funktionieren nach der Behandlung. Ja keine Schwäche zeigen. Aber das muss nicht so sein. Ich möchte anderen Betroffenen mit meiner Geschichte Mut machen.» Stefan teilt seine Erfahrungen offen und gibt Ratschläge: «Die psychoonkologische Unterstützung und offene Kommunikation haben mir meinen Weg zurück ins Leben sehr erleichtert. Ich rate Betroffenen, sich zu öffnen. Denn Schweigen löst nichts. Wichtig ist, das eigene Leben an erste Stelle zu setzen. Aus meiner Erfahrung kann man lernen mit den Begleiterscheinungen umzugehen und sie zu akzeptieren.»
Blick in die Zukunft
Stefan ist seit vier Jahren krebsfrei. Seine Prostata- OP hat er nie bereut: «Ich habe ein zweites Leben bekommen, das anders ist als das erste, und das ich heute wertschätze.» Aus diesem Bewusstsein heraus versucht Stefan auch, gesundheitsbewusster zu leben. Und obwohl er seinen Vollzeitjob sehr mag, denkt er doch ernsthaft über eine Frühpensionierung nach. «Um das neu gewonnene Leben noch maximal zu geniessen», wie er selbst sagt.
Wenn du mehr zum Thema Inkontinenz und Erektionsstörungen als Folge einer Prostatakrebs-Operation erfahren möchtest, hör dir unsere Podcastfolge zum Thema mit Prof. Reitz vom KontinenzZentrum der Klinik Hirslanden Zürich an.
Jetzt hier anhören: Männer | Was tun bei Inkontinenz und Erektionsstörungen?
Datum: 03.06.2025
Dieses Interview wurde finanziell von Bayer (Schweiz) AG unterstützt, wobei Bayer keinen Einfluss auf den Inhalt des Interviews hatte. Das Interview wurde von Frau Catherina Bernaschina im Namen der Content Club GmbH durchgeführt. Der Interviewpartner erhielt kein Honorar für das Interview.