
«Raus aus der Opfer- und Leidensrolle!»

Die Einstellung sei bei der Bewältigung einer lebensbedrohlichen Krankheit elementar, ist Rosmarie Pfau, Lymphom-Survivor und Gründerin vom lymphome.ch überzeugt. Es bringe nichts, sich zu verkriechen und in der Opferrolle zu verharren. Vielmehr gilt es, eigene Ressourcen zu aktivieren.
Rosmaire Pfau im Gespräch
Die Definition von Resilienz ist innere Stärke oder emotionale Widerstandsfähigkeit. Was bedeutet Resilienz für Sie?
Rosmarie Pfau: Vor 24 Jahren, als ich meine Lymphom-Diagnose erhielt, war der Begriff Resilienz für mich noch kein Thema; der Begriff war mir unbekannt. Dennoch habe ich intuitiv daran gearbeitet und meinen Weg gefunden, mit der Krankheit umzugehen und letztlich auch daran zu wachsen. Der Umgang mit Krisensituationen ist sicherlich auch geprägt durch Erfahrungen, durch die Herkunft, aber auch durch familiäre Verhaltensweisen. Demnach spielt bei der Entwicklung von innerer Stärke und Widerstandsfähigkeit die Vorbildfunktion, die Haltung der Eltern in Krisen- oder Problemsituationen eine wichtige Rolle.
Meinen Sie damit, dass Verhaltensweisen vererbt werden können?
Pfau: Die meisten Verhaltensweisen sind nicht angeboren, doch je nachdem wie die Eltern mit Problemen umgegangen sind und wie man als Kind die Eltern in Krisensituationen erlebt hat, werden unsere Fähigkeiten, Probleme zu lösen und mit Stress und Lebenskrisen umzugehen, angelegt.
Und können später nur schwer neu erlernt werden?
Pfau: Wenn man etwas verändern will, muss man sich zuerst bewusst werden, wo man steht und was man verändern will. Dies ist ein Prozess und man muss konsequent daran arbeiten – dann gelingt es auch im späteren Leben umzulernen, Neuentscheidungen zu treffen und die individuellen Ressourcen zu aktivieren. Aber wie gesagt, es ist intensive Arbeit, Reaktions- und Verhaltensmuster zu verändern. Bei einer lebensbedrohlichen Krankheit wie Krebs, muss man sich auch immer bewusst sein und akzeptieren, dass jeder Mensch anders damit umgeht, dass die Krankheit ein individueller Prozess ist. Jeder Mensch hat oder entwickelt seine eigenen Strategien und Unterstützungsmöglichkeiten. Nur eines bringt uns nicht weiter: sich als Opfer zu fühlen.

Wie haben Sie Ihre eigene Resilienz gefunden und gestärkt, während Ihrer Erkrankung und auch danach?
Pfau: Ich habe mich informiert und mich mit der Krankheit auseinandergesetzt. Im Laufe der Jahre bin ich Expertin meiner Lymphomerkrankung geworden und konnte durch dieses Wissen meine Ängste bewältigen. Ich bin mir bewusst darüber geworden, was mir guttut, wo meine Stärken und Fähigkeiten sind – diese habe ich genutzt und Kraft daraus geschöpft. Ich habe mich bewusst auf die neue Situation eingelassen, habe die Herausforderung angenommen und mit einer gewissen Neugierde angepackt. In dieser grössten Krise meines Lebens durfte ich erfahren, wieviel in mir steckt, habe neue Seiten und Fähigkeiten an mir entdeckt. Das wiederum hat mir Selbstvertrauen und Kraft geschenkt.
Ihr Motto ist: «Raus aus der Opfer- und Leidenshaltung»…
Pfau: Dann kommt die Energie zurück! Man darf den Kopf nicht in den Sand stecken, auch wenn man immer wieder der Verzweiflung nahe ist. Das ging mir nicht anders.
Welche Strategien oder Hilfsmittel haben Ihnen dann geholfen?
Pfau: Ich habe mir Selbsthypnose beigebracht, Entspannungs- und Visualisierungsübungen praktiziert und daran gearbeitet, dass ich meine Gedanken kontrollieren kann. Ich hatte das Glück, dass ich einige Jahre vor meiner Krankheit eine Ausbildung in Transaktionsanalyse gemacht habe. Dabei habe ich gelernt, welche Faktoren die Haltung zu einer Situation oder Sache bestimmen und wie man diese durch Bewusstwerdung beeinflussen kann. Ich habe jahrelange Selbsterfahrung praktiziert und dabei erkannt, wie negative Einstellungen sich auf meine Befindlichkeit auswirken können. Das hat mir während meiner Krankheit geholfen. Zudem nahm ich nach der Diagnose über einen längeren Zeitraum regelmässig Beratung bei einer Transaktionsanalytikerin und kinesiologischen Sitzungen in Anspruch.
«Ressourcen helfen uns zu lernen, mit Krisen aller Art konstruktiv umzugehen.»
Was ist für Sie elementar im Umgang mit einer lebensbedrohlichen Krankheit?
Pfau: Die Einstellung. Die innere Haltung ist bei einer lebensbedrohlichen Krankheit extrem wichtig, ebenso wie der Gedankenstopp; also die Fähigkeit, negative Gedanken ausgrenzen zu können. Man muss versuchen in der Realität zu bleiben und sich nicht in «Worst-Case»-Szenarien verlieren. Die innere Haltung steuert auch die eigene Befindlichkeit. Ich habe immer versucht, im Hier und Jetzt zu sein und nicht in düstere Phantasien abzudriften. Für mich war deshalb die Informationsbeschaffung und der Austausch mit Gleichbetroffenen sehr hilfreich, vor allem nach der Diagnose und in der ersten Phase der Erkrankung.
Sie haben den Verein 'lymphome.ch' aufgebaut und weiterentwickelt. Welche Rolle spielt Resilienz bei der Unterstützung Ihrer Mitglieder?
Pfau: Es ist ein zentraler Aspekt, obwohl der Begriff ‘Resilienz’ nicht im Vordergrund steht. Durch den Austausch, die Wissensvermittlung und durch die emotionale Unterstützung, wird die Resilienz jedes Einzelnen gestärkt. Wir wissen, dass wir alle im selben Boot sitzen und uns gegenseitig den Rücken stärken.

Wie haben Sie beobachtet, dass Menschen im Verein 'lymphome.ch' ihre Widerstandsfähigkeit gestärkt haben, um ihre eigene Krankheitsverarbeitung und Entscheidungsfindung zu bewältigen?
Pfau: Im Gespräch mit den Betroffenen wird mir immer wieder berichtet, wie sehr der Erfahrungsaustausch, die Gespräche und die Informationen ihnen dabei helfen, ihren individuellen Weg zu finden. Bei Gesprächen mit Betroffenen staune ich immer wieder, wie viele einen guten Weg gefunden haben, mit den Herausforderungen der Krankheit umzugehen und diese zu bewältigen.
Wie kann der Austausch in Gesprächsgruppen und Informationsveranstaltungen zur Entwicklung von Resilienz beitragen und welche Rolle spielen diese Aktivitäten bei Lymphome.ch?
Pfau: Sicher ist hilfreich, dass die Gruppenteilnehmerinnen und -teilnehmer realisieren, dass sich alle mit den gleichen Themen und Ängsten auseinandersetzen. Es gibt sicherlich auch Betroffene, die als Vorbilder für einen positiven Umgang mit der Krankheit angeschaut werden. Dies hat einen stärkenden und mutmachenden Einfluss auf andere Betroffene. Man realisiert, dass nicht aller Tage Ende ist und jeder hoffen darf. Bei Informationsveranstaltungen ermuntern wir die Besucher, brennende Fragen an die Fachreferenten zu stellen, was wiederum Unsicherheiten abbauen und eine realitätsbezogene Haltung begünstigen kann.
Die Patientenorganisation als aktive Hilfe zur Selbsthilfe.
Das selbst definiertes Ziel von lymphome.ch ist, Lymphom-betroffenen Menschen, ihren Angehörigen und Freunden in einer durch Krankheit und Verunsicherung geprägten Lebensphase Anteilnahme, Zuwendung und seelische Unterstützung zu bieten.
Mehr dazu:
www.lymphome.ch
Datum: 08.01.2024
Bristol Myers Squibb (BMS) ist ein weltweit führendes biopharmazeutisches Unternehmen, das das Leben von Patientinnen und Patienten durch Forschung und Wissenschaft verbessert. BMS ist eine führende Firma im Bereich klinische Forschung in der Schweiz und stellt sicher, dass Betroffene im Kampf gegen den Krebs frühzeitig Zugang zu innovativen Behandlungsmethoden erhalten.